BGer 5D_54/2010
 
BGer 5D_54/2010 vom 29.04.2010
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
5D_54/2010
Urteil vom 29. April 2010
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Zingg.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Bezirksgericht Dietikon,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsvertreterin (Eheschutzverfahren),
Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, Verwaltungskommission, vom 5. Februar 2010.
Sachverhalt:
A.
X.________ vertrat A.________ als unentgeltliche Rechtsvertreterin in einem Verfahren über die Abänderung von Eheschutzmassnahmen vor dem Bezirksgericht Dietikon. Mit Schreiben vom 19. März 2009 reichte X.________ ihre Honorarnote über Fr. 4'679.45 ein. Mit Verfügung vom 4. Mai 2009 sprach ihr der Einzelrichter des Bezirksgerichts eine Entschädigung von Fr. 3'439.06 zu.
B.
Am 2. Juni 2009 erfuhr Rechtsanwältin X.________ von der höher ausgefallenen Entschädigung des Gegenanwaltes. Danach reichte sie am 4. Juni 2009 beim Bezirksgericht Dietikon eine als "Wiedererwägungsgesuch / Beschwerde / ev. Revision" bezeichnete Eingabe mit folgendem Antrag ein:
"Die Verfügung vom 4.5.2009 sei aufzuheben, und es sei mir als Entschädigung für meine Bemühungen als unentgeltliche Rechtsvertreterin der Beklagten der Betrag von Fr. 4'697.45 zuzusprechen."
Mit Verfügung vom 6. Oktober 2009 wurde auf das Wiedererwägungsgesuch nicht eingetreten. Zugleich wurde das Revisionsgesuch abgewiesen und X.________ eine zehntägige Frist angesetzt, um sich zur Frage zu äussern, ob ihre Eingabe als Beschwerde im Sinne von § 108 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz des Kantons Zürich vom 13. Juni 1976; LS 211.1) an das Obergericht weiterzuleiten sei. Am 22. Oktober 2009 beantragte X.________ die Weiterleitung.
C.
Mit Beschluss vom 5. Februar 2010 trat die Verwaltungskommission des Zürcher Obergerichts auf die Beschwerde nicht ein.
D.
Gegen diesen Beschluss hat X.________ (fortan: Beschwerdeführerin) am 17. März 2010 subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und auf ihre Beschwerde vom 4. Juni 2009 einzutreten; diese sei gutzuheissen und sie sei für ihre Arbeit als unentgeltliche Rechtsvertreterin mit Fr. 4'697.45 zu entschädigen. Eventualiter sei die Angelegenheit an das Obergericht zur materiellen Beurteilung zurückzuweisen.
Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.
Erwägungen:
1.
1.1 Angefochten ist binnen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid (§ 284 Ziff. 2 der Zürcher Zivilprozessordnung vom 13. Juni 1976 [ZPO; LS 271] i.V.m. Art. 75 Abs. 1 BGG; vgl. auch HAUSER/SCHWERI, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, 2002, N. 1 zu § 110 GVG). Er schliesst das Verfahren ab und ist somit ein Endentscheid gemäss Art. 90 BGG. Da er die Entschädigung einer unentgeltlichen Rechtsvertreterin in einem Zivilverfahren betrifft, handelt es sich um einen unmittelbar mit Zivilrecht in Zusammenhang stehenden öffentlich-rechtlichen Entscheid im Sinne von Art. 72 Abs. 2 lit. b BGG (Urteil 5D_145/2007 vom 5. Februar 2008 E. 1.1), womit er grundsätzlich der Beschwerde in Zivilsachen unterliegt. Nachdem allerdings der massgebliche Streitwert (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG; Urteil 5D_175/2008 vom 6. Februar 2009 E. 1.1) nicht erreicht ist und auch das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG) nicht behauptet wird, ist die Beschwerde - wie verlangt - als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegenzunehmen (Art. 113 ff. BGG).
1.2 Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Dabei hat die Beschwerde den qualifizierten Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG zu genügen (Art. 117 BGG), d.h. es muss klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids dargelegt werden, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 133 III 393 E. 6 S. 397 mit Hinweis).
2.
Das Obergericht hat erwogen, die Beschwerde gemäss § 108 Abs. 1 Satz 1 GVG stehe gegen Entscheide über die Festsetzung der Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsvertreters offen und sei gemäss § 109 Abs. 1 GVG binnen 10 Tagen seit Mitteilung oder Kenntnisnahme des angefochtenen Entscheids einzureichen. Vorliegend bilde die Verfügung vom 4. Mai 2009 das Anfechtungsobjekt. Mangels gegenteiliger Behauptung sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin diese Verfügung in der Woche vom 4. Mai 2009 erhalten habe, womit die am 4. Juni 2009 der Post übergebene Beschwerde verspätet sei. Die Beschwerdeführerin mache geltend, von den ins Feld geführten Beschwerdegründen erst am 2. Juni 2009 Kenntnis erhalten zu haben, und zwar anlässlich eines Telefongesprächs mit dem Gegenanwalt, dessen Entschädigung erst am 25. Mai 2009 festgesetzt worden sei. Es müsse jedoch offen bleiben, ob dieser Umstand als Begründung für eine Fristwiederherstellung nach § 199 GVG geeignet wäre, habe die Beschwerdeführerin es doch unterlassen, binnen der zehntägigen, spätestens ab Kenntnisnahme der Honorarverfügung des Gegenanwalts laufenden Frist (§ 199 Abs. 3 GVG) einen entsprechenden Antrag zu stellen. Mangels Einhaltung der Beschwerdefrist sei demnach auf die Beschwerde nicht einzutreten.
3.
3.1 Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe die Entschädigungsverfügung vom 4. Mai 2009 am 8. Mai 2009 erhalten, womit die Rechtsmittelfrist am 18. Mai 2009 abgelaufen sei. Das Honorar des Gegenanwalts sei aber am 25. Mai 2009 festgelegt worden und erst dadurch habe der Einzelrichter des Bezirks Dietikon die gerügten Rechtsverletzungen begangen. Sie habe während der Rechtsmittelfrist gegen die Verfügung vom 4. Mai 2009 somit keinen Anlass gehabt, ein Rechtsmittel einzureichen. Richtigerweise habe die Beschwerdefrist erst mit der Festsetzung des Honorars des Gegenanwalts bzw. dessen Kenntnisnahme durch die Beschwerdeführerin begonnen. Somit stehe auch ein Fristwiederherstellungsgesuch nicht zur Diskussion. Sie habe innerhalb von zehn Tagen seit Kenntnisnahme des Honorars des Gegenanwalts Beschwerde eingereicht und damit die Frist von § 109 Abs. 1 GVG gewahrt. Der gegenteilige Entscheid der Vorinstanz sei willkürlich (Art. 9 BV).
3.2 Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn ein Entscheid auf einem offensichtlichen Versehen beruht, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17 f., 131 I 467 E. 3.1 S. 473 f.; je mit Hinweisen).
3.3 § 109 Abs. 1 GVG sieht vor, dass die Beschwerde gegen einen bestimmten Entscheid oder eine bestimmte Handlung binnen zehn Tagen seit Mitteilung oder Kenntnisnahme einzureichen ist. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sich ihre Beschwerde gegen die Verfügung vom 4. Mai 2009 richtet und sie nicht die Entschädigungsverfügung des Gegenanwaltes vom 25. Mai 2009 anzufechten hat. Allerdings geht sie davon aus, fristauslösendes Ereignis sei ihre Kenntnisnahme der entsprechenden Verfügung des Gegenanwalts gewesen. Dass die Vorinstanz dieser Auffassung nicht gefolgt ist, sondern - dem Wortlauf von § 109 Abs. 1 GVG folgend - auf die Zustellung des Anfechtungsobjekts abgestellt hat, erscheint nicht als willkürlich. Dies ist umso weniger der Fall, als die erst nach Fristablauf aufgetauchten Rügen materiell nicht unbeurteilt geblieben sind, sondern einerseits im Revisionsverfahren behandelt wurden, andererseits das Obergericht die Möglichkeit einer Wiederherstellung der Beschwerdefrist nicht von vornherein ausgeschlossen hat. Insoweit ist die Beschwerde unbegründet.
3.4 Die Beschwerdeführerin erachtet den Entscheid des Obergerichts zudem als Rechtsverweigerung und damit als Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV.
Eine formelle Rechtsverweigerung liegt vor, wenn eine Behörde auf eine ihr frist- und formgerecht unterbreitete Sache nicht eintritt, obschon sie darüber befinden müsste (BGE 135 I 6 E. 2.1 S. 9 mit Hinweis). Umgekehrt bedeutet ein Nichteintretensentscheid infolge Fristversäumnis keine formelle Rechtsverweigerung gemäss Art. 29 Abs. 1 BV (Urteil 4P.167/1994 vom 5. Januar 1995 E. 1d). Weshalb dies vorliegend anders sein könnte, ist nicht ersichtlich, begründet die Beschwerdeführerin die angebliche Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV doch einzig mit den im Rahmen der Willkürrüge bereits behandelten Argumenten.
4.
4.1 In einer Eventualbegründung geht die Beschwerdeführerin auf den Fall ein, dass sie tatsächlich ein Wiederherstellungsgesuch hätte einreichen müssen. Sie macht geltend, dies sinngemäss in ihrer Eingabe vom 4. Juni 2009 getan zu haben. Eines ausdrücklichen Antrags bedürfe es nicht; vielmehr genüge es, zum Ausdruck zu bringen, dass ihre Eingabe wegen der vorgebrachten Gründe als rechtzeitig angesehen werden solle (unter Hinweis auf HAUSER/SCHWERI, a.a.O., N. 84 zu § 199 GVG). Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz beruhe auf überspitztem Formalismus.
4.2 Überspitzter Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und damit dem Bürger den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt (BGE 135 I 6 E. 2.1 S. 9 mit Hinweisen).
4.3 Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer Eingabe vom 4. Juni 2009 ein ganzes Bündel von Rechtsbehelfen ergriffen und diese ausdrücklich benannt, nämlich als Wiedererwägungsgesuch, als Beschwerde und - eventualiter - als Revision. Wenn das Obergericht unter diesen Umständen in der Eingabe einer rechtskundigen und als Anwältin tätigen Person nicht auch noch ein bloss sinngemäss gestelltes Wiederherstellungsgesuch erblickt hat, so stellt dies keinen überspitzten Formalismus dar. Vielmehr durfte von der Beschwerdeführerin erwartet werden, sich genau über die Art der erhobenen Behelfe zu äussern, zumal sie auch alle anderen ergriffenen Rechtsbehelfe ausdrücklich bezeichnet hat. Zudem lag die Möglichkeit auf der Hand, dass ihre Beschwerde als verspätet beurteilt werden könnte. Dies scheint auch der Beschwerdeführerin bewusst gewesen zu sein, hat sie doch in ihrer Eingabe relativ ausführlich dargelegt, weshalb ihre Beschwerde rechtzeitig erfolgt sei. Jedoch fehlt eine Äusserung über das weitere Vorgehen für den Fall, dass die Beschwerde als verspätet beurteilt würde. Dies wäre einer Anwältin ohne weiteres zumutbar gewesen, so dass auch unter diesem Gesichtswinkel nicht als überspitzt formalistisch erscheint, wenn in ihre Eingabe kein Wiederherstellungsgesuch hineingelesen wurde.
5.
Da unter den zu prüfenden Gesichtspunkten das Obergericht zu Recht nicht auf die Beschwerde eingetreten ist, erübrigt es sich, auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Sache einzugehen, mit welchen sie eine willkürliche, rechtsungleiche und diskriminierende Festsetzung der Entschädigung als unentgeltliche Rechtsvertreterin geltend macht. Die Verfassungsbeschwerde ist mithin abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
6.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Bezirksgericht Dietikon und dem Obergericht des Kantons Zürich, Verwaltungskommission, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. April 2010
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
Hohl Zingg