Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_562/2010
Urteil vom 20. Juli 2010
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiber Merz.
Verfahrensbeteiligte
X._______,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Zumtaugwald,
gegen
Amt für Migration des Kantons Luzern.
Gegenstand
Ausschaffungshaft,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 25. Mai 2010.
Erwägungen:
1.
1.1 Der aus Jamaika stammende X._______ (geb. 1973) reiste auf Einladung der Schweizer Bürgerin Y._______ am 18. September 2009 mit einem für drei Monate geltenden Besuchervisum in die Schweiz ein. Am 8. Oktober 2009 wurde die gemeinsame Tochter von X._______ und Y._______ geboren. Letztere ersuchte am 17. Oktober 2009 um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für X._______. Sie zog das Gesuch am 25. November 2009 wieder zurück. Darauf forderte das Amt für Migration des Kantons Luzern X._______ auf, das Land bis zum 16. Dezember 2009 zu verlassen. Dieser stellte selber am 7. und erneut am 16. Dezember 2009 ein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Am 11. und 22. Dezember 2009 teilte das kantonale Amt für Migration ihm bzw. seiner Verfahrensbevollmächtigten mit, es weise ihn formlos gemäss Art. 64 Abs. 1 AuG (SR 142.20) weg. Sein Gesuch um Aufenthaltsbewilligung würde erst weiter behandelt, wenn er ausgereist sei. Es setzte ihm eine letzte Ausreisefrist bis zum 15. Januar 2010.
1.2 Am 10. Mai 2010 wurde X._______ in Zürich festgenommen. Er befand sich zunächst bis zum 21. Mai 2010 in Untersuchungshaft und wurde im unmittelbaren Anschluss daran dem Amt für Migration des Kantons Luzern überstellt, welches gegen ihn die Ausschaffungshaft anordnete. Diese wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 25. Mai 2010 bis zum 20. August 2010 bestätigt.
1.3 Mit rechtzeitiger Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1. Juli 2010 beantragt X._______ dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. Mai 2010 aufzuheben und ihn aus der Haft zu entlassen.
Das kantonale Amt für Migration sowie das Verwaltungsgericht stellen - sinngemäss - den Antrag, die Beschwerde abzuweisen. Soweit das kantonale Amt für Migration auf eine Aktennotiz vom 7. Juni 2010 hinweist, ist dieses Dokument als echtes Novum aus dem Recht zu weisen (vgl. BGE 133 IV 342 E. 2.1 S. 344). Das Bundesamt für Migration hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Am 15. Juli 2010 hat sich X._______ ergänzend geäussert.
2.
2.1 Die Vorinstanz führt als Haftgrund an, konkrete Anzeichen liessen befürchten, dass sich der Beschwerdeführer der Ausschaffung entziehen wolle; sein bisheriges Verhalten lasse zudem darauf schliessen, dass er sich behördlichen Anordnungen widersetze (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 und 4 AuG). Zudem sieht sie den weiteren Haftgrund der ernsthaften Bedrohung gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 75 Abs. 1 lit. g AuG als erfüllt an. Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen dieser Haftgründe nicht. Diese sind aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz, auf die verwiesen werden kann, denn auch unzweifelhaft gegeben.
2.2 Der Beschwerdeführer meint aber, die verfügte Ausschaffungshaft sei unverhältnismässig. Zudem seien entgegen Art. 80 Abs. 4 AuG seine familiären Verhältnisse in der Schweiz nicht genügend berücksichtigt worden. Diese würden ihn sehr belasten. Es sei nicht ausgeschlossen, dass er als Vater der am 8. Oktober 2009 geborenen Tochter sowie als Musiker eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz erhalte. Auch habe er bereits vor seiner Verhaftung Anstalten getroffen, um den verlorenen Reisepass wieder zu erlangen. Die Drohungen, derentwegen er mit Strafverfügung vom 21. Mai 2010 verurteilt worden sei, hätten bloss eine bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen zur Folge gehabt.
2.3 Der Beschwerdeführer übersieht bei seinen Einwendungen, dass er auf die wiederholten Ausreiseaufforderungen zunächst untertauchte und dabei auch den Kontakt zu seiner Tochter vollständig abbrach, weswegen die Kindsmutter seinen Aufenthaltsort bzw. seine Kontaktadresse ebenfalls nicht kannte. Eine blosse Meldepflicht an Stelle der Ausschaffungshaft erscheint daher nicht geeignet, den Vollzug der Wegweisung sicherzustellen. Zudem will die Kindsmutter nicht mehr mit dem Beschwerdeführer leben. Deshalb hatte dieser sie bedroht, worauf er am 21. Mai 2010 strafrechtlich verurteilt wurde. Fehl geht der Einwand des Beschwerdeführers, die diesbezügliche Strafverfügung stelle keine Schuldanerkennung dar. Das Gleiche gilt für seinen Versuch, sein Verhalten unter Hinweis auf die geringe Höhe der gegen ihn verhängten Sanktion zu verharmlosen. Hinzu kommt, dass er bereits im Jahr 2002 in Österreich zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung verurteilt worden war und er damit gezeigt hatte, auch vor Gewaltanwendung nicht zurückzuschrecken.
Der Beschwerdeführer beruft sich auf seine Verwaltungsbeschwerde vom 29. Juni 2010 an das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern sowie auf Dokumente über seine Bemühungen, einen neuen Reisepass und eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton Zürich zu erlangen. Diese Unterlagen stammen fast alle aus den Monaten Juni und Juli 2010, mithin aus der Zeit nach Ergehen des angefochtenen Entscheids. Sie sind deshalb als Noven unzulässig, da zum einen auf den Sachverhalt im Zeitpunkt des Entscheids der Vorinstanz abzustellen und zum anderen nicht ersichtlich ist, dass Letztere den Sachverhalt offensichtlich falsch oder unter Verletzung des Rechts festgestellt hat (vgl. Art. 97 Abs. 1, Art. 99 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 133 IV 342 E. 2 S. 343 f.; 133 III 393 E. 3 S. 395; 135 V 39 E. 2.2 S. 41). Im Übrigen ist der Beschwerdeführer gemäss Art. 17 Abs. 1 AuG verpflichtet, den Entscheid über eine allfällige Bewilligung eines weiteren Aufenthaltes im Ausland abzuwarten. Angesichts seines bisherigen Verhaltens erfüllt der Beschwerdeführer die Zulassungsvoraussetzungen keineswegs in offensichtlicher Weise im Sinne von Art. 17 Abs. 2 AuG (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2D_98/2008 vom 12. Dezember 2008 E. 4 und 5; 2C_35/2009 vom 13. Februar 2009 E. 6.5; 2C_351/2009 vom 30. Juni 2009 E. 3.3 und 4; zum Aufenthaltsrecht eines Elternteils mit Besuchsrecht: BGE 120 Ib 1 E. 3c S. 5, 22 E. 4a und b S. 25 f.). Weder das Migrationsamt des Kantons Luzern noch dasjenige des Kantons Zürich haben ihm denn bisher den Aufenthalt während des Bewilligungsverfahrens gestattet.
2.4 Die Ausschaffungshaft erweist sich mithin als verhältnismässig und verstösst auch nicht gegen Art. 80 Abs. 4 AuG. Die Beschwerde gibt zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Sie ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG - mit ergänzendem Verweis auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid - als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
3.
Wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens ist auch das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen (vgl. Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei diesem Ausgang würde der Beschwerdeführer kostenpflichtig. Mit Blick auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse wird jedoch praxisgemäss auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. Juli 2010
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Zünd Merz