Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1B_289/2010
Urteil vom 13. Oktober 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Störi.
Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Heinz-Peter Kühnis,
gegen
Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland, 1. Abteilung, Kirchstrasse 31, 8887 Mels,
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Kantonales Untersuchungsamt, Spisergasse 15,
9001 St. Gallen.
Gegenstand
Strafverfahren; Rechtsverweigerung; Akteneinsicht,
Beschwerde gegen den Entscheid vom 1. Juli 2010
des Kantonsgerichts des Kantons St. Gallen, Strafkammer.
Sachverhalt:
A.
Das Kantonale Untersuchungsrichteramt St. Gallen führt, insbesondere gestützt auf Strafanträge des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), ein umfangreiches Strafverfahren wegen unlauteren Wettbewerbs gegen mehrere Beschuldigte, worunter X.________. Im Dezember 2008 kündigte es X.________ die Anklageerhebung an und stellte seinem Rechtsvertreter, Rechtsanwalt Heinz-Peter Kühnis, einen Teil der umfangreichen Akten im Original zu, den Rest eingescannt auf einer CD-ROM. Am 19. Februar 2009 ersuchte Rechtsanwalt Kühnis das Kantonale Untersuchungsrichteramt, ihm sämtliche Akten im Original in sein Büro zuzustellen. Dieses wies das Gesuch am 23. Februar 2009 ab. Die Anklagekammer des Kantons St. Gallen wies die gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde am 15. April 2009 ab, soweit sie darauf eintrat. Das Bundesgericht trat auf die von X.________ dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil 1B_163/2009 vom 15. Juni 2009 wegen Verletzung der Begründungspflicht nicht ein.
B.
Am 4. Februar 2010 teilte das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland X.________ mit, das Strafverfahren gegen ihn sei beim Gericht anhängig gemacht worden und räumte ihm u.a. Gelegenheit ein, Akteneinsicht zu nehmen. Am 17. Februar ersuchte Rechtsanwalt Kühnis um Zustellung sämtlicher Akten im Original. Der Vorsitzende des Kreisgerichts lehnte das Gesuch tags darauf ab mit der Begründung, er habe bereits zwei CD-ROM's erhalten, auf welchen sich sämtliche Akten befänden. Da die Strafakten mit 13 Zügelschachteln einen grossen Umfang hätten, erscheine deren Zustellung durch einen elektronischen Datenträger zweckmässig. Zudem habe er die Möglichkeit, die Originalakten nach telefonischer Voranmeldung beim Gericht einzusehen. Die Strafkammer des Kantonsgerichts St. Gallen wies die von X.________ dagegen erhobene Rechtsverweigerungsbeschwerde am 1. Juli 2010 ab.
C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, diesen Entscheid der Strafkammer sowie die Präsidialverfügung des Kreisgerichts vom 18. Februar 2010 aufzuheben und seinem Verteidiger sämtliche Akten in Papierform zuzustellen oder eventuell zur Abholung bereitzustellen.
D.
Das Kreisgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Denselben Antrag stellt die Staatsanwaltschaft und verzichtet im Übrigen - ebenso wie die Strafkammer - auf Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Der angefochtene, kantonal letztinstanzliche Entscheid der Strafkammer erging im Rahmen eines Strafverfahrens, ohne es abzuschliessen. Es handelt sich damit um einen Zwischenentscheid in einer Strafsache, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen könnte (Art. 78 ff. i.V.m. Art. 93 Abs. 1 BGG). Letzteres fällt ausser Betracht. Hingegen macht der Beschwerdeführer geltend, es erwachse ihm aus der verweigerten vollständigen Akteneinsicht in Papierform ein nicht wieder gutzumachender Nachteil, da es dadurch seinem Rechtsvertreter verunmöglicht werde, innert der durch die Strafprozessordnung festgelegten Fristen rechtzeitig taugliche Beweisanträge zu stellen. So würden sich beispielsweise Beweisanträge bezüglich Konfrontationen aufdrängen. Unter Verweis auf BGE 125 I 134 sei die Frage erlaubt, wie die Verteidigung ohne genügende Akteneinsicht in der Lage sein sollte, mögliche Zeugen in angemessener und tatsächlich wirksamer Weise zu befragen.
Unbestritten ist, dass der Verteidiger des Beschwerdeführers über elektronische Datenträger verfügt, auf denen die gesamten Verfahrensakten aufgezeichnet sind. Da er nicht geltend macht, diese Datenträger nicht lesen zu können, ist davon auszugehen, dass ihm das gesamte Aktenmaterial in (elektronischer) Kopie zur Verfügung steht. Damit ist er in der Lage, seinen Mandanten in voller Kenntnis der Akten effektiv zu verteidigen. Insbesondere kann er auch die Belastungszeugen wirksam befragen. Dazu genügt, dass er den Inhalt der Akten kennt, wie dieser den elektronischen Datenträgern entnommen werden kann. Sollte der Verteidiger ausnahmsweise Einsicht in die Originalakten benötigen - etwa um die Echtheit eines belastenden Dokumentes zu prüfen - steht ihm offen, diese im Gericht zu sichten. Das erfordert zwar möglicherweise einen erhöhten Aufwand des Verteidigers, ist aber ohne Weiteres möglich. Die von der Strafkammer im angefochtenen Entscheid geschützte Handhabung des Akteneinsichtsrechts durch das Kreisgericht verhindert die wirksame Verteidigung des Beschwerdeführers nicht, womit ihm offensichtlich kein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht. Aus BGE 125 I 127 ergibt sich nichts anderes.
2.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Damit wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland sowie der Staatsanwaltschaft und dem Kantonsgericht des Kantons St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 13. Oktober 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Féraud Störi