Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_122/2010
Urteil vom 4. Oktober 2010
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Karlen,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiber Küng.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Späti,
gegen
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Postfach, 8090 Zürich,
Regierungsrat des Kantons Zürich,
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich.
Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 16. Dezember 2009.
Sachverhalt:
A.
Die mazedonische Staatsangehörige X.________ (geb. 1983) heiratete am 26. Oktober 2006 den in der Schweiz niedergelassenen Landsmann A.________, worauf sie eine Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Zürich erhielt. Nachdem im Januar 2009 die eheliche Gemeinschaft aufgegeben worden war, widerrief das kantonale Migrationsamt die bis zum 31. Oktober 2009 befristete Aufenthaltsbewilligung. Die von X.________ dagegen ergriffenen kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________ dem Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 16. Dezember 2009 aufzuheben und ihr weiterhin eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesamt für Migration beantragt die Abweisung der Beschwerde.
C.
Mit Verfügung vom 11. Februar 2010 hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Erwägungen:
1.
Gemäss Art. 43 Abs. 1 AuG (SR 142.20) hat die mit einem in der Schweiz niedergelassenen Landsmann verheiratete Beschwerdeführerin grundsätzlich Anspruch auf die von ihr beantragte Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Insoweit ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG a contrario).
2.
2.1 Gemäss Art. 50 Abs. 1 AuG besteht der Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Auflösung der Ehegemeinschaft weiter, wenn diese mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht (lit. a) oder wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (lit. b). Wichtige persönliche Gründe können namentlich vorliegen, wenn ein Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt wurde und die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint (Art. 50 Abs. 2 AuG).
2.2 Die Voraussetzungen von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG sind entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin (Beschwerde Ziff. 5) schon mangels einer dreijährigen Ehegemeinschaft in der Schweiz nicht erfüllt (vgl. angefochtenes Urteil E. 2.3).
2.3 Die Beschwerdeführerin macht geltend, in ihrem Fall lägen wichtige Gründe im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG vor.
2.3.1 Die Ausnahmebestimmung von Art. 50 AuG verleiht gewaltbetroffenen Migranten nicht ein eigenständiges Aufenthaltsrecht, wenn sie sich von ihrem Partner trennen (AB 2004 N 1062). Die Bestimmung bezweckt vielmehr die Vermeidung von schwer wiegenden Härtefällen bei der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft. Danach kann sich ein weiterer Aufenthalt in der Schweiz etwa dann als gerechtfertigt erweisen, wenn der Ehepartner verstorben ist oder wenn aufgrund der gescheiterten Ehe die familiäre und soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark erschwert wird. Zu berücksichtigen sind stets auch die Umstände, die zur Auflösung der Gemeinschaft geführt haben. Steht fest, dass die im Familiennachzug zugelassene Person durch das Zusammenleben in ihrer Persönlichkeit ernstlich gefährdet ist und ihr eine Fortführung der ehelichen Beziehung nicht länger zugemutet werden kann, ist dies beim Entscheid besonders in Rechnung zu stellen. Demgegenüber ist eine Rückkehr zumutbar, wenn der Aufenthalt in der Schweiz nur kürzere Zeit gedauert hat, keine engen Beziehungen zur Schweiz geknüpft wurden und die erneute Integration im Herkunftsland keine besonderen Probleme stellt. Die in Art. 50 Abs. 2 AuG erwähnte eheliche Gewalt einerseits und die starke Gefährdung der sozialen Wiedereingliederung im Herkunftsland anderseits können ihrem Ausmass und den Gesamtumständen entsprechend je für sich einen wichtigen persönlichen Grund darstellen (BGE 136 II 1 E. 4 und 5). Im Übrigen ist die Aufzählung in Art. 50 Abs. 2 AuG nicht abschliessend (vgl. Urteil 2C_635/2009 vom 26. März 2010 E. 5.3.1, mit Hinweisen).
2.3.2 Die eheliche Gemeinschaft der Beschwerdeführerin dauerte in der Schweiz lediglich vom 1. November 2008 (Einreise) bis zum 5. Januar 2009. Bei einer derart kurzen Abwesenheit durfte die Vorinstanz mangels entgegenstehender Indizien ohne weiteres davon ausgehen, dass eine starke Gefährdung der Wiedereingliederung im Heimatland nicht gegeben sei. Es kann insoweit auf ihre Ausführungen verwiesen werden (angefochtenes Urteil E. 2.4.2). Die Beschwerdeführerin vermag keine Argumente anzuführen und zu belegen bzw. plausibel zu machen, welche darauf schliessen liessen, dass ihre Wiedereingliederung angesichts der äusserst kurzen Dauer der ehelichen Gemeinschaft in der Schweiz stark gefährdet sein könnte. Insbesondere ist der Vorinstanz darin zuzustimmen, dass die Unterstützung durch ihre Schwester und deren Mann nicht ihre Anwesenheit verlangt.
2.3.3 Die Vorinstanz geht entgegen der erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass die eheliche Gewalt nur als wichtiger Grund gilt, wenn zusätzlich für die Betroffene die Wiedereingliederung ins Herkunftsland stark gefährdet erscheint; denn es sei nicht der Sinn von Art. 50 AuG, einem von ehelicher Gewalt Betroffenen bereits am ersten Tag der Ehe mit einem in der Schweiz Anwesenheitsberechtigten einen solchen Anspruch zuzugestehen. Auch wenn die von der Beschwerdeführerin geschilderte eheliche Gewalt vorliegen sollte, könne darin mangels gefährdeter Wiedereingliederung indessen kein wichtiger persönlicher Grund gesehen werden; der Regierungsrat habe daher offen lassen können, ob und in welchem Mass eheliche Gewalt vorgelegen habe.
2.3.4 Dem kann nicht gefolgt werden. Da nach der dargelegten Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, eheliche Gewalt für sich allein als wichtiger persönlicher Grund gelten kann, durfte diese Frage nicht offen gelassen werden.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, die zu prüfen hat, ob die von ihr festgestellte eheliche Gewalt ("massiv häusliche Gewalt", "erhebliche Übergriffe") eine solche Schwere bzw. eine so hohe Intensität erreicht hatte, dass sie bereits für sich allein - d.h. ungeachtet der Wiedereingliederungschancen im Heimatland - als wichtiger persönlicher Grund im Sinne von Art. 50 AuG qualifiziert werden kann.
3.
Bei diesem Ausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat der Kanton Zürich der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor Bundesgericht eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 16. Dezember 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Der Kanton Zürich hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- auszurichten.
4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 4. Oktober 2010
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Zünd Küng