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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1C_41/2010
Urteil vom 11. Juni 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Dold.
1. Verfahrensbeteiligte
A.________,
2. B.________,
3. C.________,
4. D.________,
5. E.________,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwältin Corinne Willimann,
gegen
Ehepaar F.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Mühlebach,
Gemeinderat Adligenswil, Dorfstrasse 4,
6043 Adligenswil.
Gegenstand
Bau- und Planungsrecht,
Beschwerde gegen das Urteil vom 3. Dezember 2009 des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung.
Sachverhalt:
A.
Die Eheleute F.________ reichten am 2. Dezember 2008 ein Baugesuch für die Erweiterung und Aufstockung eines bestehenden Wohnhauses auf der Parzelle Nr. 389, Grundbuch Adligenswil, ein. Es handelte sich um ein überarbeitetes Projekt, nachdem ein früheres Baugesuch vom Verwaltungsgericht des Kantons Luzern aufgehoben worden war. A.________, B.________, C.________, D.________ und E.________ erhoben gegen das Gesuch Einsprache. Mit Entscheid vom 29. Januar 2009 wies der Gemeinderat Adligenswil die Einsprachen ab und erteilte die Baubewilligung. Ein dagegen erhobenes Rechtsmittel wurde vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 3. Dezember 2009 abgewiesen.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 22. Januar 2010 beantragen A.________, B.________, C.________, D.________ und E.________ im Wesentlichen, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die Baubewilligung sei zu verweigern. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdegegner beantragen, das Rechtsmittel sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Der Gemeinderat liess sich nicht vernehmen. In ihren weiteren Stellungnahmen halten die Beschwerdeführer, die Beschwerdegegner und das Verwaltungsgericht an ihren jeweiligen Anträgen fest.
Mit Präsidialverfügung vom 16. Februar 2010 hat das Bundesgericht das Gesuch der Beschwerdeführer um aufschiebende Wirkung abgewiesen.
Erwägungen:
1.
Dem angefochtenen Entscheid liegt ein Beschwerdeverfahren über eine baurechtliche Bewilligung zugrunde. Nach Art. 34 Abs. 1 RPG (SR 700) gelten für die Rechtsmittel an die Bundesbehörden die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 lit. a BGG steht auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts zur Verfügung. Das Bundesgerichtsgesetz enthält keinen Ausschlussgrund (Art. 83 BGG). Angefochten ist ein Entscheid einer letzten kantonalen Instanz, welcher das Verfahren abschliesst (Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführer haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen, sind als Nachbarn durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist grundsätzlich einzutreten.
2.
2.1 Die Beschwerdeführer machen geltend, der angefochtene Entscheid beruhe auf einer willkürlichen Anwendung des am 12. Mai 1967 vom Gemeinderat von Adligenswil genehmigten Gestaltungsplans "Untersack" (Art. 9 BV). Daneben rügen sie die Verletzung einer Reihe weiterer Normen des kantonalen und des Bundesrechts.
2.2 Das Verwaltungsgericht hält fest, die Liegenschaft Nr. 389 sei früher Teil einer mittlerweile parzellierten grösseren Liegenschaft gewesen. Gemäss der Berechnung der Ausnützung und der Verteilung der Bruttowohnflächen auf die einzelnen Grundstücke vom 3. Mai 1967 seien auf dem damaligen grösseren Grundstück zwölf Einfamilienhäuser à je 230 m2 bzw. eine Ausnützungsziffer von 0.345 vorgesehen gewesen. Dieses Dokument sei zwar nicht Teil der öffentlich aufgelegten Unterlagen gewesen. Bei der Genehmigung des Gestaltungsplans habe der Gemeinderat die Berechnung der Ausnützung und die Verteilung der Bruttowohnflächen jedoch als integrierenden Bestandteil bezeichnet. Das geplante Bauprojekt weise eine anrechenbare Geschossfläche von 293.65 m2 auf und überschreite damit das erlaubte Mass um 63.65 m2. Aus diesem Grund beabsichtigten die Gesuchsteller die Zusammenlegung des Baugrundstücks mit der ebenfalls in ihrem Eigentum stehenden benachbarten Parzelle Nr. 390. Diese weise eine Fläche von 368 m2 auf.
Ein Vergleich des Gestaltungsplans mit dem aktuellen Situationsplan zeige, dass die tatsächliche Überbauung heute ungefähr dem Plan entspreche. Einzig auf Parzelle Nr. 390 sei auf eine Überbauung verzichtet worden. Bereits im Jahre 1970 seien indessen 180 m2 von dieser Parzelle an die benachbarte Parzelle Nr. 391 abgetreten worden. Würde heute Parzelle Nr. 390 mit 230 m2 anrechenbarer Geschossfläche überbaut, so hätte dies eine Ausnützungsziffer von 0.625 und damit eine wesentliche Überschreitung der erlaubten 0.345 zur Folge. Der Bau von zwölf ungefähr gleich grossen Einzelbauten, so wie sie im Gestaltungsplan grob eingezeichnet seien, sei daher bereits seit fast 40 Jahren nicht mehr realisierbar.
Weiter spreche die äusserst knappe Regelungsdichte im Gestaltungsplan dafür, dass die Situierung der Bauten im Plan orientierend erfolgt sei und nicht exakt übernommen werden müsse. Hätten die Planer anderes beabsichtigt, so hätten sie detailliertere Vorschriften wie zum Beispiel die Festlegung von Baulinien, den Ausschluss eines Näher- oder Grenzbaurechts oder anderweitige bauliche Einschränkungen statuieren müssen.
Aus dem Gestaltungsplan gehe eine bestimme Planungsidee hervor. Danach solle am Rand des Baugebiets eine lockere, zweigeschossige Überbauung mit kleinen Einheiten verwirklicht werden. Dieses Ziel werde durch das Bauvorhaben nicht untergraben. Zwar sei die Überschreitung der zulässigen Bruttowohnfläche um 63.65 m2 (bzw. um 27.67 %) nicht unbedeutend, doch könne allein daraus noch nicht auf eine Verletzung des Zonencharakters geschlossen werden. Ein Blick auf den Zonenplan zeige, dass eine Mehrausnützung in dieser Grössenordnung im betreffenden Gebiet nicht störend wirke. Dies habe auch ein Augenschein bestätigt. Dabei falle ins Gewicht, dass die zusätzliche Nutzfläche für einen beheizten Wintergarten und die Aussentreppe benötigt werde. Bei der Treppe handle es sich nicht um einen volumenbildenden Körper; sie beeinflusse die Erscheinung des Gebäudes nicht wesentlich. Der Wintergarten könnte, sofern er unbeheizt wäre, sogar ohne Anrechnung erstellt werden. Dank seinen Glaswänden wirke er leichter als ein von einer Mauer umschlossener Raum.
2.3 Die Beschwerdeführer halten diesen Ausführungen im Wesentlichen entgegen, die Ausnützungsberechnung und die Nutzflächenzuteilung auf zwölf Einfamilienhäuser à 230 m2 seien Kernbestandteil des Gestaltungsplans und verbindlich. Die Feststellung, die Erstellung eines zwölften Hauses sei nicht mehr möglich, seit von Parzelle Nr. 390 180 m2 zu Parzelle Nr. 391 verschoben worden seien, sei falsch und im Hinblick auf den verbindlichen Inhalt des Gestaltungsplans ohnehin irrelevant. Zudem sei das Verwaltungsgericht in Willkür verfallen, indem es erwogen habe, dass der Zonencharakter trotz der Überschreitung der Ausnützungsziffer gewahrt bleibe.
2.4 Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 135 V 2 E. 1.3 S. 4 f. mit Hinweisen).
2.5
2.5.1 Der am 12. Mai 1967 genehmigte Gestaltungsplan "Untersack" ist zwar rudimentär. Aus dem Plan, der zugehörigen Berechnung der Ausnützung und der Verteilung der Bruttowohnflächen ergibt sich für das vorliegend interessierende Areal jedoch immerhin, dass darauf zwölf Häuser zu stehen kommen sollen, wie diese zu platzieren sind und dass die jeweilige Bruttowohnfläche maximal 230 m2 beträgt. Auch wenn die Situierung der Bauten im Gestaltungsplan gemäss angefochtenem Entscheid orientierenden Charakter haben soll, so erscheint doch die Zuweisung einer maximalen Bruttowohnfläche, welche unabhängig von der jeweiligen Grundstücksfläche ist, als charakteristisches und zentrales Element des Gestaltungsplans.
2.5.2 Das Verwaltungsgericht vermutet, dass die Abtretung von 180 m2 der Parzelle Nr. 390 im Jahre 1970 bei der Überbauung von Parzelle Nr. 391 für die Berechnung der Ausnützungsziffer berücksichtigt wurde. Indessen hat es nicht festgestellt, dass die anrechenbare Geschossfläche auf Parzelle Nr. 391 dabei 230 m2 überschritt. Dies ist im Übrigen ohnehin nicht entscheidend, denn es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Nichteinhaltung eines Sondernutzungsplans bei einer einzelnen Überbauung diesen für künftige Bauvorhaben teilweise unbeachtlich machen sollte.
2.5.3 Ähnliche Überlegungen gelten in Bezug auf die Überbauung von Parzelle Nr. 390. Mit der Erwägung, die Errichtung von zwölf Einfamilienhäusern mit je 230 m2 anrechenbarer Geschossfläche sei seit 1970 nicht mehr realistisch, verkennt die Vorinstanz, dass es sich bei dieser Grösse um eine Obergrenze handelt. Es ist nicht anzunehmen, dass ein Bauprojekt mit einer geringeren anrechenbaren Geschossfläche dem Gestaltungsplan zuwiderlaufen würde. Zumindest ist nicht nachvollziehbar, wie aus dem Umstand, dass die Parzelle Nr. 390 möglicherweise nicht überbaut werden wird, darauf geschlossen werden kann, dass bei einem Bauprojekt auf der benachbarten Parzelle die Vorgaben des Gestaltungsplans zur Bruttowohnfläche nicht mehr verbindlich sein sollten. Dies insbesondere deshalb, weil sich aus dem Gestaltungsplan keine positive Baupflicht (im Sinne eines Bauzwangs) ableiten lässt (vgl. zum aargauischen Recht ERICH ZIMMERLIN, Baugesetz des Kantons Aargau, 2. Aufl. 1985, N. 7 zu § 141).
2.5.4 Beim vorliegenden Bauprojekt wird die zulässige Bruttogeschossfläche um 27.67 % überschritten. Dies ist offensichtlich eine deutliche Abweichung vom Gestaltungsplan. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gestaltungsplan selbst bereits eine von der Regelbauweise abweichende Ausnahmeordnung darstellt (ANDRÉ SUTER, Der Gestaltungsplan des bernischen Baurechts, 1973, S. 121; ZIMMERLIN, a.a.O., N. 6 zu § 141). Der Entscheid des Verwaltungsgerichts, dass die Baubewilligungserteilung trotz dieser Abweichung rechtens gewesen sei, erweist sich vor diesem Hintergrund als willkürlich.
Offen bleiben kann, ob tatsächlich zutrifft, dass der Zonencharakter im Sinne einer am Rand des Baugebiets befindlichen, lockeren, zweigeschossigen Überbauung mit kleinen Einheiten nicht gestört würde.
3.
Damit ergibt sich, dass die Beschwerde gutzuheissen ist. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Baubewilligung zu verweigern (Art. 107 Abs. 2 BGG). Die Angelegenheit wird an das Verwaltungsgericht zu neuem Entscheid im Kostenpunkt zurückgewiesen.
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind den unterliegenden Beschwerdegegnern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie haben den obsiegenden, anwaltlich vertretenen Beschwerdeführern eine dem Aufwand entsprechende Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 3. Dezember 2009 wird aufgehoben und die ihm zugrunde liegende Baubewilligung verweigert.
Die Angelegenheit wird an das Verwaltungsgericht zu neuem Entscheid im Kostenpunkt zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdegegnern auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegner werden unter solidarischer Haftbarkeit verpflichtet, den Beschwerdeführern Fr. 2'000.-- als Parteientschädigung auszurichten.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Adligenswil und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. Juni 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Féraud Dold