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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1B_176/2010
Urteil vom 24. September 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiber Härri.
Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Niederberger,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, I. Abteilung,
An der Aa 4, Postfach 1356, 6301 Zug.
Gegenstand
Rechtsverweigerung,
Beschwerde gegen den Beschluss vom 15. April 2010 des Obergerichts des Kantons Zug, Justizkommission, Strafrechtliche Kammer.
Sachverhalt:
A.
In der Nacht des 24. Februar 2009 wurde in einem Lokal in Zug ein Brand gelegt.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug führt eine Strafuntersuchung gegen X.________. Sie verdächtigt ihn der Brandstiftung.
Am 19. Oktober 2009 reichte X.________ bei der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug Beschwerde ein. Er beantragte, es sei eine Rechtsverzögerung, eventuell Rechtsverweigerung festzustellen und die Staatsanwaltschaft anzuhalten, ihren Editionsverfügungen vom 30. April 2009 Nachachtung zu verschaffen, nötigenfalls durch Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen bei den in Betracht kommenden Personen.
Mit Beschluss vom 15. April 2010 erachtete die Justizkommission (Strafrechtliche Kammer) die Beschwerde als unzulässig und trat darauf nicht ein.
B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Beschluss der Justizkommission sei aufzuheben. Es sei in der gegen ihn geführten Strafuntersuchung eine Rechtsverweigerung festzustellen und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
C.
Die Justizkommission beantragt unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Beschluss die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Die Staatsanwaltschaft hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Erwägungen:
1.
1.1 Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben.
Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig.
1.2 Der Beschwerdeführer ist (Beschwerde S. 3 Ziff. 4) der Auffassung, die Beschwerde sei gemäss Art. 94 BGG zulässig. Danach kann gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines anfechtbaren Entscheids Beschwerde geführt werden.
Art. 94 BGG hat die Untätigkeit einer Behörde zum Gegenstand, weshalb ein eigentliches Beschwerdeobjekt nicht vorliegt (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001, BBl 2001 4334).
Die Vorinstanz ist nicht untätig geblieben. Sie hat die bei ihr eingereichte Beschwerde vielmehr geprüft und ist darauf mit dem angefochtenen Beschluss nicht eingetreten. Damit liegt ein Anfechtungsobjekt vor und ist Art. 94 BGG nicht anwendbar.
Es stellt sich die Frage, ob der vorinstanzliche Beschluss einen gemäss Art. 90 ff. BGG anfechtbaren Entscheid darstellt (vgl. Urteil 1C_433/2008 vom 16. März 2009 E. 1.4).
1.3
1.3.1 Der angefochtene Beschluss führt dazu, dass die Editionsverfügungen vom 30. April 2009 nicht mit Zwangsmassnahmen durchgesetzt werden. Er schliesst das Strafverfahren nicht ab. Es handelt sich um einen Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG.
Gegen einen solchen ist die Beschwerde gemäss Absatz 1 dieser Bestimmung zulässig: a) wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann; oder b) wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
1.3.2 Mit der Gutheissung der Beschwerde könnte die Staatsanwaltschaft lediglich angehalten werden, ihre Editionsverfügungen vom 30. April 2009 mit Zwangsmassnahmen durchzusetzen. Damit wäre das Strafverfahren nicht abgeschlossen. Mit der Gutheissung der Beschwerde könnte also kein Endentscheid herbeigeführt werden, weshalb die Variante nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG ausser Betracht fällt.
1.3.3 Nach der Rechtsprechung muss der Beschwerdeführer - sofern dies nicht offensichtlich ist - darlegen, weshalb ihm der angefochtene Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken können soll (BGE 133 III 629 E. 2.3.1 S. 632 mit Hinweis).
Der Beschwerdeführer äussert sich mit keinem Wort zum nicht wieder gutzumachenden Nachteil. Es stellt sich die Frage, ob dieser Nachteil offensichtlich sei.
Mit den Verfügungen vom 30. April 2009 forderte die Staatsanwaltschaft zwei Frauen zur Herausgabe von Mietunterlagen betreffend die Liegenschaft auf, in welcher der Brand gelegt worden ist. Die eine Frau vertritt die Hauseigentümerin, die andere war Mieterin der Räume, die gebrannt haben und der Beschwerdeführer offenbar Untermieter. Dieser will aufgrund der Mietunterlagen aufzeigen, dass die Hauptmieterin ebenfalls ein finanzielles Interesse am Brand gehabt hätte, weshalb sich der Tatverdacht auch - und wohl in erster Linie - gegen sie richte.
Nach den Darlegungen der Staatsanwaltschaft geben die beiden Frauen an, den von ihnen herausverlangten Vertrag nicht mehr bei ihren Unterlagen zu haben; die Frauen räumen aber ein, dass ein solcher Vertrag besteht und sie haben angegeben, wie er inhaltlich ausgestaltet worden ist. Ist danach die Existenz des Mietvertrages unbestritten und sein Inhalt anscheinend bekannt, ist nicht offensichtlich, inwiefern die Ablehnung der Staatsanwaltschaft, gegenüber den beiden Frauen Zwangsmassnahmen zwecks Herausgabe des Vertrages anzuordnen, dem Beschwerdeführer einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken soll. Dieser hätte deshalb Anlass gehabt, sich dazu näher zu äussern. Da er das nicht tut, kann im Lichte der dargelegten Rechtsprechung auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
1.4 Auf die Beschwerde könnte im Übrigen auch aus folgendem Grund nicht eingetreten werden.
Der angefochtene Beschluss beruht auf zwei selbstständigen Begründungen, die beide für sich den Ausgang der Sache besiegeln. Die Vorinstanz kommt (angefochtener Beschluss S. 5 E. 4.1.3) zunächst zum Schluss, die bei ihr erhobene Beschwerde sei nicht rechtsgenüglich begründet. Sie führt sodann (angefochtener Beschluss S. 5 f. Ziff. 4.2.1) aus, der Antrag des Beschwerdeführers stelle ein vorgezogenes Aktenergänzungsbegehren dar. Gegen die Ablehnung eines solchen sei die Beschwerde nach der Revision der Zuger Strafprozessordnung nicht mehr zulässig.
Bei zwei solchen selbstständigen Begründungen muss der Beschwerdeführer darlegen, dass beide Recht verletzen. Andernfalls kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 133 IV 119).
Soweit die Vorinstanz erwägt, die bei ihr eingereichte Beschwerde genüge den Begründungsanforderungen nicht, bringt der Beschwerdeführer (Beschwerde S. 7 f. Ziff. 5.2) lediglich vor, diese Auffassung sei "falsch". Er legt jedoch nicht substanziiert dar, inwiefern der angefochtene Entscheid insoweit Bundesrecht verletzen soll.
2.
Nach dem Gesagten kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, Strafrechtliche Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. September 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Féraud Härri