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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
8C_795/2010
Urteil vom 9. Dezember 2010
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Holzer.
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,
gegen
Z.__________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan Zimmerli,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invaliditätsbemessung),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 11. August 2010.
Sachverhalt:
A.
Der 1966 geborene Z.__________ war zuletzt als Schreiner der Firma M.________ AG erwerbstätig gewesen, als er sich am 12. August 2003 unter Hinweis auf Schmerzen im rechten Knie und im linken Sprunggelenk bei der IV-Stelle Luzern zum Leistungsbezug anmeldete. Mit Verfügung vom 12. November 2004 und Einspracheentscheid vom 23. März 2005 verneinte die IV-Stelle bei einem Invaliditätsgrad von 26 % einen Rentenanspruch des Versicherten. Dieser Einspracheentscheid wurde letztinstanzlich vom Eidg. Versicherungsgericht (EVG) mit Urteil I 453/06 vom 24. Oktober 2006 aufgehoben und die IV-Stelle wurde zu weiteren Abklärungen verpflichtet. Aufgrund dieser Abklärungen bemass die IV-Stelle den Invaliditätsgrad neu auf 28 % und stellte nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens mit Verfügung vom 25. Juli 2008 erneut fest, dass kein Rentenanspruch bestehe.
B.
Auf Beschwerde des Z.__________ hin holte das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern bei den Dres. med. H.________ und B.________ ein Gerichtsgutachten ein (Gutachten vom 19. November 2009). Daraufhin sprach das kantonale Gericht mit Entscheid vom 11. August 2010 dem Versicherten ab 1. April 2005 eine Viertelsrente zu; soweit weitergehend wurde die Beschwerde abgewiesen.
C.
Mit Beschwerde beantragt die IV-Stelle Luzern, es sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides ihre leistungsablehnende Verfügung zu bestätigen. In prozessualer Hinsicht beantragt sie, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichtet, beantragt Z.__________ die Abweisung der Beschwerde, soweit auf sie einzutreten sei. Gleichzeitig stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.
Erwägungen:
1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die Beweiswürdigung durch das kantonale Gericht verletzt namentlich dann Bundesrecht, wenn es den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 8C_727/2009 vom 19. November 2009 E. 1.2).
2.
2.1 Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
2.2
Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um Entscheidungen über Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Dagegen ist die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 3.2).
2.3 Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, als sie dem Beschwerdegegner ab 1. April 2005 eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zusprach.
3.
3.1 Das kantonale Gericht hat in umfassender Würdigung der medizinischen Akten, insbesondere gestützt auf das Gerichtsgutachten der Dres. med. H.________ und B.________, vom 19. November 2009 für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellt, dass der Versicherte ab April 2005 auch in einer seinen Leiden angepassten Tätigkeit wegen Rückenbeschwerden zu 20 % eingeschränkt ist. Die IV-Stelle bringt dagegen im Wesentlichen vor, die Vorinstanz habe zu Unrecht dem Gerichtsgutachten hohen Beweiswert zuerkannt; die Dres. med. H.________ und B.________ hätten sich in ihrer Beurteilung von den subjektiv gefühlten Schmerzen des Versicherten leiten lassen und würden damit den invalidenversicherungsrechtlich relevanten Krankheitsbegriff verkennen.
3.2 Ausgangspunkt jeder medizinischen Begutachtung sind die subjektiven Angaben der zu begutachtenden Person; die Rechtsprechung hat stets betont, einem Gutachten komme nur dann hoher Beweiswert zu, wenn es auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; SVR 2010 IV Nr. 39 S. 123, 9C_365/2009 E. 2). Liegen durch apperativ-bildgebende Verfahren gesicherte und in diesem Sinne organisch hinreichend nachgewiesene Befunde vor, so gehört es mit zu den Aufgaben der Gutachter, aufgrund ihres medizinischen Fachwissens und ihrer Erfahrung zu beurteilen, ob und inwieweit sich die subjektiv geklagten Beschwerden der versicherten Person durch diese Befunde erklären lassen (vgl. auch BGE 130 V 396 E. 5.3.2 S. 399 mit weiteren Hinweisen). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin haben dabei die subjektiven Beschwerden nicht bereits dann als objektiv nicht erklärbar zu gelten, wenn es aus medizinischer Sicht denkbar wäre, dass die objektiv erhobenen Befunde auch hätten symptomlos bleiben können. Objektiv nicht erklärbar sind subjektive Beschwerden dann, wenn es aus medizinischer Sicht ungewöhnlich erscheint, dass die objektiv festgestellten Befunde Beschwerden solcher Art oder solcher Intensität auslösen.
3.3 Die Dres. med. H.________ und B.________ erachteten die vom Versicherten geklagten Rückenbeschwerden als glaubhaft und durch die bildgebend festgestellten degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule erklärbar. Nach dem vorstehend Erwogenen wird die Beweiskraft des Gutachtens nicht dadurch gemindert, dass - wie die Gutachter auf die Ergänzungsfragen in ihrem Schreiben vom 14. April 2010 einräumen - ähnliche degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, wie sie beim Beschwerdeführer festgestellt werden mussten, häufig auch bei wenig symptomatischen und voll arbeitsfähigen Patienten zu sehen sind. Somit hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, indem sie dem Gerichtsgutachten hohen Beweiswert zuerkannte und auf weitere medizinische Abklärungen verzichtete; die gestützt auf dieses Gutachten vorgenommenen Sachverhaltsfeststellungen sind jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig.
3.4 War der Versicherte ab April 2005 auch in einer seinen Leiden angepassten Tätigkeit zu 20 % eingeschränkt, so waren die gestützt darauf vorgenommene Invaliditätsbemessung auf 42 % und die Zusprache einer Viertelsrente rechtens. Die Beschwerde der IV-Stelle ist demnach abzuweisen.
4.
4.1 Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die Gerichtskosten sind dem Ausgang des Verfahrens entsprechend der IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Versicherte hat Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Damit wird sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos.
4.2 Mit diesem Entscheid in der Sache wird das Gesuch der IV-Stelle, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 9. Dezember 2010
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Ursprung Holzer