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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5A_710/2010
Urteil vom 28. Januar 2011
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Zingg.
Verfahrensbeteiligte
Billag AG,
Beschwerdeführerin,
gegen
X.________,
Beschwerdegegner,
Betreibungsamt A.________,
Gegenstand
Fortsetzungsbegehren,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, vom 22. September 2010.
Sachverhalt:
A.
Mit Zahlungsbefehl vom 10. Juni 2009 (Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamts A.________) forderte die Billag AG von X.________ die Bezahlung von Empfangs- und Mahngebühren im Betrag von Fr. 254.75. Der Betriebene erhob Rechtsvorschlag.
Zwei Versuche, den Rechtsöffnungsentscheid der Billag AG vom 21. Dezember 2009 dem Betriebenen zuzustellen, blieben erfolglos (Aufgabedaten 22. Dezember 2009 und 11. Januar 2010), da dieser die eingeschriebenen Sendungen nicht abholte.
B.
Das Fortsetzungsbegehren vom 7. April 2010 wurde am 15. April 2010 vom Betreibungsamt A.________ zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bezirksgericht Dietikon mit Zirkulationsbeschluss vom 15. Juli 2010 abgewiesen und am 22. September 2010 wies das Obergericht des Kantons Zürich den hiegegen geführten Rekurs ab.
C.
Am 7. Oktober 2010 hat die Billag AG (Beschwerdeführerin) Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen obergerichtlichen Beschlusses und ersucht um Anweisung an das Betreibungsamt A.________, die Betreibung Nr. 1 fortzusetzen.
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
1.1 Die Beschwerde in Zivilsachen ist gegen den Entscheid der oberen Aufsichtsbehörde (Art. 75 Abs. 1 BGG) in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unabhängig vom Streitwert zulässig (Art. 72 Abs. 2 lit. a und Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Sie ist binnen Frist erfolgt (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG).
Mit der Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Dabei bedeutet "offensichtlich unrichtig" willkürlich (BGE 135 III 127 E. 1.5 S. 130 mit Hinweis). Ansonsten ist der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der angefochtene Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
Die Beschwerde ist zu begründen (Art. 42 Abs. 1 BGG). Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Dies setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Ansonsten kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245 f.).
1.2 Im Rubrum der Beschwerde, in den Rubra der Vorinstanzen und im Zahlungsbefehl wird die Schweizerische Eidgenossenschaft als Verfahrenspartei bzw. Gläubigerin genannt und die Billag AG als ihre Vertreterin. Wie aus der Beschwerdebegründung hervorgeht, betrachtet sich die Billag AG jedoch selber als Beschwerdeführerin und weist auf ihre Stellung als unabhängige Organisation ausserhalb der Bundesverwaltung hin. Wie unter dem OG ist demnach die Billag AG bei Beschwerden im Zusammenhang mit dem Gebühreninkasso als in eigenem Namen handelnde Partei zu betrachten (vgl. BGE 130 III 524).
2.
2.1 Die Vorinstanz hat den Rekurs unter Hinweis auf BGE 130 III 396 und das unpublizierte Urteil 7B.153/2006 vom 13. Oktober 2006 abgewiesen. Die Zustellung des Rechtsöffnungsentscheids könne demgemäss nicht fingiert werden, da der Schuldner nicht mit dessen Zustellung habe rechnen müssen. Die Beschwerdeführerin habe zwar geltend gemacht, dem Beschwerdegegner vorher eine auf den 21. Oktober 2009 datierte "Einladung für Rechtliches Gehör" geschickt und ihn aufgefordert zu haben, Gründe für den Rechtsvorschlag mitzuteilen, so dass er spätestens bei Erhalt dieses Schreibens vom Verfahren Kenntnis gehabt habe. Das Obergericht hat aber festgehalten, dass die Anwendung der Zustellfiktion auf den Rechtsöffnungsentscheid nur dann in Frage komme, wenn der Zugang der "Einladung für Rechtliches Gehör" hätte nachgewiesen werden können. Die Beschwerdeführerin erwähne indessen nicht, wie die Zustellung geschehen sein soll, so dass weder der Versand als solcher noch der Zugang an den Beschwerdegegner substantiiert dargetan seien. Auch der unaufgeforderten Eingabe des Beschwerdegegners vom 4. August 2010 an das Obergericht könne nicht entnommen werden, dass er die fraglichen Sendungen erhalten habe.
2.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor, ein Schuldner, welcher Rechtsvorschlag erhoben habe, müsse davon ausgehen, dass der Gläubiger die Rechtsöffnung anstreben werde. Das Verhalten des Beschwerdegegners, Einschreiben nicht abzuholen, komme einer Annahmeverweigerung gleich. Die Einladung für das rechtliche Gehör sei mit B-Post verschickt worden und es würden keine Gründe bestehen, dass er diese nicht erhalten habe, was von ihm auch nicht geltend gemacht werde. Des Weiteren habe der Beschwerdegegner in einer anderen Betreibung der Beschwerdeführerin Beschwerde an das BAKOM erhoben; ihm sei das gegen ihn geführte Betreibungsverfahren mithin bekannt. Das Betreibungsamt dürfe sich ausserdem auf die Rechtskraftbescheinigung der verfügenden Behörde verlassen und solle diese nicht nachprüfen. Der Beschwerdegegner könne immer noch bei der Pfändungsankündigung Beschwerde nach Art. 17 SchKG einreichen und geltend machen, die Einladung zur Stellungnahme und die Rechtsöffnungsverfügung nicht erhalten zu haben. Zudem beruft sich die Beschwerdeführerin allgemein darauf, dass ihr der Zustellnachweis nicht erschwert werden sollte; insbesondere sei der Beizug des Gemeindeammanns zur Zustellung umständlich.
3.
3.1 Eine Betreibung kann nicht weitergeführt werden, wenn der Schuldner weder eine Vorladung zur Rechtsöffnungsverhandlung noch den Rechtsöffnungsentscheid erhalten hat (BGE 130 III 396 E. 1.2.2 S. 398; 102 III 133 E. 3 S. 136 f.). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt in denjenigen Fällen, in welchen der Adressat anlässlich einer versuchten Zustellung nicht angetroffen und daher eine Abholeinladung in seinen Briefkasten oder sein Postfach gelegt wird, die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem sie auf der Post abgeholt wird; geschieht das nicht innert der Abholfrist, die sieben Tage beträgt, so gilt die Sendung als am letzten Tag dieser Frist zugestellt, sofern der Adressat mit der Zustellung hatte rechnen müssen (BGE 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399). Diese Rechtsprechung ist nur dann massgebend, wenn die Zustellung eines behördlichen Aktes mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwartet werden muss. Erst mit der Rechtshängigkeit entsteht ein Prozessrechtsverhältnis, welches die Parteien verpflichtet, sich nach Treu und Glauben zu verhalten, d.h. unter anderem dafür zu sorgen, dass ihnen Entscheide, welche das Verfahren betreffen, zugestellt werden können. Diese Pflicht entsteht mit der Begründung eines Verfahrensverhältnisses und gilt insoweit, als während des hängigen Verfahrens mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit der Zustellung eines behördlichen Aktes gerechnet werden muss (BGE 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399 mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat in BGE 130 III 396 für den Fall der Krankenkassen, welche - wie die Billag AG (BGE 128 III 39; 130 III 524) - den Rechtsvorschlag im Verwaltungsverfahren beseitigen können, entschieden, dass die Rechtsöffnung ein neues Verfahren darstellt; der Schuldner hat nach der Zustellung des Zahlungsbefehls noch nicht mit der Zustellung des Rechtsöffnungsentscheides zu rechnen und insoweit gilt die Zustellfiktion nicht (BGE 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399 f.; Urteil 5A_172/2009 vom 26. Januar 2010 E. 3.1, in: Pra 99/2010 Nr. 76 S. 546). Im unpublizierten Urteil 7B.153/2006 vom 13. Oktober 2006, in welchem die Beschwerdeführerin Partei war, ist das Bundesgericht auf eine SchKG-Beschwerde des Betriebenen mangels genügender Substantiierung nicht eingetreten. Dort ging es ebenfalls um eine Einladung zur Stellungnahme zu den Gründen des Rechtsvorschlages, deren Zustellung vom Betriebenen aber nicht bestritten worden war.
3.2 Es besteht kein Anlass, diese konstante Rechtsprechung zu ändern und einen Betriebenen bereits nach Eingang des Zahlungsbefehls mit der Obliegenheit zu belasten, mit einer späteren Rechtsöffnung rechnen zu müssen. Insbesondere vermögen angebliche Schwierigkeiten bei der Zustellung bzw. ihrem Nachweis einen solchen Schritt nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einer weiteren Möglichkeit eines zweiten Zustellversuchs das in Urteil 7B.1/2007 vom 26. April 2007 geschilderte Vorgehen). Ebenso wenig besteht Grund, die Kognition des Betreibungsamts hinsichtlich der Rechtskraft des Rechtsöffnungsentscheids einzuschränken und ihm deren Überprüfung zu untersagen. Das Betreibungsamt soll nämlich nicht Handlungen trotz eines noch wirksamen Rechtsvorschlags vornehmen, welche nichtig wären (BGE 130 III 396 E. 1.2.2 S. 399; 102 III 133 E. 3 S. 136 f.). Im vorliegenden Fall bestehen auch keine genügenden Anhaltspunkte, um dem Beschwerdegegner Annahmeverweigerung vorzuwerfen (vgl. BGE 117 III 7 E. 3b S. 10). Hinsichtlich Versand und Zugang der Einladung zur Stellungnahme geht die Beschwerdeführerin darüber hinweg, dass die Vorinstanz ihr mangelnde Substantiierung vorgeworfen hat. Sie setzt sich insoweit nicht mit dem angefochtenen Entscheid auseinander. Die Behauptung, das fragliche Schreiben mit B-Post versandt zu haben, ist neu und deshalb unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG). Dass der Beschwerdegegner den Erhalt des fraglichen Schreibens nicht bestritten hat, liegt daran, dass die Vorinstanzen keine Beschwerde- bzw. Rekursantworten eingeholt haben und somit kein Anlass zur Bestreitung bestand. Der Fall unterscheidet sich somit massgeblich von der im Urteil 7B.153/2006 vom 13. Oktober 2006 beurteilten Konstellation. Darauf, dass auch der unaufgeforderten Eingabe des Beschwerdegegners vom 4. August 2010 keine Hinweise auf den Erhalt der Sendungen entnommen werden könne, geht die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht ein. Wie sich der Beschwerdegegner in anderen Betreibungsverfahren verhalten hat und ob er die dort ergangenen Sendungen erhalten hat, ist für das vorliegende Verfahren irrelevant. Soweit demnach in den weitschweifigen Ausführungen der Beschwerdeführerin überhaupt eine genügende Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss erblickt werden kann, ist die Beschwerde abzuweisen.
4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Auch wenn die Billag AG eine mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisation im Sinne von Art. 66 Abs. 4 BGG ist, so handelt sie doch in ihrem Vermögensinteresse und kann nicht von der Kostenfreiheit profitieren (vgl. BGE 133 V 637 E. 4.6 S. 639, 642 E. 5.5 S. 644).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. Januar 2011
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
Hohl Zingg