Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1B_309/2010
Urteil vom 7. Oktober 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Christen.
Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Krapf,
gegen
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Gewaltdelikte, Molkenstrasse 15/17, Postfach,
8026 Zürich.
Gegenstand
Haftentlassung/Fortsetzung Untersuchungshaft,
Beschwerde gegen die Verfügung vom 10. September 2010 des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter.
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung gegen X.________ wegen Gefährdung des Lebens, Nötigung, Drohung und Körperverletzung. Sie wirft ihm vor, er habe seine Ehefrau vom Sommer 2009 bis Juni 2010 durchschnittlich zwei- bis dreimal im Monat mit dem Tode bedroht. Er habe durchschnittlich einmal pro Woche während 30 bis 60 Minuten auf ihr gesessen und dabei ihre Hände mit seinen Knien fixiert. Im August 2009 habe er ihr mit dem Tode gedroht und sie am Hals gepackt, sodass sie in Atemnot geraten sei. Am 12. Juni 2010 habe er sie in ihrer Wohnung zu Boden gestossen, ihre Hände mit seinen Knien fixiert und sie mehrmals während insgesamt 20 Minuten jeweils bis zur beginnenden Bewusstlosigkeit gewürgt, sie geohrfeigt, ihr mit dem Tode gedroht und ihr die stumpfe Klingenseite eines Messers an den Hals gehalten.
B.
Am 12. Juni 2010 nahm die Polizei X.________ fest. Mit Entscheid vom 14. Juni 2010 versetzte ihn der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich in Untersuchungshaft.
Am 8. September 2010 beantragte X.________ die Haftentlassung. Diese lehnte der Haftrichter am 10. September 2010 ab und verlängerte die Haft bis zum 14. Dezember 2010. Er bejahte den dringenden Tatverdacht sowie die Wiederholungs-, Ausführungs- und Kollusionsgefahr.
C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt die Aufhebung des Entscheids des Haftrichters und seine Haftentlassung.
Die Staatsanwaltschaft hat sich vernehmen lassen und beantragt die Abweisung der Beschwerde. Der Haftrichter hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. In der Replik hält X.________ an der Beschwerde fest.
Erwägungen:
1.
Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG ist gegen den angefochtenen Entscheid die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist nach Art. 80 i.V.m. Art. 130 Abs. 1 BGG zulässig. Der Beschwerdeführer ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Entscheid verletze sein verfassungsmässiges Recht auf persönliche Freiheit.
2.2 Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2, Art. 31 BV ) wegen der Ablehnung eines Haftentlassungsgesuches erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs die Auslegung und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechts frei (BGE 132 I 21 E. 3.2.3 S. 24 mit Hinweisen).
Untersuchungshaft darf nach der Strafprozessordnung vom 4. Mai 1919 des Kantons Zürich (StPO/ZH; LS 321) nur angeordnet bzw. verlängert werden, wenn der Angeklagte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird und ausserdem ein besonderer Haftgrund vorliegt (§ 58 Abs. 1 StPO/ZH). Der besondere Haftgrund der Kollusionsgefahr ist gegeben, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte ernsthaft befürchtet werden muss, der Angeklagte werde Spuren oder Beweismittel beseitigen, Dritte zu falschen Aussagen zu verleiten suchen oder die Abklärung des Sachverhalts auf andere Weise gefährden (§ 58 Abs. 1 Ziff. 2 StPO/ZH).
2.3 Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht nicht. Er wendet sich gegen die Annahme der Wiederholungs-, Ausführungs- und Kollusionsgefahr. Er macht geltend, die Geschädigte und der Zeuge seien von der Staatsanwaltschaft einvernommen worden. Angesichts des fortgeschrittenen Verfahrensstadiums seien hohe Anforderungen an den Nachweis der Kollusionsgefahr zu stellen.
2.4 Die strafprozessuale Haft wegen Kollusionsgefahr soll verhindern, dass der Angeschuldigte die Freiheit dazu missbrauchen würde, die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhalts zu vereiteln oder zu gefährden. Es müssen konkrete Indizien für die Annahme von Verdunkelungsgefahr sprechen (BGE 132 I 21 E. 3.2 S. 23 mit Hinweisen). Solche können sich namentlich aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihm und den ihn belastenden Personen ergeben. Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine massgebliche Beeinträchtigung des Strafverfahrens wegen Verdunkelung droht, ist auch der Art und Bedeutung der von Beeinflussung bedrohten Aussagen bzw. Beweismittel, der Schwere der untersuchten Straftaten sowie dem Stand des Verfahrens Rechnung zu tragen (BGE 132 I 21 E. 3.2.1 S. 23 mit Hinweisen). Nach Abschluss der Strafuntersuchung bedarf der Haftgrund der Kollusionsgefahr einer besonders sorgfältigen Prüfung. Er dient primär der Sicherung einer ungestörten Strafuntersuchung. Je weiter das Strafverfahren vorangeschritten ist und je präziser der Sachverhalt bereits abgeklärt werden konnte, desto höhere Anforderungen sind grundsätzlich an den Nachweis von Verdunkelungsgefahr zu stellen (BGE 132 I 21 E. 3.2.2 S. 24 mit Hinweisen).
2.5 Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Delikte, richteten sich gegen seine Ehefrau. Der Beschwerdeführer gibt zu, sie am Hals gehalten zu haben. Er bestreitet, sie mehrmals gewürgt, mit dem Tode bedroht und ihr ein Messer an den Hals gehalten zu haben.
Die Staatsanwaltschaft hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, um namentlich die Frage der Schuldfähigkeit und der Rückfallgefahr abzuklären. Das Gutachten wird im Dezember 2010 vorliegen. Der Beschwerdeführer muss mit einer Anklage rechnen. Sollte die Anklage nach Inkrafttreten am 1. Januar 2011 der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO/CH; AS 2010 1881 ff.) beim Bezirksgericht erfolgen, wäre Art. 343 Abs. 3 StPO/CH von Bedeutung. Danach erhebt das Gericht im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals, sofern die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint. Der Tatverdacht stützt sich weitgehend auf die Aussagen der Ehefrau. Mit ihrer Einvernahme an der Hauptverhandlung ist zu rechnen, zumal der Beschwerdeführer ihrer Einvernahme bisher nur per Videoübertragung folgen konnte. Es besteht damit weiterhin ein erhebliches Interesse, Einflussnahmen auf die Ehefrau zu verhindern. Dies gilt um so mehr, als ihre Aussagen für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein werden.
Im Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich vom 9. Juli 2010 kommen die Experten zum Schluss, aufgrund der Untersuchungsbefunde der körperlichen Untersuchung der Ehefrau und der von ihr gemachten Angaben müsse davon ausgegangen werden, sie habe sich durch den Übergriff am Hals in konkreter, unmittelbarer Lebensgefahr befunden. Ausserdem sei anzumerken, dass stumpfe Gewalt gegen den Hals in seltenen, konkret jedoch nicht vorhersehbaren Fällen zu einem reflektorischen Herzstillstand führen könne. Zwar ist dieses Gutachten zu relativieren, da die Ehefrau ihre Angaben in Bezug auf einen durch das Würgen erfolgten Urinabgang zu-rückgenommen hat. Aufgrund der derzeitigen Aktenlage muss der Beschwerdeführer aber mit einer empfindlichen Strafe rechnen. Für eine Gefährdung des Lebens droht Art. 129 StGB Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren an. Für den Beschwerdeführer steht daher viel auf dem Spiel. Entsprechend hoch ist der Anreiz für Kollusionshandlungen, zumal - wie gesagt - die Aussagen der Ehefrau von entscheidender Bedeutung sein werden.
Der Beschwerdeführer ist mit dem Opfer verheiratet. Er wirft ihr vor, sie habe ihn ausgenützt, um ihren Aufenthalt in der Schweiz zu sichern. Er wolle sich von ihr scheiden lassen. Diese Umstände erhöhen die Gefahr, dass er sie zu Gefälligkeitsaussagen veranlassen könnte.
Zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau bestehen Konflikte, die immer wieder zu Streit führen. Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er habe gegenüber seiner Ehefrau vom Sommer 2009 bis Juni 2010 mehrmals physische Gewalt angewandt und ihr mit dem Tode gedroht. Dass der Beschwerdeführer seine Ehefrau bei (mindestens) einer Auseinandersetzung am Hals gepackt hat, ist unstreitig. Das zeigt seine Bereitschaft, bei einer Auseinandersetzungen mit ihr gegebenenfalls Gewalt anzuwenden. Dies lässt darauf schliessen, dass er bei einer Freilassung versucht sein könnte, Gewalt gegenüber seiner Ehefrau zumindest anzudrohen, um diese zu einer für ihn günstigen Aussage zu veranlassen.
Unter gesamthafter Würdigung dieser Umstände ist es verfassungsrechtlich haltbar, wenn die Vorinstanz die Kollusionsgefahr bejaht hat.
2.6 Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob zusätzlich zur Kollusionsgefahr ein weiterer Haftgrund zu bejahen wäre.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdeführer an sich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers kann angenommen werden. Da die Untersuchungshaft einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt, konnte er sich zur Beschwerde veranlasst sehen. Die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG wird daher bewilligt. Es werden keine Kosten erhoben und dem Vertreter des Beschwerdeführers wird eine Entschädigung ausgerichtet.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Markus Krapf, wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. Oktober 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Féraud Christen