Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
8C_999/2009
Urteil vom 27. Juli 2010
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiberin Polla.
Verfahrensbeteiligte
Dienststelle Wirtschaft und Arbeit (wira), Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern, Bürgenstrasse 12, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Louis Bochud,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 26. Oktober 2009.
Sachverhalt:
A.
Der 1952 geborene B.________ war vom 10. Mai 1999 bis zur krankheitsbedingten Kündigung seitens der Arbeitgeberin auf den 30. September 2007 als Kranführer und Fabrikationsmitarbeiter Betonelementwerk bei der Firma A.________ AG tätig gewesen. Aufgrund eines Rückenleidens bezieht B.________ seit 1. Oktober 2006 eine Viertelsrente der Invalidenversicherung (Invaliditätsgrad 46 %). Seit 1. November 2007 arbeitet er mit einem Pensum von 20 % in der Firma K.________ & Co. die von seiner Ehefrau als einzelzeichnungsberechtigte Komplementärin der Gesellschaft geführt wird. B.________ ist mit einer Kommanditsumme von Fr. 1'000.- als kollektivzeichnungsberechtigter Kommanditär an der Unternehmung beteiligt. Nachdem er sich bei der Arbeitslosenversicherung am 7. Oktober 2008 zum Leistungsbezug angemeldet hatte, verneinte die Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung wegen seiner Stellung als mitarbeitender Ehegatte im Betrieb seiner Ehefrau (Verfügung vom 5. Januar 2009 und Einspracheentscheid vom 17. Februar 2009).
B.
In Gutheissung der gegen den Einspracheentscheid vom 17. Februar 2009 geführten Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern den angefochtenen Entscheid auf und wies die Sache an die Arbeitslosenkasse zurück, damit sie nach Prüfung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen im Sinne der Erwägungen neu verfüge (Entscheid vom 26. Oktober 2009).
C.
Die Arbeitslosenkasse erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 7. Oktober 2008 zu verneinen.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. B.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen.
Erwägungen:
1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
1.2 Der als Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne des BGG zu qualifizierende (BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 482) kantonale Rückweisungsentscheid vom 26. Oktober 2009 kann nur unter den Voraussetzungen des Art. 93 Abs. 1 BGG angefochten werden. Gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde gegen andere (d.h. nicht die Zuständigkeit oder Ausstandsbegehren betreffende [vgl. Art. 92 BGG]) selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide zulässig: a) wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder b) wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
1.3 Indem die Vorinstanz erwog, ein Anspruch auf Arbeitslosentschädigung könne nicht aufgrund des Umstands, dass der Versicherte als mitarbeitender Ehegatte bei der Firma K.________ & Co. arbeite, verneint werden, weshalb die Arbeitslosenkasse die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung zu prüfen und darüber neu zu verfügen habe, enthält der Entscheid offenkundig eine materielle Vorgabe, welche die Beschwerdeführerin verpflichtet, eine ihres Erachtens ungerechtfertigte Leistungszusprache zu erlassen, und damit der Tatbestand von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erfüllt ist (nicht publ. E. 1.2 des Urteils BGE 134 V 392, in: SVR 2008 UV Nr. 31 S. 115 [8C_682/2007]). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.
2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 ff. AVIG) und auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 ff. AVIG) sowie die Rechtsprechung zum Ausschluss von Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bei missbräuchlicher Umgehung der Vorschriften über die Kurzarbeitsentschädigung sowie die analoge Anwendung dieser Regelung auf Ehegatten arbeitgeberähnlicher Personen (BGE 123 V 234 E. 7 S. 237) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.
Nach den unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 BGG verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz arbeitet der Versicherte seit 1. November 2007 mit gleichbleibendem Pensum von 20 % als Angestellter und Kommanditär in einer Kommanditgesellschaft, die von seiner Ehefrau als unbeschränkt haftende Gesellschafterin (Komplementärin) mit Einzelunterschrift beherrscht wird. Im Weiteren steht fest, dass er seine vorherige Stelle bei der Firma A.________ AG aufgrund seiner bestehenden Rückenproblematik verloren hatte und er wegen dieses Gesundheitsschadens im Umfang von 46 % invalid ist.
3.1 Die Vorinstanz zog hieraus den Schluss, die Rechtsprechung zur analogen Anwendung der Bestimmungen zum Ausschluss arbeitgeberähnlicher Personen und im Betrieb mitarbeitender Ehegatten vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG) auf arbeitgeberähnliche Personen und ihre Ehegatten, die Arbeitslosenentschädigung verlangen (BGE 123 V 234 E. 7 S. 236), gelange bei dieser Sachverhaltskonstellation nicht zur Anwendung. Eine Anspruchsbeurteilung unter dem Aspekt der rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung in Anwendung der Rechtsprechung gemäss BGE 123 V 234 komme vorliegend nicht zum Zug, da hier nicht eine Kündigung oder Arbeitszeitreduktion des Arbeitsverhältnisses mit der Firma seiner Ehefrau im Raum stehe und somit kein unkontrollierbarer Arbeitsausfall vorliege.
3.2 Die Arbeitslosenkasse beharrt hingegen auf dem Standpunkt, die Ehefrau des Beschwerdegegners habe als Komplementärin und somit unbeschränkt haftende und einzelzeichnungsberechtigte Gesellschafterin der Firma K.________ & Co. von Gesetzes wegen massgebliche Entscheidungsbefugnisse und könne u.a. das Arbeitspensum ihres Ehemannes frei bestimmen, weshalb sie zweifellos arbeitgeberähnliche Person sei. Aufgrund der damit verbundenen Missbrauchsgefahr sei ihr mitarbeitender Ehegatte vom Arbeitslosenentschädigungsanspruch ausgeschlossen.
3.3 Der Arbeitslosenkasse ist zwar zuzustimmen, dass der Beschwerdegegner grundsätzlich als mitarbeitender Ehegatte im Betrieb einer arbeitgeberähnlichen Person im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG anzusehen ist, was im Übrigen auch nicht bestritten wird. Wie bereits die Vorinstanz ausgeführt hat, lag jedoch der Rechtsprechung gemäss BGE 123 V 234 und den andern in der Beschwerde erwähnten Urteilen ein anderer Sachverhalt als vorliegend zugrunde: In BGE 123 V 234 entliess ein Arbeitnehmer mit arbeitgeberähnlicher Stellung sich selbst, um hernach trotz weiter bestehendem Verwaltungsratsmandat in seiner Firma Arbeitslosenentschädigung zu beantragen. Ein solches Vorgehen läuft auf eine unzulässige Umgehung der Regelung des Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG hinaus, welche ihrem Sinn nach der Missbrauchsverhütung dient und in diesem Rahmen insbesondere dem Umstand Rechnung tragen will, dass der Arbeitsausfall von arbeitgeberähnlichen Personen (und ihren Ehegatten) praktisch unkontrollierbar ist.
In wesentlichem Unterschied hiezu wird in casu nicht aus dem Arbeitsverhältnis bei der Kommanditgesellschaft, welches der Versicherte unbestrittenermassen in gleichbleibendem Umfang von 20 % innehat, ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung geltend gemacht, sondern aus dem gesundheitsbedingt seitens der Arbeitgeberin gekündigten Arbeitsverhältnis bei der Firma A.________ AG. Der Beschwerdegegner ist demnach aufgrund eines von der arbeitgeberähnlichen Stellung seiner Ehegattin unabhängigen, zeitlich vorausgegangenen Versicherungsfalls unfreiwillig arbeitslos geworden. Damit geht auch das Argument der Beschwerdeführerin fehl, der anrechenbare Arbeitsausfall des Versicherten sei schwer kontrollierbar, da er sich nicht auf die Tätigkeit bei der Firma K.________ & Co. bezieht. Dass der Beschwerdegegner sich nach erfolgter Kündigung nicht umgehend arbeitslos gemeldet, sondern die (seine invaliditätsbedingte Resterwerbsfähigkeit nicht voll ausschöpfende) Tätigkeit im Betrieb seiner Ehefrau aufgenommen hat, würde ihm nicht zum Nachteil gereichen. So hat das Bundesgericht bei einer Person, die unfreiwillig aus einem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, sich jedoch nicht umgehend zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung angemeldet, sondern durch die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung zu vermeiden versucht hat, es als sachlich gerechtfertigt angesehen, den Leistungsanspruch ab Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosentaggeldern unter den Gesichtspunkten des Aufbaus einer auf Dauer angelegten oder nur vorübergehenden Selbstständigkeit und der Vermittlungsfähigkeit und nicht nach der arbeitslosenversicherungsrechtlichen Praxis gemäss BGE 123 V 234 zu prüfen (Urteil 8C_81/2009 vom 27. August 2009 E.3.3 und 3.4).
Die mit BGE 123 V 234 begründete Rechtsprechung ist nach dem Gesagten nicht auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt zugeschnitten, weshalb sie nicht zum Tragen kommt.
4.
Zu prüfen bleibt die Anspruchsvoraussetzung der genügenden Beitragszeit. In Bezug auf die Erfüllung der Mindestbeitragszeit von zwölf Monaten gemäss Art. 13 Abs. 1 AVIG steht fest, dass der Beschwerdegegner innerhalb der vom 7. Oktober 2006 bis 6. Oktober 2008 dauernden Rahmenfrist für die Beitragszeit aus dem Arbeitsverhältnis mit der Firma A.________ AG nur über eine Beitragszeit von 11,793 Monaten verfügt. Bei Teilzeitbeschäftigten muss indessen die Beitragszeit in Bezug auf den Teil der Zeit erfüllt sein, für den ein Arbeitsausfall geltend gemacht wird (BGE 121 V 336 E. 4 S. 341, 112 V 237 E. 2c S. 240; ARV 1996/1997 Nr. 32 S. 181 E. 6, C 227/94; SVR 1994 ALV Nr. 11 S. 28 E. 3, C 117/93; vgl. THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Band XIV, Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Basel 2007, Rz. 210 S. 2240 und 216 S. 2242).
Entgegen den vorinstanzlichen Schlussfolgerungen kann daher die Arbeit bei der Firma Firma K.________ & Co. nicht als beitragspflichtige Tätigkeit mitberücksichtigt werden, da sich der geltend gemachte Arbeitsausfall nicht auf diese beitragspflichtige Beschäftigung bezieht, sondern einzig aus dem Verlust der Beschäftigung bei der Firma A.________ AG ein Arbeitsausfall geltend gemacht wird (E. 3.3). Damit besteht mangels Erfüllung der Beitragszeit kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung.
5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 f. BGG). Als unterliegende Partei hat der Beschwerdegegner die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 26. Oktober 2009 aufgehoben.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Dienststelle für Wirtschaft und Arbeit Luzern (wira), Stab Recht, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 27. Juli 2010
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Ursprung Polla