Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4A_179/2010
Urteil vom 4. Oktober 2010
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Luczak.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Harry F. Nötzli,
Beschwerdeführerin,
gegen
X.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Kramer,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Arbeitsvertrag; Kündigung,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 18. Februar 2010.
Sachverhalt:
A.
A.________ (Beschwerdeführerin) arbeitete seit dem 7. Januar 2002 für die X.________ AG (Beschwerdegegnerin), welche damals noch als GmbH organisiert war. Am 4. April 2007 kündigte die Beschwerdegegnerin den Vertrag aus wirtschaftlichen Gründen auf Ende Juni 2007 und stellte die Beschwerdeführerin frei. Noch während der Kündigungsfrist wurde die Beschwerdeführerin schwanger. Am 17. Januar 2008 kam sie nieder.
B.
Die Beschwerdeführerin belangte die Beschwerdegegnerin vor dem Bezirksgericht Bülach auf Zahlung von Fr. 22'967.45 nebst Zins und Fr. 1'190.-- Kinderzulagen ab Januar bis Juli 2008, zuzüglich Schadenersatz und Aufwandentschädigung. Im selben Verfahren verlangte die Arbeitslosenkasse IAW für Leistungen von der Zeit vom 2. Juli 2007 bis 16. Januar 2008 sowie vom 24. April 2008 bis 30. Juni 2008 Fr. 34'940.-- netto von der Beschwerdegegnerin. Das Bezirksgericht schützte die Klage im Wesentlichen in seinem Urteil vom 31. März 2009. Auf Berufung der Beschwerdegegnerin wies das Obergericht des Kantons Zürich sowohl die Klage der Beschwerdeführerin wie auch jene der Arbeitslosenkasse IAW ab, soweit die Klagen noch zu beurteilen bzw. darauf einzutreten war. Mit Bezug auf die Arbeitslosenkasse erwuchs dieser Entscheid in Rechtskraft.
C.
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage im Umfang von Fr. 6'161.45 nebst 5 % Zins seit dem 18. Dezember 2007 gutzuheissen. Ihrem gleichzeitig gestellten Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde mit Verfügung vom 28. April 2010, jenem um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung mit Verfügung vom 11. August 2010 entsprochen. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde, eventuell auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung. Die Vorinstanz hat sich nicht vernehmen lassen.
Erwägungen:
1.
Im Gegensatz zum erstinstanzlichen Gericht hielt die Vorinstanz nicht für bewiesen, dass die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin am 22. Juni 2007 bzw. spätestens im Juli 2007 über ihre Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt und die Wiederaufnahme der Arbeit angeboten hat. Mit dieser Feststellung findet sich die Beschwerdeführerin ab. Sie rügt, die Vorinstanz habe Bundesrecht, nämlich Art. 2 ZGB, Art. 319 in Verbindung mit Art. 322 OR, Art. 102 und Art. 324 OR , verletzt, soweit sie zum Ergebnis gelangt sei, dass das nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin am 21. September 2007 erfolgte Arbeitsangebot ab diesem Datum bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (30. Juni 2008) keinen Lohnanspruch ausgelöst habe.
2.
Die Vorinstanz erwog, ein Arbeitsangebot im August oder September 2007 hätte keinen Lohnanspruch mehr auslösen können. Damit schloss sich die Vorinstanz der in der Lehre vertretenen Ansicht an (wiedergegeben in STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 6. Auflage, N. 9 zu Art. 336c), wonach die Arbeitnehmerin eine Schwangerschaft, welche sie aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes grundsätzlich verschweigen darf, dann umgehend anzeigen muss, wenn die Schwangerschaft eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündung beeinflussen oder gar ungültig machen könnte. In solchen Fällen hat nach dieser Auffassung ein Zuwarten mit der Anzeige der Schwangerschaft den Rechtsverlust zur Folge (WYLER, Droit du travail, 2. Auflage, Kapitel 13 Ziff. 2.3 S. 572). Denn die Arbeitnehmerin, welche die Arbeit nicht sofort anbiete und den Arbeitgeber in Verzug setze, erwecke bei diesem den Anschein, sie verzichte auf ihr Recht zur Erfüllung des Arbeitsvertrags während dessen verlängerter Dauer. Später darauf zurückzukommen, verstosse gegen Treu und Glauben. Erheblich wäre daher nach dem angefochtenen Urteil einzig das von der Beschwerdeführerin behauptete Arbeitsangebot vom 22. Juni 2007, allenfalls vom Juli 2007, nachdem sie ab dem 1. Juli 2007 nicht mehr gearbeitet habe, aber auch nicht mehr freigestellt gewesen sei.
3.
3.1 Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, dass sie während der durch die Sperrfrist verlängerten Kündigungsfrist nur Anspruch auf Lohn hat, soweit sie entweder arbeitet oder die Arbeit wegen Verzugs des Arbeitgebers nicht leisten kann (Urteil des Bundesgerichts 4C.259/2003 vom 2. April 2004 E. 2.1). Sie fordert demgemäss nur noch Lohn ab dem Zeitpunkt des Arbeitsangebots. Sie kritisiert indes, dass die Vorinstanz davon ausging, wer nach Ablauf der Frist der unzulässigen Kündigung nicht sofort die Arbeit anbiete, erwecke beim Arbeitgeber das berechtigte Vertrauen auf einen Verzicht der Arbeitnehmerin auf Erfüllung des infolge Schwangerschaft verlängerten Arbeitsvertrages. Sie macht geltend, auch wenn sie erst am 21. September 2007 der Arbeitgeberin ein Arbeitsangebot unterbreitet habe, liege darin kein konkludenter Verzicht auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, da sie ja an diesem Tag zum Ausdruck gebracht habe, dass sie an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses interessiert sei. Sie verhalte sich auch nicht widersprüchlich, habe sie doch durch ihr früheres Verhalten kein schutzwürdiges Vertrauen begründet, welches durch die neuen Handlungen enttäuscht worden sei. Wollte man im Einklang mit der Vorinstanz eine Obliegenheit statuieren, eine Schwangerschaft dann umgehend anzuzeigen, wenn sie eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung beeinflussen oder ungültig machen kann, würde die in BGE 135 III 349 E. 2.3 und 3 ausgedrückte Auffassung des Bundesgerichts, wonach die Kündigungsschutzrechte gemäss Art. 336c Abs. 1 lit. c OR nicht von der umgehenden Mitteilung oder zumindest der Mitteilung innert kurzer Frist abhängig sein sollten, zur Farce.
3.2 Die Rüge ist begründet. In BGE 135 III 349 hat das Bundesgericht die von der Vorinstanz herangezogene Lehrmeinung, wonach die Ausübung der Schutzrechte gemäss Art. 336c Abs. 1 lit. c OR generell treuwidrig sein soll, sofern die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber nicht unverzüglich, jedenfalls innert kurzer Frist nach Erhalt der Kündigung über die Schwangerschaft ins Bild setzt, verworfen und festgehalten, diese Rechtsauffassung lasse sich weder mit dem Schutzzweck von Art. 336c Abs. 1 lit. c OR noch mit den Grundsätzen von Treu und Glauben vereinbaren. Vielmehr erlauben einzig aussergewöhnliche Umstände dem Arbeitgeber, sich gegenüber der Ausübung eines Kündigungsschutzrechts auf einen Rechtsmissbrauch der Arbeitnehmerin zu berufen, denn andernfalls würde der dem Arbeitnehmer durch zwingende Gesetzesbestimmungen zugesicherte Schutz illusorisch. Ob Rechtsmissbrauch gegeben ist, beurteilt sich kasuistisch.
3.3 In Verkennung dieser Rechtslage traf die Vorinstanz keinerlei Feststellungen darüber, ob besondere Umstände vorlagen, welche das Zuwarten mit der Mitteilung der Schwangerschaft und dem Arbeitsangebot ausnahmsweise als treuwidrig erscheinen liessen. Diesbezüglich ist die Sache daher nicht spruchreif und zur Ergänzung des Sachverhalts und neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
3.4 Die Beschwerdegegnerin macht allerdings geltend, im Schreiben vom 21. September 2007 habe die Beschwerdeführerin ihre Arbeitskraft gar nicht angeboten, sondern lediglich behauptet, sie hätte ihre Arbeitskraft im Juli angeboten. Ob sie dieses Angebot aufrechterhalte oder erneure, stehe nicht fest. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin musste diese dem Hinweis auf ein bereits erfolgtes Angebot nach Treu und Glauben entnehmen, die Beschwerdeführerin biete ihr die Arbeitskraft an. Es bleibt mithin nur zu prüfen, ob Umstände vorliegen, welche das Zuwarten mit der Mitteilung der Schwangerschaft und dem Arbeitsangebot bis zu diesem Zeitpunkt ausnahmsweise als treuwidrig erscheinen lassen (E. 3.3 hiervor).
4.
Damit erweist sich die Beschwerde im Grundsatz als begründet, weshalb die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig wird.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 18. Februar 2010 aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung wird dieser Betrag Rechtsanwalt Dr. Harry F. Nötzli aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 4. Oktober 2010
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
Klett Luczak