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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_442/2010
Urteil vom 15. Juli 2010
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiber Keller.
Verfahrensbeteiligte
X.________, vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Oswald,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Widerhandlung gegen das kantonale Baugesetz; Willkür,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 22. März 2010.
Sachverhalt:
A.
Das Bezirksamt Baden verurteilte X.________ als verantwortlicher Vertreter der Arbeitsgemeinschaft A.________/B.________/C._______/D._______ mit Strafbefehl vom 2. November 2006 wegen Widerhandlung gegen § 59 und § 160 Abs. 1 des Baugesetzes des Kantons Aargau zu einer Busse von Fr. 7'000.--.
X.________ erhob gegen diesen Strafbefehl Einsprache beim Bezirksgericht Baden. Mit Urteil vom 27. Mai 2009 bestätigte dieses Schuldspruch und Strafe.
Das Obergericht des Kantons Aargau wies die dagegen erhobene Berufung am 22. März 2010 ab.
B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Er beantragt, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben, und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
C.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Die Vorinstanz geht von folgendem Sachverhalt aus:
Anlässlich einer Kontrolle vom 8. Mai 2006 stellten die zuständigen Polizeibehörden fest, dass die Arbeitsgemeinschaft A.________/ B.________/C.________/D.________ (nachfolgend A.B.C.D.), vertreten durch X.________, der für die Maschinen auf der Baustelle des Neubaus der F.________ in G._________ verantwortlich zeichnete, drei Baumaschinen einsetzte, die nicht den vorgegebenen Auflagen gemäss Baubewilligung der Gemeinde G._________ entsprachen. Entgegen der Auflage einer Partikelfilterpflicht für Baumaschinen ab einer Nennleistung von 18 KW waren drei Maschinen aus dem verwendeten Maschinenpark nicht mit den vorgeschriebenen Partikelfiltern ausgestattet.
2.
Nach § 160 Abs. 1 des Gesetzes vom 19. Januar 1993 über Raumentwicklung und Bauwesen (Baugesetz, BauG; SAR 713.100) des Kantons Aargau wird mit Busse bis zu Fr. 50'000.-- bestraft, wer Bauten oder Anlagen ohne Bewilligung oder unter Verletzung einer solchen erstellt, wer geschützte Naturobjekte und Heimatschutzobjekte ohne Bewilligung oder unter Verletzung von Vorschriften beseitigt, oder wer sonst wie diesem Gesetz, den gestützt darauf erlassenen Vorschriften, Verfügungen und Entscheiden zuwiderhandelt. Nach Abs. 2 derselben Bestimmung ist die vorsätzliche oder fahrlässige Widerhandlung, begangen durch Bauherren, Eigentümer, sonstige Berechtigte, Projektverfasser, Unternehmer und Bauleiter strafbar. An Stelle einer juristischen Person oder einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft sind gemäss Abs. 4 die natürlichen Personen strafbar, die für sie gehandelt haben oder hätten handeln sollen.
2.1 Gemäss den Erwägungen der Vorinstanz ist der Beschwerdeführer in seiner Funktion als Verantwortlicher für den Einsatz der Maschinen als "Unternehmer" im Sinne von § 160 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 BauG/AG zu betrachten. Die Partikelfilterpflicht ergibt sich aus der Baubewilligung. Der Beschwerdeführer habe durch das inkriminierte Verhalten unter Verletzung einer Bewilligung eine Baute erstellen lassen und damit den objektiven Tatbestand von § 160 BauG/AG erfüllt (angefochtenes Urteil, S. 5 ff.). Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, inwiefern die Vorinstanz damit kantonales Recht willkürlich angewendet oder Verfassungsrecht verletzt habe.
2.2 Die Vorinstanz hält fest, der Beschwerdeführer habe unstreitig aufgrund von Hinweisen seitens der Generalunternehmerin um die Partikelfilterpflicht gewusst. Fraglich sei aber, ob er gewusst oder zumindest in Kauf genommen habe, dass sich die Partikelfilterpflicht aus der Baubewilligung ergebe. Direkter Vorsatz scheide aus, da ihm nicht rechtsgenüglich nachgewiesen werden könne, dass er die Baubewilligung gesehen oder Kenntnis von ihrem Inhalt gehabt habe (angefochtenes Urteil, S. 10).
Die Vorinstanz bejaht hingegen eine eventualvorsätzliche Tatbegehung. Der Beschwerdeführer habe anlässlich der Hauptverhandlung ausgeführt, die Baubewilligung nicht gekannt, indessen von der Generalunternehmerin (B.________) von der Partikelfilterpflicht erfahren zu haben. Er habe daher um die Partikelfilterpflicht gewusst. Zudem seien die verschiedenen am Bauvorhaben beteiligten Unternehmer mehrfach vom Amt für Umwelt des Kantons Aargau dazu aufgefordert worden, diesem eine Liste der auf der Baustelle verwendeten Maschinen zukommen zu lassen. Es habe ihm als Branchenkundigen klar sein müssen, dass die staatlichen Behörden zumindest eine Kontrollfunktion ausübten und die Einhaltung der Partikelfilterpflicht überwachten. Es sei lebensfremd zu behaupten, es nicht für möglich zu halten, dass sich die Filterpflicht aus einem hoheitlichen Akt ergebe. Der Beschwerdeführer könne die ihm mitgeteilte Partikelfilterpflicht nicht leichthin als blosse vertragliche Verpflichtung abtun und ignorieren. Ein derartiger Gedankengang wirke konstruiert. Der Beschwerdeführer habe sehr wohl damit gerechnet, gegen eine Baubewilligung zu verstossen und dies auch in Kauf genommen, um seiner Ansicht nach unverhältnismässige Kosten zu sparen (act. 68 der Vorakten). Somit sei Eventualvorsatz gegeben (angefochtenes Urteil, S. 10 f.).
2.3 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Legalitätsgrundsatzes ("nulla poena sine lege") gemäss Art. 1 StGB. Dieser verlange, dass strafbares Verhalten hinreichend bestimmt sei, so dass der Täter wisse, welches Verhalten mit Strafe bedroht sei. Diese Anforderung sei vorliegend bei weitem nicht erfüllt. Die Baubewilligung der Gemeinde G._________ sei ihm nie formell eröffnet worden. Auch seiner Arbeitgeberin (A.________ AG) sei die Baubewilligung nicht zugestellt worden. Er habe gewusst, dass rein privatrechtlich eine Partikelfilterpflicht bestanden habe, doch habe er keine Kenntnis der diesbezüglichen Auflage in der Baubewilligung gehabt. Zudem habe nach eidgenössischem Recht damals keine allgemeine Partikelfilterpflicht für Baumaschinen mit entsprechender Strafdrohung im Unterlassungsfall bestanden. Eine Bestrafung sei nur möglich, wenn ihm die Baubewilligung inklusive Auflage ausdrücklich eröffnet worden wäre. Vorliegend hätten nicht einmal der Generalunternehmer, geschweige denn die A.B.C.D., von der Baubewilligung Kenntnis erhalten (Beschwerde, S. 7 f.).
2.4 Der Legalitätsgrundsatz ("nulla poena sine lege") ist vom Bundesgesetzgeber ausdrücklich in Art. 1 StGB verankert worden. Explizit findet sich die Regel auch in Art. 7 EMRK. Im Rahmen des kantonalen (Übertretungs-)Strafrechts gilt das Legalitätsprinzip nicht gestützt auf Art. 1 StGB, sondern fliesst direkt aus dem Verfassungs- bzw. Konventionsrecht. Zumindest als Ausfluss des Willkürverbotes (Art. 9 BV) gehört der Grundsatz "nulla poena sine lege" zum Bundes(verfassungs)recht im Sinne von Art. 95 Abs. 1 BGG (zum Ganzen das Urteil des Bundesgerichts 6B_385/2008 vom 21. Juli 2008 E. 3.1 mit Hinweisen). Zudem wird das Legalitätsprinzip in seiner allgemeinen Bedeutung von Art. 5 Abs. 1 BV mitumfasst. Es besagt, dass ein staatlicher Akt sich auf eine materiellrechtliche Grundlage stützen muss, die hinreichend bestimmt und vom staatsrechtlich hierfür zuständigen Organ erlassen worden ist (BGE 130 I 1 E. 3.1). Allein daraus kann allerdings nicht abgeleitet werden, dass das Bundesgericht das kantonale Übertretungsstrafrecht mit freier Kognition überprüfen müsste. Denn die Verletzung des einfachen kantonalen Gesetzesrechts stellt, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, keinen zulässigen Beschwerdegrund dar (Art. 95 BGG; Urteil 6B_385/2008 vom 21. Juli 2008 E. 3.1 mit Hinweis). Das Bundesgericht prüft daher im vorliegenden Fall die Verletzung des Grundsatzes "nulla poena sine lege" bloss auf Willkür hin.
Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn der angefochtene Entscheid auf einer unhaltbaren oder widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 135 V 2 E. 1.3; 134 I 140 E. 5.4).
2.5 Der Grundsatz "nulla poena sine lege" ist verletzt, wenn jemand wegen einer Handlung, die im Gesetz überhaupt nicht als strafbar bezeichnet ist, strafrechtlich verfolgt wird, oder wenn eine Handlung, derentwegen jemand strafrechtlich verfolgt wird, zwar in einem Gesetz mit Strafe bedroht ist, dieses Gesetz selber aber nicht als rechtsbeständig angesehen werden kann, oder schliesslich, wenn der Richter eine Handlung unter ein Strafgesetz subsumiert, die darunter auch bei weitestgehender Auslegung nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen nicht subsumiert werden kann (BGE 112 Ia 107 E. 3a mit Hinweis). Das Bestimmtheitsgebot ("nulla poena sine lege certa") als Teilgehalt des Legalitätsprinzips verlangt eine hinreichend präzise Umschreibung der Straftatbestände (Urteil 6B_385/2008 vom 21. Juli 2008 E. 3.2 mit Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte) muss das Gesetz lediglich so präzise formuliert sein, dass der Adressat sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (BGE 132 I 49 E. 6.2; 128 I 327 E. 4.2).
2.6 § 160 Abs. 1 BauG/AG stellt klar, dass sich strafbar macht, wer eine Baute unter Verletzung einer Bewilligung erstellt. Allerdings ergibt sich das gebotene bzw. verbotene Verhalten nicht bereits aus § 160 Abs. 1 BauG/AG, sondern erst aus der Baubewilligung. § 160 Abs. 1 BauG/AG ist - vergleichbar mit Art. 292 StGB betreffend Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen - eine Blankettstrafnorm. Solche Bestimmungen sind indessen unter dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips nicht grundsätzlich zu beanstanden. Aus der konkreten Baubewilligung ergibt sich, dass Maschinen ab einer Nennleistung von 18 KW mit einem Partikelfilter ausgerüstet sein müssen. Hieraus ist hinreichend deutlich erkennbar, dass der Einsatz von Maschinen ohne Partikelfilter als Verletzung der Baubewilligung gemäss § 160 Abs. 1 BauG/AG strafbar ist.
2.7 Was der Beschwerdeführer unter dem Titel des Legalitätsprinzips vorbringt, betrifft denn auch nicht diesen Grundsatz, sondern letztlich die Frage des Vorsatzes. Er macht geltend, er habe die ihm von der Generalunternehmung mitgeteilte Partikelfilterpflicht lediglich als eine privatrechtliche Pflicht verstanden. Mangels Kenntnis der Baubewilligung habe er entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht damit rechnen müssen, dass sich diese Pflicht aus der Baubewilligung ergebe und er im Sinne von § 160 Abs. 1 BauG/AG eine Baute unter Verletzung einer Bewilligung erstelle. Die Vorinstanz bejaht den Eventualvorsatz zu Recht. Zur Begründung kann auf die vorstehenden Erwägungen (siehe E. 2.2) verwiesen werden. Inwiefern die Feststellung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe als Kadermitarbeiter einer namhaften Bauunternehmung in Kauf genommen, dass die Partikelfilterpflicht auch in der Baubewilligung statuiert sei, unhaltbar ist, legt er nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat somit eventualvorsätzlich unter Verletzung einer Bewilligung im Sinne von § 160 Abs. 1 BauG/AG eine Baute erstellt.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. Juli 2010
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Favre Keller