BGer 8C_1024/2010
 
BGer 8C_1024/2010 vom 03.03.2011
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
8C_1024/2010
Urteil vom 3. März 2011
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Leuzinger, Niquille,
Gerichtsschreiber Kathriner.
 
Verfahrensbeteiligte
F.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jean Baptiste Huber,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6300 Zug,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug
vom 28. Oktober 2010.
Sachverhalt:
A.
Die 1962 geborene F.________ war bis Ende März 2006 als Lagermitarbeiterin bei der K.________ AG tätig. Am 4. April 2006 meldete sie sich wegen einer Spondylolisthesis L4/5 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Zug klärte den medizinischen Sachverhalt ab und holte am 7. November 2007 unter anderem ein medizinisches Gutachten bei Dr. med. L.________ ein. Im Vorbescheid vom 31. Oktober 2008 stellte die IV-Stelle vom 1. März bis 31. Dezember 2007 eine befristete ganze Rente in Aussicht. Mit Verfügung vom 18. Januar 2010 sprach sie F.________ eine solche vom 1. März 2007 bis 31. Januar 2008 zu.
B.
Mit der hiegegen erhobenen Beschwerde liess F.________ ein Privatgutachten von Prof. Dr. med. E.________ vom medizinischen Begutachtungsinstitut X._________ vom 12. Februar 2010 einreichen, worauf die IV-Stelle am 24. März 2010 eine Stellungnahme des Dr. med. B.________ vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) einholte. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug wies die Beschwerde mit Entscheid vom 28. Oktober 2010 ab.
C.
Mit Beschwerde lässt F.________ die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und die Ausrichtung einer Rente der Invalidenversicherung nach Massgabe eines Invaliditätsgrades von 58 %, eventuell von 48.5 % beantragen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur weiteren Abklärung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Die Beweiswürdigung durch das kantonale Gericht verletzt Bundesrecht, namentlich wenn es den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 8C_926/2010 vom 7. Januar 2011 E. 1.2).
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie der Versicherten lediglich eine befristete ganze Rente zusprach und deren Ausrichtung am 31. Januar 2008 einstellte.
2.1 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe Art. 43 ATSG verletzt, weil das Gutachten von Dr. med. L.________ zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses bereits über zwei Jahr alt gewesen sei, sodass nicht mehr von einem ausreichend abgeklärten Sachverhalt gesprochen werden könne.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Ein Zeitraum von zwei Jahren zwischen der Erstattung des Gutachtens und dem Erlass der Verfügung bewirkt für sich noch keine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes. Sind keine Hinweise auf eine Veränderung des Gesundheitszustandes bis zum Erlass der Verfügung gegeben, wie dies vorliegend der Fall ist, kann weiterhin auf das Gutachten abgestellt werden.
2.2 Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, das Gutachten von Dr. med. L.________ vom 7. November 2007 sei mangelhaft, weil dessen Interpretation der Kernspintomographie an den deutlich erkennbaren pathologischen Befunden des thorakolumbalen Übergangs im Sinne eines Status nach Morbus Scheuermann vorbeigehe. Dies zeige Prof. Dr. med. E.________ in seinem Privatgutachten vom 12. Februar 2010 auf. Die Stellungnahme des RAD-Arztes Dr. med. B.________ vom 24. März 2010 sei erst nach der Einreichung der vorinstanzlichen Beschwerde vom 17. Februar 2010 erfolgt, weshalb Zweifel an dessen Unparteilichkeit bestünden und nicht ohne Weiteres darauf abgestellt werden dürfe. Zusammenfassend habe die Vorinstanz durch ihre Beweiswürdigung Art. 61 lit. c ATSG verletzt, indem sie dem Gutachten von Dr. med. L.________ den Vorzug vor der Begutachtung durch Prof. Dr. med. E.________ gegeben habe.
3.
3.1 Im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren in Sozialversicherungsangelegenheiten gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG). Danach haben die kantonalen Versicherungsgerichte die Beweise ohne Bindung an förmliche Beweisregeln umfassend und pflichtgemäss zu würdigen. Sie haben alle Beweismittel, unabhängig davon, von wem sie stammen, objektiv zu prüfen und danach zu entscheiden, ob die verfügbaren Unterlagen eine zuverlässige Beurteilung des streitigen Anspruchs gestatten. Insbesondere dürfen sie bei einander widersprechenden medizinischen Berichten den Prozess nicht erledigen, ohne das gesamte Beweismaterial zu würdigen und die Gründe anzugeben, weshalb sie auf die eine und nicht auf die andere medizinische These abstellen. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet sind. Ausschlaggebend für den Beweiswert ist grundsätzlich somit weder die Herkunft eines Beweismittels noch die Bezeichnung der eingereichten oder in Auftrag gegebenen Stellungnahme als Bericht oder Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352).
3.2 Auch den Berichten und Gutachten versicherungsinterner Ärzte kommt Beweiswert zu, sofern sie als schlüssig erscheinen, nachvollziehbar begründet sowie in sich widerspruchsfrei sind und keine Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit bestehen. Die Tatsache allein, dass der befragte Arzt in einem Anstellungsverhältnis zum Versicherungsträger steht, lässt nicht schon auf mangelnde Objektivität und auf Befangenheit schliessen. Es bedarf vielmehr besonderer Umstände, welche das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Beurteilung objektiv als begründet erscheinen lassen (BGE 125 V 351 E. 5b/ee S. 353 f.).
3.3 Was Parteigutachten anbelangt, rechtfertigt der Umstand allein, dass eine ärztliche Stellungnahme von einer Partei eingeholt und in das Verfahren eingebracht wird, nicht Zweifel an ihrem Beweiswert (BGE 125 V 351 E. 3b/dd S. 353). Auch ein Parteigutachten enthält somit Äusserungen eines Sachverständigen, welche zur Feststellung eines medizinischen Sachverhalts beweismässig beitragen können. Daraus folgt indessen nicht, dass ein solches Gutachten den gleichen Rang wie ein vom Gericht oder von einem Unfallversicherer (beziehungsweise von der Invalidenversicherung) nach dem vorgegebenen Verfahrensrecht eingeholtes Gutachten besitzt. Es verpflichtet indessen - wie jede substanziiert vorgetragene Einwendung gegen ein solches Gutachten - das Gericht, den von der Rechtsprechung aufgestellten Richtlinien für die Beweiswürdigung folgend, zu prüfen, ob es in rechtserheblichen Fragen die Auffassungen und Schlussfolgerungen des vom Gericht oder vom Unfallversicherer förmlich bestellten Gutachters derart zu erschüttern vermag, dass davon abzuweichen ist (BGE 125 V 351 E. 3c S. 354).
4.
4.1 Das kantonale Gericht nahm eine Würdigung der medizinischen Akten vor, insbesondere des von der Beschwerdegegnerin bei Dr. med. L.________ am 7. November 2007 eingeholten externen Gutachtens sowie des von der Beschwerdeführerin eingereichten, am 12. Februar 2010 erstellten Privatgutachtens von Prof. Dr. med. E.________ und der von der Beschwerdegegnerin bei Dr. med. B.________ vom RAD in der Folge verfassten Stellungnahme vom 24. März 2010. Es beurteilte die von der Rechtsprechung an den Beweiswert eines Arztberichts gestellten Anforderungen (vgl. E. 3.1 hievor) beim Gutachten von Dr. med. L.________ als erfüllt und kam für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin in einer behinderungsangepassten Tätigkeit ab November 2007 wieder zu 85 % arbeitsfähig sei.
Die Beurteilung von Dr. med. B.________ lässt sich nicht mit Konstellationen vergleichen, in welchen der Entscheid über die Ausrichtung der Rente ausschliesslich auf versicherungsinternen ärztlichen Beurteilungen beruhen (vgl. BGE 135 V 465 E. 4 S. 467 ff.; 122 V 157 E. 1d S. 162), denn der RAD-Arzt Dr. med. B.________ bestätigte im Wesentlichen lediglich das Ergebnis des bereits eingeholten externen Gutachtens. Dass diese Stellungnahme erst im Beschwerdeverfahren eingeholt wurde, ist im ebenfalls erst im Beschwerdeverfahren eingereichten Privatgutachten der Beschwerdeführerin begründet.
4.2 Das kantonale Gericht verwies bei seiner Beweiswürdigung insbesondere auf die bei Dr. med. L.________ geklagten, nur partiell auf objektivierbare pathologische Befunde abgestützten Beschwerden. Die festgestellte Aggravationstendenz belegte Dr. med. L.________ durch eindrückliche Schilderungen der Beobachtungen bei seinen klinischen Untersuchungen. Diese Beobachtungen wurden auch im späteren psychiatrischen Gutachten von Dr. med. M.________ vom 21. August 2008 bestätigt, welcher zwar keine psychiatrische Diagnose mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit stellen konnte, jedoch ebenfalls zum Schluss kam, es bestehe eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Beschwerdeschilderungen und den beobachtbaren Beeinträchtigungen in der Untersuchungssituation. Zur Kritik im Parteigutachten von Prof. Dr. med. E.________, wonach Dr. med. L.________ bei seiner Interpretation des Kernspintomogramms vom 10. August 2009 die pathologischen Befunde des thorakolumbalen Übergangs im Sinne eines in der Jugendzeit erlittenen Morbus Scheuermann nicht korrekt berücksichtigt habe, nahm das kantonale Gericht ebenfalls Stellung. Es verwies auf die Beurteilung von Dr. med. B.________ vom 25. März 2010, wonach sich aus der tiefsitzenden thorakalen Kyphose und dem Status nach Morbus Scheuermann die schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule nicht hinlänglich erklären und eine anhaltende Arbeitsunfähigkeit nicht begründen lasse. Es verwies zudem auf die fachärztliche Qualifikation von Dr. med. B.________ und kam zum Schluss, das Privatgutachten von Prof. Dr. med. E.________ vermöge den Beweiswert des Gutachtens von Dr. med. L.________ insgesamt nicht zu erschüttern, sodass davon abzuweichen wäre.
4.3 Diese konkrete Würdigung der verschiedenen medizinischen Beurteilungen durch das kantonale Gericht ist somit rechtskonform (E. 3.1). Sie erweist sich weder als willkürlich noch verstösst sie gegen Bundesrecht, insbesondere auch nicht gegen das gerügte Prinzip der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG; BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Ausgehend von der Arbeitsunfähigkeitsbeurteilung von Dr. med. L.________ ist der von der Vorinstanz basierend auf mittels Einkommensvergleich ermittelte Invaliditätsgrad von 23 % nicht weiter bestritten. Ein solcher ist nicht rentenbegründend. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
5.
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, der Ausgleichskasse Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 3. März 2011
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Ursprung Kathriner