Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1B_318/2010
Urteil vom 5. Oktober 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Raselli,
Gerichtsschreiber Stohner.
Verfahrensbeteiligte
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, Postfach, 8090 Zürich, Beschwerdeführerin,
gegen
X.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lorenz Erni.
Gegenstand
Strafverfahren,
Beschwerde gegen den Beschluss vom 10. September 2010 des Kassationsgerichts des Kantons Zürich.
Sachverhalt:
A.
Das Geschworenengericht des Kantons Zürich sprach X.________ mit Urteilen vom 6./12. Mai 1993 und 4. Juli 1995 schuldig des Mordes sowie weiterer Delikte und bestrafte ihn mit 20 Jahren Zuchthaus. Das Ende der Strafe fällt (unter Einbezug weiterer Reststrafen aus drei früheren Urteilen) laut Vollzugsdaten des Amtes für Justizvollzug des Kantons Zürich auf den 8. Oktober 2010.
B.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich stellte mit Eingabe vom 24. November 2009 beim Obergericht des Kantons Zürich das Gesuch, X.________ sei gestützt auf Art. 65 Abs. 2 StGB nachträglich zu verwahren. Die Revisionskammer des Obergerichts erachtete die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne von Art. 65 Abs. 2 StGB als gegeben und wies mit Beschluss vom 29. März 2010 das Geschworenengericht an, in Sachen X.________ über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Sicherungsverwahrung zu entscheiden.
Gegen diesen obergerichtlichen Beschluss erhob X.________ kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ans Kassationsgericht des Kantons Zürich. Mit Zirkulationsbeschluss vom 10. September 2010 hiess das Kassationsgericht die Nichtigkeitsbeschwerde gut, hob den Beschluss der Revisionskammer des Obergerichts auf und wies die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. Das Kassationsgericht erwog, die gutgeheissenen Beschwerdepunkte würden die tatsächlichen Grundlagen zur Beantwortung der Rechtsfrage beschlagen, ob die Neuheit der Tatsache im Sinne von Art. 65 Abs. 2 StGB bejaht werden könne oder nicht. Diese Frage sei nach der Rückweisung der Sache wieder offen.
Mit Schreiben vom 23. September 2010 stellte die Oberstaatsanwaltschaft bei der Revisionskammer des Obergerichts den Antrag, X.________ sei mit Wirkung ab dem 8. Oktober 2010 für die Dauer des obergerichtlichen Verfahrens und der daran anschliessenden Rechtsmittelverfahren in Sicherheitshaft zu nehmen.
C.
Mit Eingabe vom 30. September 2010 führt die Oberstaatsanwaltschaft Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht mit den Anträgen, der Zirkulationsbeschluss des Kassationsgerichts vom 10. September 2010 sei aufzuheben, und die Sache sei zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Des Weiteren sei im Sinne einer vorsorglichen Massnahme zur einstweiligen Sicherstellung bedrohter Interessen gegenüber X.________ mit Wirkung ab dem 8. Oktober 2010 Sicherheitshaft anzuordnen.
Das Bundesgericht verzichtet auf die Einholung von Vernehmlassungen.
Erwägungen:
1.
Beim angefochtenen Zirkulationsbeschluss handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der das genannte Strafverfahren nicht abschliesst. Gegen Vor- und Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen (vgl. Art. 92 BGG), ist die Beschwerde ans Bundesgericht gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG zulässig, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a) oder - was indes hier von vornherein ausser Betracht fällt - wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).
Von einem nicht wiedergutzumachenden Nachteil wird gesprochen, wenn dieser auch durch ein nachfolgend günstiges Urteil nicht oder nicht mehr vollständig behoben werden kann (BGE 131 I 57 E. 1 S. 59). Im Verfahren der Beschwerde in Strafsachen muss der nicht wiedergutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht bloss tatsächlicher, sondern rechtlicher Natur sein (BGE 133 IV 139 E. 4 S. 141). Die Beschwerdeführerin hat dabei die Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 BGG darzulegen. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, von Amtes wegen Nachforschungen anzustellen, inwiefern ein nicht wiedergutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG gegeben sein sollte (BGE 134 III 426 E. 1.2; 133 III 629 E. 2.3.1).
2.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, falls die Revisionskammer des Obergerichts, bei welcher die Sache hängig sei, die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherheitshaft als nicht erfüllt erachten sollte und den Beschwerdegegner am 8. Oktober 2010 entlassen würde, wären schwerwiegende Gewaltdelikte des Beschwerdegegners und damit nicht wiedergutzumachende Nachteile für die Gesellschaft zu befürchten. Demgemäss könne der angefochtene Zirkulationsbeschluss der Vorinstanz und die damit verbundene Rückweisung ans Obergericht einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken.
3.
Mit dem Hinweis auf eine künftige Gefährdung der Gesellschaft durch den Beschwerdegegner im Falle eines negativen Entscheids der Revisionskammer des Obergerichts lässt sich ein Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht begründen. Die Voraussetzung, wonach allfällige Nachteile durch ein nachfolgend günstiges Urteil nicht oder nicht mehr vollständig behoben werden können, ist nicht erfüllt. Mit dem angefochtenen Zirkulationsbeschluss der Vorinstanz wurde die Sache zur Neubeurteilung an die Revisionskammer des Obergerichts zurückgewiesen, welche zugleich auch über den Antrag der Beschwerdeführerin um Anordnung von Sicherheitshaft zu entscheiden haben wird. Entscheidet das Obergericht im Sinne der Beschwerdeführerin, sind allfällige Nachteile vollständig behoben. Andernfalls steht es der Beschwerdeführerin offen, gegen den Entscheid des Obergerichts den Rechtsweg zu beschreiten.
Zusammenfassend ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, inwiefern der angefochtene Zirkulationsbeschluss einen Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken könnte.
4.
Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten. Mit dem bundesgerichtlichen Entscheid wird das Gesuch der Beschwerdeführerin um Anordnung von Sicherheitshaft im Sinne einer vorsorglichen Massnahme gegenstandslos. Der Beschwerdeführerin sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). X.________ ist durch das vorliegende Verfahren kein Aufwand entstanden, weshalb ihm keine Parteientschädigung zuzusprechen ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Kassationsgericht und dem Obergericht des Kantons Zürich, Revisionskammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 5. Oktober 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Féraud Stohner