Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5A_540/2010
Urteil vom 28. Oktober 2010
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher,
Bundesrichter Marazzi, von Werdt, Herrmann,
Gerichtsschreiber Möckli.
Verfahrensbeteiligte
X.________ GmbH,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Fürsprech Beat Muralt,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Konkurseröffnung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Appellationshof, 1. Zivilkammer, vom 25. Juni 2010.
Sachverhalt:
A.
In der Betreibung Nr. 1 des Betreibungs- und Konkursamtes B.________ stellte A.________ am 23. Februar 2010 gegen die X.________ GmbH das Konkursbegehren. Das Kreisgericht C.________ setzte den Termin für die Konkursverhandlung auf den 6. Mai 2010 an.
B.
In der betreffenden Betreibung leitete die X.________ ein Verfahren im Sinn von Art. 85a SchKG ein, indem sie am 5. März 2010 zum Aussöhnungsversuch lud. Das Kreisgericht C.________ setzte den Termin für den Aussöhnungsversuch betreffend die negative Feststellungsklage auf den 7. Mai 2010 fest.
Mit Schreiben vom 12. April 2010 machte die X.________ das Kreisgericht darauf aufmerksam, dass die Konkursverhandlung bereits am 6. Mai 2010 stattfinde, und sie bat um Vorverlegung des Termins für den Aussöhnungsversuch betreffend die negative Feststellungsklage. Mit Verfügung vom 13. März 2010 wurde dieser auf den 5. Mai 2010 vorverlegt.
Nachdem der Aussöhnungsversuch am 5. Mai 2010 fruchtlos verlaufen war, übergab die X.________ dem Kreisgericht noch gleichentags die vollständig ausformulierte negative Feststellungsklage, in welcher sie u.a. um Einstellung der Betreibung ersuchte.
Mit am frühen Morgen des 6. Mai 2010 erlassener Verfügung nahm das Kreisgericht C.________ (a.o. Gerichtspräsident 1) vom Eingang der negativen Feststellungsklage Kenntnis (Ziff. 1) und wies den Antrag auf vorläufige Einstellung der Betreibung Nr. 1 ab (Ziff. 2) mit der Begründung, die Verhandlung für die Konkurseröffnung sei auf 09h15 Uhr angesetzt und es bleibe keine Zeit mehr, um im Verfahren der negativen Feststellungsklage vorgängig die Gegenpartei anzuhören; die Beschwerdeführerin hätte die Klage so rechtzeitig anhängig machen müssen, dass die Parteianhörung noch vor der Konkurseröffnung hätte stattfinden können.
Im Anschluss eröffnete das Kreisgericht C.________ (Gerichtspräsident 3) über die X.________ den Konkurs mit der Begründung, im Verfahren der negativen Feststellungsklage sei keine Einstellung der Betreibung verfügt worden.
C.
Gegen die verweigerte Einstellung der Betreibung erhob die X.________ beim Obergericht des Kantons Bern am 17. Mai 2010 eine Beschwerde im Sinn von Art. 374 ZPO/BE, gegen die Konkurseröffnung ergriff sie die Appellation.
Mit Entscheid vom 25. Juni 2010 bestätigte das Obergericht (1. Zivilkammer) die Konkurseröffnung mit der Begründung, die obere Instanz dürfe nur gerade die in Art. 174 Abs. 2 SchKG genannten Aufhebungsgründe berücksichtigen (APH 10/274).
Mit Entscheid gleichen Datums schrieb das Obergericht (in identischer personeller Besetzung, jedoch als 2. Zivilkammer) die Beschwerde als gegenstandslos vom Protokoll ab mit der Begründung, zufolge Konkurseröffnung mache die Einstellung der Betreibung keinen Sinn mehr (APH 10/270).
D.
Gegen den Entscheid APH 10/274 hat die X.________ am 27. September 2010 die vorliegend zu beurteilende Beschwerde in Zivilsachen eingereicht. Bereits am 25. September 2010 hatte sie eine Beschwerde in Zivilsachen gegen den Entscheid APH 10/270 eingereicht, welche Gegenstand des parallelen Verfahrens 5A_534/2010 bildet.
Mit Präsidialverfügung vom 8. September 2010 wurde die aufschiebende Wirkung erteilt. In seiner Vernehmlassung vom 28. September 2010 verlangt der Beschwerdegegner die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die kantonalen Instanzen haben sich nicht vernehmen lassen.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid über eine Konkurseröffnung, der einen Endentscheid im Sinn von Art. 90 BGG darstellt und gegen den die Beschwerde in Zivilsachen zulässig ist (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG), dies unabhängig von der Höhe des Streitwertes (Art. 74 Abs. 2 lit. d BGG) und ohne Einschränkung der Beschwerdegründe (BGE 133 III 687 E. 1.2 S. 689 f.); es können folglich nicht nur Verfassungsverletzungen gerügt, sondern alle Beschwerdegründe gemäss Art. 95 f. BGG vorgebracht werden, mithin auch die Verletzung von Bundesrecht, welches das Bundesgericht von Amtes wegen und mit freier Kognition anwendet (Art. 106 Abs. 1 BGG).
2.
Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht vor (S. 12 ff.), es gehe nicht an, nur (materielle) Aufhebungsgründe im Sinn von Art. 174 Abs. 2 SchKG zuzulassen, wenn die Konkurseröffnung wegen eines Verfahrensmangels angefochten worden sei. Es liege eine Rechtsverweigerung und ein Verstoss gegen Treu und Glauben vor, sodann seien das einschlägige Bundesrecht und das kantonale Prozessrecht falsch angewandt worden.
3.
Der angefochtene Entscheid ist nicht nur im Sinn einer Folge aufzuheben, weil mit Entscheid heutigen Datums die Verweigerung der (superprovisorischen) Einstellung der Betreibung nicht geschützt worden ist (Parallelverfahren 5A_534/2010), sondern vielmehr verletzt er eigenständig Bundesrecht, indem er eine erstinstanzliche Vorgehensweise schützt, die in offensichtlichem Widerspruch mit der publizierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Koordination zwischen Art. 85a Abs. 2 und Art. 173 Abs. 1 SchKG steht: Erhebt der Schuldner eine negative Feststellungsklage, ist notwendig vor dem Konkurserkenntnis über den Einstellungsantrag zu befinden (BGE 133 III 684 E. 3.1 S. 685), sofern das Gesuch um Einstellung der Betreibung vor der Konkursverhandlung eingereicht wurde (BGE 133 III 684 E. 3.2 S. 686 f.). Ist diese Voraussetzung (wie vorliegend) gegeben, darf der Konkursrichter den Konkurs nicht eröffnen, bevor das Schicksal des Einstellungsantrages bekannt ist (BGE 133 III 684 E. 3.2 S. 687).
4.
Der sich nicht an diese klare Rechtsprechung haltende angefochtene Entscheid und damit die Konkurseröffnung ist aufzuheben. Die Bestimmung und Verlegung der kantonalen Verfahrenskosten entsprechend dem neuen Verfahrensausgang wird dem Obergericht übertragen (Art. 68 Abs. 5 BGG).
Die Gerichtskosten für das bundesgerichtliche Verfahren sind dem unterliegenden Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin verlangt keine Entschädigung.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
In Gutheissung der Beschwerde in Zivilsachen wird der Konkursentscheid des Obergerichtes des Kantons Bern, 1. Zivilkammer, vom 25. Juni 2010 aufgehoben und die Sache wird zur weiteren Behandlung im Sinn der Erwägungen an das Obergericht zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Bern, dem Konkursamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, dem Gerichtskreis C.________, dem Handelsregisteramt des Kantons Bern und dem Grundbuchamt Bern-Mittelland schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. Oktober 2010
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
Hohl Möckli