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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_419/2010
Urteil vom 22. Juli 2010
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Keller.
Verfahrensbeteiligte
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Franz Dörig,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Widerhandlung gegen das Gesetz über den Natur- und Landschaftsschutz; willkürliche Beweiswürdigung, Verletzung des rechtlichen Gehörs; Grundsatz "nulla poena sine lege",
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 9. März 2010.
Sachverhalt:
A.
Mit Strafverfügung vom 3. März 2009 sprach der Amtsstatthalter von Entlebuch X.________ wegen Widerhandlung gegen das Gesetz über den Natur- und Landschaftsschutz schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 300.--. Nach erhobener Einsprache bestätigte der Amtsstatthalter die Strafverfügung mit begründetem Entscheid vom 25. August 2009.
Gegen diesen Entscheid erhob X.________ Einsprache beim Amtsgericht Entlebuch. Aufgrund der Gefahr der Befangenheit dieses Gerichts befand das Amtsgericht Sursee über die Einsprache. Es bestrafte ihn wie bereits der Amtsstatthalter wegen Widerhandlung gegen das Gesetz über den Natur- und Landschaftsschutz mit einer Busse von Fr. 300.--.
Das Obergericht des Kantons Luzern wies die Kassationsbeschwerde von X.________ mit Entscheid vom 9. März 2010 ab.
B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Er beantragt, den Entscheid der Vorinstanz aufzuheben und ihn von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventuell sei die Sache im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerde sei ausserdem die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
C.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Die Vorinstanz geht von folgendem Sachverhalt aus:
Der Staat Luzern, handelnd durch das damalige Amt für Natur- und Landschaftsschutz, sowie der Beschwerdeführer schlossen im Jahr 2000 unter anderem über die Parzelle Nr. ________ in A.________ einen Bewirtschaftungsvertrag ab. Die Parzelle gilt als Flachmoor von nationaler Bedeutung, in dem nur das Weiden von Rindvieh sowie das Mähen der Wiese zugelassen sind. Der Beschwerdeführer hat auf einem Teil der Parzelle am 10. Oktober 2008 dennoch gedüngt bzw. Mist ausgeführt.
2.
Nach § 20 Abs. 1 Verordnung des Kantons Luzerns zum Schutz der Moore vom 2. November 1999 (SRL Nr. 712c; im Folgenden: Moorschutzverordnung) wird gemäss § 53 Absatz 1 des Gesetzes über den Natur- und Landschaftsschutz mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft, wer vorsätzlich und ohne Berechtigung geschütztes Gebiet zerstört oder schwer beschädigt. In leichten Fällen oder wenn der Täter oder die Täterin fahrlässig handelt, ist die Strafe Busse bis Fr. 40'000.--. § 20 Abs. 2 der Moorschutzverordnung sieht eine Bestrafung gemäss § 53 Abs. 2 des Gesetzes über den Natur- und Landschaftsschutz mit Busse bis Fr. 20'000.--, in leichten Fällen bis Fr. 5'000.-- für diejenigen Personen vor, welche gegen die Vorschriften der §§ 4, 6, 7, 8, 9 , 10 Abs. 1-3, 11, 12, 13, 14 und 19 verstossen, ohne dabei geschütztes Gebiet zu zerstören oder schwer zu beschädigen.
2.1 Die Vorinstanz erwägt, dass in § 20 Abs. 2 der Moorschutzverordnung gegenüber Abs. 1 kein neues Tatbestandselement hinzugefügt werden sollte. Die Tathandlung gemäss Abs. 1 umfasse die Zerstörung oder schwere Beschädigung des geschützten Gebiets, während in Abs. 2 die Bestimmung praktisch wortgleich in Negation wiederholt werde und eine blosse Verletzung der Vorschriften ohne Zerstörung oder schwere Beschädigung des geschützten Gebiets voraussetze. Die Vorinstanz unterstreicht ihre Argumentation mit einem Verweis auf die in der Verordnung genannten inkriminierten Tätigkeiten wie das Aufstellen von Zelten, Sportaktivitäten sowie das Düngen. Der Gesetzgeber habe solche Tätigkeiten generell verbieten wollen, ohne dass stets mit einem langwierigen und teuren Beweisverfahren eine Schädigung nachgewiesen werden müsste. § 20 Abs. 2 stelle daher ein Gefährdungs- und Tätigkeitsdelikt dar, das ohne Schädigungserfolg erfüllt sei. Da keine konkrete Schädigung bzw. Auswirkung auf das Moor vorausgesetzt sei, spiele das Vorbringen des Beschwerdeführers keine Rolle, die Parzelle ohne Schädigung gedüngt zu haben. Da eine Schädigung nicht tatbestandsmässig sei, erfülle der Beschwerdeführer mit jeder irgendwie gearteten Düngung die Strafbestimmung in § 20 Abs. 2 der Moorschutzverordnung.
2.2 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes "nulla poena sine lege" (Art. 1 StGB), des Legalitätsprinzips (Art. 5 Abs. 1 BV), des Willkürverbots gemäss Art. 9 BV sowie eine Verletzung von Art. 7 EMRK.
Der Wortlaut von § 20 Abs. 2 der Moorschutzverordnung verlange als Tathandlung unmissverständlich eine Beschädigung des geschützten Gebiets, die allerdings nicht zur Zerstörung führen und nicht schwer sein dürfe. Er lasse für den Bürger nicht erkennen, dass auch ein Vorschriftenverstoss ohne irgendeine Schädigung des geschützten Gebietes strafbar sei, was das Bestimmtheitsgebot verletze. Die Relation des Strafmasses von Abs. 1 und Abs. 2 zeige denn auch, dass eine Differenzierung beim Beschädigungsgrad vorzunehmen sei. Würde Abs. 2 bereits ohne Schädigung erfüllt, wäre die Verhältnismässigkeit im Vergleich zur fahrlässigen Zerstörung oder schweren Beschädigung des geschützten Gebietes nicht mehr gewahrt (Beschwerde, S. 12 f.).
Die von der Vorinstanz ausgewählten Verbotsbeispiele hätten allesamt Schädigungspotential und seien durchwegs darauf ausgerichtet, den bisherigen Landschaftszustand nicht zu wahren, was mit einer Schädigung des geschützten Gebiets gleichzusetzen sei (Beschwerde, S. 14). Demgegenüber könne eine vernünftige, schonende Düngung, selbst wenn diese verboten sein sollte, keinen Schaden herbeiführen. Der Bewirtschaftungsvertrag enthalte überdies keinen Hinweis auf die Strafandrohung in Art. 292 StGB, was eine Bestrafung wegen Verstosses gegen das Düngeverbot bei fehlender Gebietsschädigung ausschliesse (Beschwerde, S. 15 f.).
2.3 Der Legalitätsgrundsatz ("nulla poena sine lege") ist vom Bundesgesetzgeber ausdrücklich in Art. 1 StGB verankert worden. Explizit findet sich die Regel auch in Art. 7 EMRK. Im Rahmen des kantonalen (Übertretungs-)Strafrechts gilt das Legalitätsprinzip nicht gestützt auf Art. 1 StGB, sondern fliesst direkt aus dem Verfassungs- bzw. Konventionsrecht. Zumindest als Ausfluss des Willkürverbotes (Art. 9 BV) gehört der Grundsatz "nulla poena sine lege" zum Bundes(verfassungs)recht im Sinne von Art. 95 Abs. 1 BGG (zum Ganzen: Urteil des Bundesgerichts 6B_385/2008 vom 21. Juli 2008 E. 3.1 mit Hinweisen). Zudem wird das Legalitätsprinzip in seiner allgemeinen Bedeutung von Art. 5 Abs. 1 BV mitumfasst. Es besagt, dass ein staatlicher Akt sich auf eine materiellrechtliche Grundlage stützen muss, die hinreichend bestimmt und vom staatsrechtlich hierfür zuständigen Organ erlassen worden ist (BGE 130 I 1 E. 3.1). Allein daraus kann allerdings nicht abgeleitet werden, dass das Bundesgericht das kantonale Übertretungsstrafrecht mit freier Kognition überprüfen müsste. Denn die Verletzung des einfachen kantonalen Gesetzesrechts stellt, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, keinen zulässigen Beschwerdegrund dar (Art. 95 BGG; Urteil 6B_385/2008 vom 21. Juli 2008 E. 3.1 mit Hinweis). Das Bundesgericht prüft daher im vorliegenden Fall die Verletzung des Grundsatzes "nulla poena sine lege" auf Willkür hin.
Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn der angefochtene Entscheid auf einer unhaltbaren oder widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 135 V 2 E. 1.3; 134 I 140 E. 5.4).
2.4 Der Grundsatz "nulla poena sine lege" ist verletzt, wenn jemand wegen einer Handlung, die im Gesetz überhaupt nicht als strafbar bezeichnet ist, strafrechtlich verfolgt wird, oder wenn eine Handlung, derentwegen jemand strafrechtlich verfolgt wird, zwar in einem Gesetz mit Strafe bedroht ist, dieses Gesetz aber nicht als rechtsbeständig angesehen werden kann, oder schliesslich, wenn der Richter eine Handlung unter ein Strafgesetz subsumiert, die darunter auch bei weitestgehender Auslegung nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen nicht subsumiert werden kann (BGE 112 Ia 107 E. 3a mit Hinweis). Das Bestimmtheitsgebot ("nulla poena sine lege certa") als Teilgehalt des Legalitätsprinzips verlangt eine hinreichend präzise Umschreibung der Straftatbestände (Urteil 6B_385/2008 vom 21. Juli 2008 E. 3.2 mit Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte) muss das Gesetz lediglich so präzise formuliert sein, dass der Adressat sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (BGE 132 I 49 E. 6.2; 128 I 327 E. 4.2).
2.5 Die Auslegung der fraglichen Strafbestimmungen der luzernischen Moorschutzverordnung durch die Vorinstanz lässt keine Willkür erkennen. Während die Zerstörung oder schwere Beschädigung des geschützten Gebiets die Strafbarkeit gemäss § 20 Abs. 1 der Moorschutzverordnung nach sich zieht, wird nach Abs. 2 ein Verstoss ohne Zerstörung oder schwere Beschädigung des geschützten Gebiets milder bestraft. Eine Tathandlung, die zu einer Beschädigung des geschützten Gebiets, nicht jedoch zur Zerstörung führen und nicht schwer sein dürfe, wird hierbei - wie die Vorinstanz willkürfrei ausführt - nicht vorausgesetzt. Diese naheliegende Auslegung ergibt sich bereits daraus, dass die Negation des Begriffs der "schweren Beschädigung" nicht zwangsläufig eine leichte Beschädigung umfassen muss, sondern auch überhaupt keine Beschädigung einschliessen kann. Die Bestimmung lässt daher gemäss den Erwägungen der Vorinstanz für jedermann hinreichend deutlich erkennen, dass auch ein Vorschriftenverstoss ohne irgendeine Schädigung des geschützten Gebietes strafbar ist.
Dass die Entstehungsgeschichte oder die Systematik der verschiedenen Strafbestimmungen eine möglicherweise andere Auslegung gebieten würde, kann hieran nichts ändern. Eine gemäss Auffassung des Beschwerdeführers weniger weitreichende Strafbarkeit, wonach zwingend eine Gebietsschädigung vorausgesetzt wäre, ergibt sich - wie obenstehend festgehalten - nicht aus dem Wortlaut der Bestimmung. Eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots liegt daher gerade nicht vor, da der Wortlaut von § 20 Abs. 2 der Moorschutzverordnung den Betroffenen genügend bestimmt aufzeigt, dass bereits ein blosser Vorschriftenverstoss strafbar ist.
Da sich die Strafbarkeit bei blosser Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften der Moorschutzverordnung bereits aus § 20 dieser Verordnung ergibt, erübrigt sich ein Hinweis auf Art. 292 StGB.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos geworden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Juli 2010
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Favre Keller