Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5A_515/2010
Urteil vom 27. September 2010
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann,
Gerichtsschreiber Bettler.
Verfahrensbeteiligte
X.________ (Ehemann),
vertreten durch Rechtsanwalt Hadrian Meister,
Beschwerdeführer,
gegen
Y.________ (Ehefrau),
vertreten durch Rechtsanwältin Andrea Metzler,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Ehescheidung (nachehelicher Unterhalt),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, vom 1. Juni 2010.
Sachverhalt:
A.
X.________ (geb. 1967) und Y.________ (geb. 1968) heirateten am 31. Oktober 1997. Sie wurden Eltern dreier Kinder (Jahrgang 1998, 2002 und 2003). Seit dem 1. April 2006 leben die Parteien getrennt. Die Folgen des Getrenntlebens mussten gerichtlich geregelt werden.
B.
B.a Am 28. Mai 2008 klagte Y.________ auf Scheidung, der sich X.________ nicht widersetzte. Mit Urteil vom 28. April 2009 schied das Bezirksgericht Z.________ die Ehe und regelte die Scheidungsfolgen. Rechtskräftig sind der Scheidungspunkt, die Zuteilung der elterlichen Sorge über die drei Kinder an die Mutter, der persönliche Verkehr, die Verpflichtung des Vaters zu Kinderunterhaltsbeiträgen von monatlich je Fr. 800.-- (zuzüglich allfälliger Kinderzulagen) sowie der Vorsorgeausgleich und die güterrechtliche Auseinandersetzung. Streitig blieb hingegen die Verpflichtung von X.________ zu nachehelichen Unterhaltszahlungen, die das Bezirksgericht auf Fr. 1'250.-- pro Monat bis zu seinem Eintritt in das ordentliche AHV-Alter festsetzte.
B.b Auf Appellation und Anschlussappellation der Parteien hin verpflichtete das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 1. Juni 2010 X.________ zu nachehelichen Unterhaltszahlungen von monatlich Fr. 790.-- ab 1. Februar 2009 bis zu seinem Eintritt in das ordentliche AHV-Alter. Es auferlegte X.________ drei Viertel der obergerichtlichen Verfahrenskosten und verpflichtete ihn zur Bezahlung der Hälfte der obergerichtlichen Parteikosten von Y.________.
C.
Dem Bundesgericht beantragt X.________ (nachfolgend Beschwerdeführer) in seiner Beschwerde vom 12. Juli 2010 die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht. Eventualiter verlangt er, seine Verpflichtung zur Zahlung von nachehelichen Unterhaltsbeiträgen an Y.________ (nachfolgend Beschwerdegegnerin) in der Höhe von monatlich Fr. 790.-- bis 30. April 2019 zu befristen. Zudem fordert er antragsgemäss die Neuverlegung der obergerichtlichen Kosten und ersucht um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.
Es sind die Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist die in einem kantonal letztinstanzlichen Ehescheidungsurteil angeordnete und Fr. 30'000.-- übersteigende Regelung des nachehelichen Unterhalts. Dagegen ist die Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art. 72 ff. BGG grundsätzlich zulässig.
2.
2.1 Vor Bundesgericht macht der Beschwerdeführer geltend, das Obergericht habe Art. 125 ZGB verletzt, indem es seine nacheheliche Unterhaltsverpflichtung bis zu seinem Eintritt in das AHV-Alter festgesetzt habe, obwohl es der Beschwerdegegnerin möglich und zumutbar sei, ab 1. Mai 2019 wieder voll erwerbstätig zu sein und damit ab diesem Zeitpunkt selbst für ihren Unterhalt aufzukommen.
2.2 Die vom Beschwerdeführer angerufene Eigenversorgungskapazität der Beschwerdegegnerin hängt massgebend davon ab, ob sie zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet werden kann. Dabei stellt die effektive Erzielbarkeit im Sinne der Möglichkeit eines Erwerbseinkommens eine Tatfrage dar. Hingegen ist es eine Rechtsfrage, ob die Erzielung angesichts der Tatsachenfeststellungen als zumutbar erscheint (BGE 128 III 4 E. 4c/bb S. 7; 126 III 10 E. 2b S. 12 f.).
3.
3.1 Das Bezirksgericht verneinte die Möglichkeit der Beschwerdegegnerin, zu einem späteren Zeitpunkt ihren Unterhalt mit einem eigenen Arbeitserwerb finanzieren zu können. Es begründete dies damit, dass die Beschwerdegegnerin im Zeitpunkt der Vollendung des zehnten Altersjahres des jüngsten Kindes 45 Jahre alt sein werde. Angesichts dieses Alters, der langen Absenz vom Arbeitsalltag sowie aufgrund ihres erlernten Berufs als Telefonistin, für den nur noch eine geringe Nachfrage bestehe, seien ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt als gering einzustufen.
3.2 Mangels entsprechender Bestreitung durch den Beschwerdeführer hat das Obergericht diese bezirksgerichtlichen Feststellungen in seinem Urteil kurz wiedergegeben und auf diese verwiesen. Im Ergebnis hat es damit die Möglichkeit der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Beschwerdegegnerin ebenfalls verneint.
3.3 Der Beschwerdeführer rügt vor Bundesgericht eine Verletzung von Art. 125 ZGB (vgl. E. 2.1 oben).
Das Obergericht hat sich aber, wie aus den vorstehenden Erwägungen hervorgeht, zur Rechtsfrage der Zumutbarkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht geäussert, da es bereits die effektive Erzielbarkeit verneinte. Die obergerichtlichen Ausführungen (Alter, Ausbildung, persönlichen Fähigkeiten sowie insbesondere die Arbeitsmarktlage) betreffen einzig Tatfragen.
Die Rüge des Beschwerdeführers betrifft damit nicht Art. 125 ZGB, sondern wendet sich gegen die obergerichtliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 97 Abs. 1 BGG).
4.
4.1 Über die formelle Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges hinaus verlangt Art. 75 Abs. 1 BGG, dass der Instanzenzug auch in materieller Hinsicht ausgeschöpft wird und die im bundesgerichtlichen Verfahren geltend gemachten tatsächlichen und rechtlichen Rügen bereits bei den kantonalen Instanzen vorgebracht werden (BGE 135 III 424 E. 3.2 S. 429; 135 III 513 E. 4.3 S. 522). Der Beschwerdeführer zeigt nicht rechtsgenüglich auf und es ist aus seinen Eingaben an das Obergericht auch nicht ersichtlich, inwiefern er die bezirksgerichtlichen Tatsachenfeststellungen zur Möglichkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im obergerichtlichen Verfahren selbst bereits gerügt haben soll. Dabei ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass im Bereich des nachehelichen Unterhalts die Verhandlungsmaxime gilt (BGE 128 III 411 E. 3.2.2 S. 414). Demnach haben die Parteien die Tatsachen, auf die sie ihre Begehren stützen, darzulegen und ihre Beweismittel anzugeben (Behauptungs- und Substanziierungslast; § 75 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Aargau vom 18. Dezember 1984 über die Zivilrechtspflege [ZPO; SAR 221.100]). Es wird nur über bestrittene Tatsachen Beweis erhoben (§ 198 Abs. 1 ZPO/AG). Eine willkürliche Anwendung dieser kantonalen Prozessbestimmungen rügt der Beschwerdeführer nicht.
4.2 Hat der Beschwerdeführer somit in seinen Eingaben an das Obergericht einzig seine eigene Leistungsfähigkeit thematisiert (Berücksichtigung seiner Verschuldungssituation sowie seines tieferen Einkommens) und wendet er sich erst vor Bundesgericht gegen die Tatsachenfeststellungen im Rahmen der Eigenversorgungskapazität der Beschwerdegegnerin, fehlt es insoweit an der materiellen Erschöpfung des Instanzenzuges (Art. 75 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde kann deshalb nicht eingetreten werden.
5.
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann nicht entsprochen werden, verdeutlichen doch die vorstehenden Erwägungen, dass die gestellten Rechtsbegehren von Beginn an keinen Erfolg haben konnten und sich als aussichtlos erweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Damit trägt der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigung ist keine zu sprechen, da in der Sache keine Vernehmlassung eingeholt wurde (Art. 68 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. September 2010
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:
Escher Bettler