Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C_819/2010
Urteil vom 29. Oktober 2010
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Luzern,
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,
gegen
P._________, geboren 1994,
handelnd durch seine Mutter,
und diese vertreten durch Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 23. August 2010.
Sachverhalt:
A.
A.a P._________, geboren 1994, leidet seit einer im Kleinkindalter durchgemachten Streptokokkensepsis an einer Spitzfussstellung und einer Verkürzung des rechten Beines. Seit der erstmaligen Anmeldung bei der Invalidenversicherung vom 5. März 1996 bezog er wiederholt Leistungen der IV. Mit Verfügung vom 30. April 2004 verneinte die IV-Stelle Luzern (unter anderem) die Verlängerung der Kostenübernahme für die bisherige Physiotherapie und bestätigte dies mit Einspracheentscheid vom 19. August 2005. Eine hiegegen von den Eltern des P._________ erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 3. August 2006 gut und verpflichtete die IV-Stelle namentlich zur Kostenübernahme für die Physiotherapie über den 31. Dezember 2003 hinaus. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der IV-Stelle wies das Bundesgericht mit Urteil I 741/06 vom 31. Januar 2007 ab.
A.b Am 8. Mai 2007 teilte die IV-Stelle den Eltern des P._________ mit, sie übernehme (unter anderem) die Kosten für ambulante Physiotherapie vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007. Mit Schreiben vom 28. November 2007 liess die Rechtsvertreterin des P._________ um Verlängerung der Kostengutsprache für medizinische Massnahmen ersuchen, insbesondere der ambulanten Physiotherapie. Nach medizinischen Abklärungen und durchgeführtem Vorbescheidverfahren teilte die IV-Stelle am 17. Juni 2008 mit, sie übernehme die Kosten der ambulanten Physiotherapie vom 1. Januar bis 31. August 2009. Am 2. Juni 2009 stellte das Spital X._________ einen Verlängerungsantrag für medizinische Massnahmen. Die IV-Stelle holte einen Bericht ein des Spitals X._________ vom 12. Juni 2009, führte erneut ein Vorbescheidverfahren durch und wies das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 20. Oktober 2009 ab.
B.
Hiegegen liessen die Eltern des P._________ Beschwerde erheben, welche das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 23. August 2010 guthiess, die Verfügung vom 20. Oktober 2009 aufhob und die IV-Stelle im Sinne der Erwägungen verpflichtete, auch über den 31. August 2009 Kostengutsprache für physiotherapeutische Massnahmen zu leisten (Ziffer 1 Dispositiv). Überdies habe die IV-Stelle nebst einer Parteientschädigung auch die Expertenkosten für die Beurteilung des Dr. med. K._________, Oberarzt am Spital X._________, vom 17. November 2009, zu bezahlen (Ziffer 2 Dispositiv) und die Gerichtskosten zu übernehmen (Ziffer 3 Dispositiv).
C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung der Ziffern 1, 2 und 3 Dispositiv des angefochtenen Entscheides, die Feststellung der Richtigkeit der Verfügung vom 20. Oktober 2009 sowie die Gewährung der aufschiebenden Wirkung.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann nach Art. 95 lit. a BGG die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
2.1 Streitig und zu prüfen ist, ob der Versicherte über den 31. August 2009 hinaus Anspruch auf Übernahme der Kosten für Physiotherapiebehandlung durch die Invalidenversicherung hat.
2.2 Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz können bei Jugendlichen medizinische Vorkehren bereits dann überwiegend der beruflichen Eingliederung dienen und auch bei einstweilen noch labilem Leidenscharakter als medizinische Massnahmen von der IV übernommen werden, wenn ohne diese Vorkehren eine Heilung mit Defekt oder ein sonstwie stabilisierter Zustand einträte, wodurch die Berufsbildung oder die Erwerbsfähigkeit oder beide beeinträchtigt würden (Ulrich Meyer, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 2010, S. 133 f. mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Jugendliche, welche an skelettalen Abnormitäten leiden, haben bis zum Abschluss des Wachstumsalters Anspruch auf jene medizinischen Massnahmen, welche notwendig sind, um dauernde Skelettschäden zu verhüten, die ihre Berufsbildung oder ihre spätere Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen würden. Dabei genügt es, dass ein schwerer Defektzustand mit Wahrscheinlichkeit droht für den Fall, dass die medizinischen Vorkehren nicht durchgeführt werden (BGE 100 V 171 E. 2b S. 172; Urteil I 192/01 vom 29. Januar 2002 E. 2c; vgl. auch BGE 131 V 9 E. 4.2 S. 21). Nach den ebenfalls korrekten Erwägungen im angefochtenen Entscheid setzt eine Leistungspflicht der Invalidenversicherung zudem voraus, dass ohne die Vorkehr in naher Zukunft mit Wahrscheinlichkeit eine bleibende Beeinträchtigung eintreten würde und gleichzeitig durch die Massnahme ein so stabiler Zustand herbeigeführt werden können muss, dass vergleichsweise erheblich verbesserte Voraussetzungen für die spätere Ausbildung und Erwerbsfähigkeit bestehen (Urteil I 501/06 vom 29. Juni 2007 E. 5.2). Die Therapie muss notwendig sein und darf nicht nur sinnvolle Unterstützungsmassnahme bilden. Dauerhaftigkeit und Wesentlichkeit des herbeizuführenden Eingliederungserfolgs sind im Zeitpunkt vor Durch- bzw. Weiterführung der fraglichen Massnahme anhand des massgebenden medizinischen Sachverhalts prognostisch zu beurteilen (Urteile 9C_109/2008 vom 18. April 2006, I 32/06 vom 9. August 2007 E. 6.1.2 und I 878/05 vom 7. August 2006 E. 2.1).
3.
3.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass der Versicherte die Physiotherapie mit dem Einverständnis der Ärzte während der Sommerferien 2009 unterbrach. Die Vorinstanz erwog, soweit die IV-Stelle daraus schloss, der Versicherte könne über längeren Zeitraum auf diese Therapie verzichten, überzeuge ihre Argumentation nicht. Aufgrund der gesamten Problematik sei ein langwieriger Verlauf nachvollziehbar; es handle sich bei den bisherigen bzw. geplanten Massnahmen um gezielte Vorkehren und nicht um Dauertherapie. Der bis Mai 2009 erfolgreich gewesene postoperative Verlauf sei Ergebnis regelmässiger Physiotherapie. Nach der Sistierung der Therapie ab Ende Mai 2009 habe sich die Beweglichkeit des Kniegelenks zusehends verschlechtert. Der Versicherte sei somit ganz offensichtlich noch nicht in der Lage, über längere Zeit auf assistierte Physiotherapie zu verzichten. Nach wie vor stehe fest, dass die medizinischen Vorkehren den ursprünglichen Defektzustand zwar nicht vollumfänglich beseitigen, jedoch dessen negative Auswirkungen im Alltag erheblich vermindern könnten. Ohne Weiterführung der Therapie würde aller Voraussicht nach ein stabilisierter Zustand eintreten, welcher die spätere Erwerbsfähigkeit des Versicherten nachhaltig beeinträchtigte, zumal nach den schlüssigen Ausführungen des Dr. med. K._________ eine Flexion des Kniegelenks über 90° für die Ausübung (auch) einer sitzenden Tätigkeit wichtig sei.
3.2 Die Beschwerde führende IV-Stelle rügt, der angefochtene Entscheid verletze Art. 12 IVG, soweit sie verpflichtet werde, über den 31. August 2009 für die Kosten der Physiotherapie aufzukommen. Dem Beschwerdegegner stehe eine genügend breite Auswahl möglicher Berufsfelder offen, in denen er uneingeschränkt arbeitsfähig sei. Mit weiteren medizinischen Massnahmen liessen sich keine neuen Berufsfelder erschliessen. Auch bei optimalem Behandlungsergebnis sei letztlich keine Verbesserung der beruflichen Perspektiven zu erwarten. Indem sich das kantonale Gericht nicht mit der nachvollziehbaren Beurteilung des RAD-Arztes Dr. med. B._________ auseinandergesetzt habe, habe es zudem gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstossen.
4.
Die Beschwerde führende IV-Stelle rügt zu Unrecht eine Verletzung der Begründungspflicht. Das kantonale Gericht gab die Beurteilung des RAD-Arztes (Dr. med. B._________) im Einzelnen wieder (E. 3a des angefochtenen Entscheides) und begründete ausführlich und nachvollziehbar, weshalb es hierauf nicht abstellte (E. 5c des vorinstanzlichen Entscheides). Einzig der Umstand, dass die Vorinstanz Dr. med. B._________ nicht namentlich erwähnte, stellt keine Verletzung der Begründungspflicht dar.
5.
5.1 Ob im Herbst 2009 von der Fortsetzung der Physiotherapie innert angemessener Dauer erheblich verbesserte Voraussetzungen für die spätere Ausbildung und Erwerbsfähigkeit erwartet werden konnten bzw. ohne diese eine Heilung mit Defekt oder ein sonstwie stabilisierter, die Berufsbildung oder die Erwerbsfähigkeit (oder beide) beeinträchtigender Zustand resultiert hätte (vgl. E. 2.2 hievor), wird namentlich von RAD-Arzt Dr. med. B._________ und vom behandelnden Dr. med. K._________ unterschiedlich beantwortet.
5.2
5.2.1 Dr. med. B._________ führte am 5. Oktober 2009 aus, der (ferienhalber) über längere Zeit möglich gewesene Verzicht auf eine assistierte Physiotherapie spreche dafür, dass ab dem Zeitpunkt der Sistierung (Anfang Juni 2009) die postoperative Rehabilitation assistiver Art weitgehend als abgeschlossen gelten könne. Aufgrund der "medizinischen Eckdaten" sei plausibel, dass der Beschwerdeführer das physiotherapeutische Behandlungsziel durch entsprechende sportliche Eigeninitiative vermehrt selbstständig zu halten vermöge. Eine unkritische Fortsetzung der physiotherapeutischen Massnahmen erscheine medizinisch deshalb nicht indiziert, weil letztlich auch eine massgebliche Verbesserung nicht mehr zu erwarten und der Status quo sine (vor dem letzten Eingriff vom August 2008) wieder hergestellt sei. Diese Einschätzung werde dadurch untermauert, dass vor dem Unfall vom Februar 2007 die letzte physiotherapeutische Anwendung im November 2004 stattgefunden und der Versicherte zwei Monate lang (zuletzt von Juli bis September 2005) ein Muskelstimulationsgerät verwendet habe.
5.2.2 Dr. med. K._________ hielt am 17. November 2009 fest, durch Eigeninitiative könne zwar ein entsprechender Muskelaufbau erzielt, nicht aber die Beweglichkeit gesteigert werden; die Physiotherapiepause sei ein temporärer, medizinisch vertretbarer Therapieunterbruch gewesen, welcher die Physiotherapie langfristig nicht ersetzen könne. Eine Flexion von 85° sowie ein Restspitzfuss von 10° seien weiterhin deutlich einschränkend für das normale Leben und den zukünftigen Beruf; er erhoffe sich von der Fortsetzung der Therapie eine Nullstellung im OSG und eine Flexion von 100° im Knie, so dass der Versicherte im späteren (Berufs-)Leben keine signifikanten Einschränkungen habe. Die Physiotherapie diene vor allem der verbesserten Gelenksbeweglichkeit und nur zweitrangig dem Muskelaufbau. Am 13. Januar 2010 führten die Dres. med. K._________ und L._________ (Assistenzarzt am Spital X._________) aus, die seit der letzten Konsultation durchgeführte regelmässige Physiotherapie unter Vollbelastung habe nach Angaben des Versicherten keine deutliche Steigerung der Beweglichkeit bewirken können. Aufgrund der konstant schlechten Beweglichkeit (Extension/Flexion: 0-5-70° [aktiv], im rechten OSG in Dorsalextension/Plantarflexion: 0-15-40°) sei eine Mobilisation in Narkose indiziert (diese wurde Ende Januar 2010 durchgeführt und hatte eine ungewollte Fraktur der Tibia zur Folge).
5.2.3 Dr. med. B._________ entgegnete hierauf am 3. März 2010, versicherungsmedizinisch lasse sich die erhebliche Auswirkung auf eine allfällige berufliche Perspektive nicht erschliessen. Funktionell betrachtet sei weniger die Beugung des Knies als vielmehr die Möglichkeit zur Streckung bedeutsam, welche mit 5° als nahezu unlimitiert zu bewerten sei. Die aus therapeutischer Sicht nachvollziehbare Bestrebung, die Flexion wie auch die Beweglichkeit im rechten Sprunggelenk zu verbessern, wirke sich in der funktionell ausgerichteten versicherungsmedizinischen Beurteilung auf eine entsprechende berufliche Perspektive nicht derart aus, dass sich massgebliche neue Berufsfelder erschlössen. Der Versicherte sei bereits jetzt durch die eingeschränkte (knöcherne) Belastbarkeit des rechten Beines hinsichtlich einseitig belastender Tätigkeiten in der Berufswahl eingeschränkt, allerdings stünden ihm auf dem zur Verfügung stehenden Arbeitsmarkt ausreichend viele Alternativen offen. Es sei ihm zuzumuten, therapeutische Übungen zur Mobilisation der betroffenen Gelenke zu erlernen und selbstständig zu Hause durchzuführen.
5.2.4 Mit Schreiben vom 18. März 2010 erklärte Dr. med. K._________ zuhanden der Rechtsvertreterin des Versicherten (unter anderem), es sei rückblickend wohl ein Fehler gewesen, die Physiotherapie über die Sommerferien zu stoppen. Gerade für sitzende Tätigkeiten sei es wichtig, eine Flexion über 90° im Knie zu erreichen, so dass das Aufstehen aus dem Sitzen ohne Hilfe problemlos möglich werde. Nur dann sei eine uneingeschränkte Einsatzfähigkeit in sitzender Tätigkeit gewährleistet. Bezüglich der Spitzfusssituation müsse ein operativer Eingriff diskutiert werden; mit einer plantigraden Ausrichtung des Fusses erwarte er eine deutlich bessere Standstabilität und es sei dem Versicherten dann möglich, längere Strecken zu laufen sowie länger eine stehende Tätigkeit auszuüben. Nach seiner klinischen Erfahrung erholten sich Patienten mit einer Verlängerung von 4-5 cm muskulär nach ca. ein- bis eineinhalb Jahren; bei Voroperationen (mit entsprechenden Vernarbungen) und einer Beinverlängerung von 8 cm, wie im Fall des Versicherten, sei mit einer muskulären Erholung und (einer Rückbildung der) Beweglichkeitslimitierung erst nach zwei bis drei Jahren zu rechnen.
5.2.5 Am 10. Mai 2010 hielt Dr. med. B._________ fest, eine Flexionsfähigkeit des rechten Kniegelenks von annähernd 90° sollte für die unlimitierte Ausübung einer überwiegend sitzenden Tätigkeit rein ergonomisch betrachtet eigentlich genügen, zumal beim Aufstehen auch das intakte rechte Bein ausreichende Unterstützung bieten könne. Die berufliche Perspektive bleibe auch unter physiotherapeutischer Assistenz unverändert, weshalb die Verbesserung der Steh- und Gehfähigkeit für die massgebliche Verbesserung der beruflichen Perspektive letztlich eine untergeordnete Rolle spiele. Die nach Verfügungserlass im Anschluss an die ungewollte Stressfraktur anlässlich der Narkosemobilisation notwendig gewordene Physiotherapie diene primär der Behandlung des Leidens an sich und letztendlich dazu, einen stabilen Gesundheitszustand zu erreichen.
6.
6.1 Entgegen der auf die Beurteilung des Dr. med. B._________ gestützten Ansicht der Beschwerdeführerin ist nicht entscheidend, ob die weitere Therapie massgebliche neue Berufsfelder erschliesst. Es kommt einzig darauf an, ob im Herbst 2009 von der Fortsetzung der Therapie eine (dauernde und) wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder deren Bewahrung vor wesentlicher Beeinträchtigung erwartet werden konnte. Die auf den nachvollziehbar begründeten Beurteilungen des Dr. med. K._________ beruhende Feststellung im angefochtenen Entscheid, wonach die Weiterführung der Therapie zur Verminderung erheblicher negativer Auswirkungen des Defekts im Alltag unabdingbar sei, ist nicht offensichtlich unrichtig und verstösst auch sonst nicht gegen Bundesrecht. Dass die Fortsetzung der Therapie angezeigt war, wird eindrücklich bestätigt durch die bereits im Zeitpunkt des Verfügungserlasses vom 20. Oktober 2009 sich abzeichnende Abnahme der Beweglichkeit im Kniegelenk nach dem Therapieunterbruch im Sommer 2009, welche Ende Januar 2010 sogar eine Mobilisation in Narkose erforderte. Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass dieser Eingriff, der eine ungewollte Tibiafraktur bewirkte, unterblieben wäre, wenn die Ärzte die Bewegungseinschränkung nicht als erheblich erachtet und gravierende Folgeschäden befürchtet hätten. Konnte aber selbst die nach den Sommerferien 2009 wieder aufgenommene Physiotherapie der Bewegungseinschränkung nicht entgegenwirken, ist nicht einzusehen, wie der Versicherte mit eigenverantwortlichem Training den angestrebten Erfolg hätte erreichen bzw. den drohenden Defekt verhindern können. Dass der Gesundheitszustand eine gewisse Labilität aufwies - indem sich die Kniebeweglichkeit ab Sommer/Herbst 2009 kontinuierlich verschlechterte - ändert nichts, weil die Invalidenversicherung für die Therapiekosten im Rahmen von Art. 12 IVG auch aufzukommen hat, wenn ohne die medizinische Vorkehr ein schwerer Defektzustand zu erwarten wäre, was im angefochtenen Entscheid für das Bundesgericht verbindlich bejaht wird.
6.2 Auch der Umstand, dass sich der Versicherte die im Februar 2007 erlittene Tibiaschaftquerfraktur beim Unihockeyspiel zugezogen hatte, führt zu keinem anderen Ergebnis, zumal allein daraus nicht auf eine sportliche Aktivität geschlossen werden kann, die einer leistungsbegründenden Einschränkung im Alltag und in der beruflichen Eingliederung entgegenstünde. Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf die damalige massive Beinverkürzung von 8 cm, den erst gerade erfolgten Übergang zur Vollbelastung und die insgesamt fragile gesundheitliche Situation des Versicherten nachvollziehbar begründet dargelegt, dass der Beschwerdegegner weiterhin der auf die Beinkorrektur gerichteten medizinischen Massnahmen bedurfte. Ebenfalls hat die Vorinstanz nicht gegen Bundesrecht verstossen, indem sie weder aus der kurzen, in Klammern gesetzten und später präzisierten Bemerkung des Dr. med. K._________, wonach der Versicherte über die Sommerferien 2009 die Physiotherapie stoppen dürfe, da er "selbst sportlich aktiv" sei (Bericht vom 2. Juni 2009 sowie Schreiben vom 17. November 2009), noch daraus, dass der Beschwerdegegner im Jahre 2005 speziell angefertigte Turnschuhe (für die Schule) benötigte, auf fehlenden Eingliederungsbedarf schloss.
6.3 Bezüglich der Dauer der Therapie hielt Dr. med. H._________, leitender Arzt am Spital X._________, bereits mit Schreiben vom 28. April 2008 fest, im Anschluss an die geplante Femurverlängerungsosteotomie sei eine weitere intensive physiotherapeutische Betreuung indiziert, die sich "sicher für ein Jahr postoperativ hinziehen" werde. Diese Beurteilung wurde bestätigt durch Dr. med. K._________, der am 18. März 2010 ausführte, nach seiner klinischen Erfahrung sei bei einer Beinverlängerung von 8 cm und Voroperationen (mit damit verbundenen Vernarbungen) erst nach zwei bis drei Jahren mit einer Erholung von der Beweglichkeitslimitierung zu rechnen. Die Vorinstanz hat somit weder den Sachverhalt qualifiziert fehlerhaft im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG festgestellt (vgl. auch BGE 132 V 392 E. 3.2 S. 397 betreffend Prognose als Tatfrage) noch sonstwie Bundesrecht verletzt, insbesondere auch nicht Art. 12 IVG, indem sie erwog, die im Herbst 2008 begonnene Therapie habe nicht bereits Ende Mai 2009 als überlang bezeichnet werden können, und die IV-Stelle zur Übernahme der Kosten für Physiotherapie über den 31. August 2009 hinaus verpflichtete.
7.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist nicht zu beanstanden, dass die IV-Stelle im angefochtenen Entscheid zur Übernahme der Kosten für die Beurteilung des Dr. med. K._________ vom 18. März 2010 verpflichtet worden ist. Notwendige Expertenkosten sind Bestandteil der Parteientschädigung nach Art. 61 lit. g ATSG (BGE 115 V 62 und seitherige Rechtsprechung), sofern die betreffende Beurteilung für die Interessenwahrung notwendig war, weil sich der medizinische Sachverhalt erst aufgrund dieser neu beigebrachten Untersuchungsergebnisse schlüssig feststellen lässt, und soweit die Vorinstanz massgeblich darauf abgestellt hat (Urteil I 228/98 vom 23. November 1998). Das kantonale Gericht hat diese Voraussetzungen im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens als erfüllt und die Kosten von Fr. 720.15, welche sich im Einzelnen anhand der Rechnung vom 18. August 2010 nachvollziehen lassen, als angemessen erachtet. Das Bundesgericht hat dem nichts beizufügen (E. 1 hievor).
8.
Mit dem sofortigen Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegenstandslos (Urteil vom 9C_515/2009 vom 14. September 2009 E. 4).
9.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der beschwerdeführenden IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 4 lit. a, Art. 66 Abs. 1 BGG ; Urteil 8C_67/2007 vom 25. September 2007 E. 6 [SZZP 2008 S. 6]; SVR 2010 IV Nr. 32 S. 102 E. 6, 9C_210/2009).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 29. Oktober 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Meyer Bollinger Hammerle