BGer 8C_40/2011
 
BGer 8C_40/2011 vom 04.03.2011
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
8C_40/2011
Urteil vom 4. März 2011
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.
 
Verfahrensbeteiligte
B.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Barbara Lind,
Beschwerdeführer,
gegen
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 78, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 16. November 2010.
Sachverhalt:
A.
Der 1968 geborene B.________ war ab Januar 1997 in einem 100 %-Pensum als Baufacharbeiter im Baugeschäft D.________ angestellt. Daneben erzielte B.________ als Reinigungsmitarbeiter für die S.________ AG einen Zusatzverdienst. Das Baugeschäft D.________ löste das Vollzeit-Arbeitsverhältnis am 21. September 2007 auf Ende Dezember 2007 durch Kündigung auf, weil er sich vorzeitig pensionieren lassen wollte. Ab 1. Oktober 2007 bis 30. Juni 2008 bezog B.________ aufgrund einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit wegen eines Rückenleidens Leistungen der Krankentaggeldversicherung. Am 27. Mai 2008 stellte er Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Juli 2008 und gab an, er sei bereit und in der Lage, Vollzeit zu arbeiten. Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau richtete in der Folge Taggelder, basierend auf einem versicherten Verdienst von Fr. 5'655.-, aus.
Bereits am 28. November 2007 hatte sich B.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Die IV-Stelle des Kantons Aargau verneinte mit Verfügung vom 13. Juli 2009 den Anspruch auf eine Invalidenrente unter Hinweis auf einen Invaliditätsgrad von 35 %. Dieser Verwaltungsakt wurde mit Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 25. Mai 2010 bestätigt; das Bundesgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Urteil 9C_660/2010 vom 20. Oktober 2010).
Im Nachgang zur rentenablehnenden Verfügung der IV-Stelle vom 13. Juli 2009 reduzierte die Arbeitslosenkasse den versicherten Verdienst ab 1. August 2009 auf Fr. 3'676.- (65 % von Fr. 5'655.-). Mit Verfügung vom 13. Oktober 2009 bestätigte sie die Richtigkeit der Taggeldabrechnungen der Monate August und September 2009 vom 26. August und 2. Oktober 2009, welchen der angepasste versicherte Verdienst von Fr. 3'676.- zugrunde gelegt worden war. In teilweiser Gutheissung der dagegen geführten Einsprache bejahte die Arbeitslosenkasse einen Anspruch auf Weiterausrichtung einer Ausbildungszulage für die Tochter des B.________, hielt aber am herabgesetzten versicherten Verdienst fest (Einspracheentscheid vom 24. November 2009).
B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die gegen die Neufestsetzung des versicherten Verdienstes erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 16. November 2010).
C.
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und das Rechtsbegehren stellen, es sei festzustellen, dass er ab August 2009 bis auf weiteres Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung auf der Grundlage eines versicherten Verdienstes von Fr. 4'646.- habe, und die Sache sei zur Berechnung und Auszahlung der Taggelder an die Arbeitslosenkasse zurückzuweisen. Ferner wird um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung ersucht.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Arbeitslosenkasse den versicherten Verdienst von Fr. 5'655.- für die Monate August und September 2009 um 35 % (entsprechend der Höhe des von der IV-Stelle mit Verfügung vom 13. Juli 2009 festgestellten Invaliditätsgrades) auf Fr. 3'676.- reduzieren durfte.
3.
Als versicherter Verdienst gilt der im Sinne der AHV-Gesetzgebung massgebende Lohn, der während eines Bemessungszeitraumes aus einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen normalerweise erzielt wurde; eingeschlossen sind die vertraglich vereinbarten regelmässigen Zulagen, soweit sie nicht Entschädigung für arbeitsbedingte Inkonvenienzen darstellen (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 AVIG). Nicht versichert ist ein Nebenverdienst; als solcher gilt jeder Verdienst, den ein Versicherter ausserhalb seiner normalen Arbeitszeit als Arbeitnehmer oder ausserhalb des ordentlichen Rahmens seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit erzielt (Art. 23 Abs. 3 AVIG). Bei Versicherten, die unmittelbar vor oder während der Arbeitslosigkeit eine gesundheitsbedingte Beeinträchtigung ihrer Erwerbsfähigkeit erleiden, ist gemäss Art. 40b AVIV der Verdienst massgebend, welcher der verbleibenden Erwerbsfähigkeit entspricht.
Art. 40b AVIV betrifft nicht allein die Leistungskoordination zwischen Arbeitslosen- und Invalidenversicherung, sondern - in allgemeinerer Weise - die Abgrenzung der Zuständigkeit der Arbeitslosenversicherung gegenüber anderen Versicherungsträgern nach Massgabe der Erwerbsfähigkeit. Nach Sinn und Zweck der Verordnungsbestimmung soll die Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung auf einen Umfang beschränkt werden, welcher sich nach der verbleibenden Erwerbsfähigkeit der versicherten Person während der Dauer der Arbeitslosigkeit auszurichten hat. Da die Arbeitslosenversicherung nur für den Lohnausfall einzustehen hat, welcher sich aus der Arbeitslosigkeit ergibt, kann für die Berechnung der Arbeitslosenentschädigung keine Rolle spielen, ob ein anderer Versicherungsträger Invalidenleistungen erbringt (BGE 133 V 524 E. 5.2 S. 527).
4.
4.1 Im zu beurteilenden Fall bezog der Versicherte seit 1. Oktober 2007 Krankentaggelder, weil er wegen eines Rückenleidens nicht mehr in der Lage war, seine bisherige Tätigkeit als Baufacharbeiter auszuüben. Der ehemalige Arbeitgeber sah bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf den 31. Dezember 2007 davon ab, den Lohn den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Der versicherte Verdienst, welcher den Taggeldabrechnungen der Arbeitslosenversicherung für die Zeit vor August 2009 zugrunde liegt, basiert demgemäss auf diesem Einkommen in der angestammten Beschäftigung. Tritt eine gesundheitsbedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit unmittelbar vor oder während der Arbeitslosigkeit ein, so entspricht die aktuelle Leistungsfähigkeit nicht mehr derjenigen vor der Arbeitslosigkeit, welche die Lohnbasis bildete. Weil der Lohn vor Eintritt der Arbeitslosigkeit aber die Bemessungsgrundlage für den versicherten Verdienst darstellt, muss in diesen Fällen eine Anpassung nach Art. 40b AVIV erfolgen (BGE 133 V 530 E. 4.1.2 S. 534).
Wie der Verfügung der IV-Stelle vom 13. Juli 2009 zu entnehmen ist, besteht ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 35 %. Eine solche Feststellung bildet eine erhebliche Tatsache, welche es der Arbeitslosenkasse erlaubt, den versicherten Verdienst an die veränderten Verhältnisse anzupassen (vgl. BGE 133 V 524).
4.2 Der Beschwerdeführer wendet letztinstanzlich gegen die von der Kasse ab August 2009 vorgenommene Reduktion der Arbeitslosentaggeldhöhe ein, der versicherte Verdienst müsse sich nach dem hypothetischen Invalideneinkommen (welches gemäss Verfügung der IV-Stelle vom 13. Juli 2009 Fr. 55'751.- beträgt) bemessen und betrage demzufolge Fr. 4'646.- im Monat (Fr. 55'751.- : 12). Die Verwaltung habe den ursprünglichen versicherten Verdienst fälschlicherweise einfach um den Invaliditätsgrad gekürzt. Das kantonale Gericht gehe ebenfalls von der Massgeblichkeit des Invalideneinkommens aus und es sei nicht nachvollziehbar, weshalb es die Berechnung der Arbeitslosenkasse dennoch schütze.
Diesen Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Der versicherte Verdienst im Sinne von Art. 40b AVIV berechnet sich gemäss BGE 132 V 357 nicht nach dem hypothetischen Invalideneinkommen, sondern nach dem vor der gesundheitsbedingten Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit tatsächlich erzielten Einkommen, multipliziert mit dem Faktor, der sich aus der Differenz zwischen 100 % und dem Invaliditätsgrad ergibt. Die Anpassung des versicherten Verdienstes an die verbleibende Erwerbsfähigkeit hat unabhängig davon zu erfolgen, ob ein anderer Versicherungsträger Leistungen für die Teilinvalidität erbringt. Teilinvaliden, nicht rentenberechtigten Versicherten entsteht bei dieser Bemessung des versicherten Verdienstes zwar ein ungedeckter Ausfall. Indessen ist zu berücksichtigen, dass einen solchen Ausfall auch erleidet, wer - bei nicht rentenbegründender Invalidität - einem Erwerb nachgeht und einen Invalidenlohn erzielt (BGE 133 V 524 E. 5.3 S. 527). Es trifft entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht zu, dass das kantonale Gericht das Invalideneinkommen als massgebliche Grundlage für die Festsetzung des versicherten Verdienstes qualifiziert hat. Soweit der Beschwerdeführer aus der vorinstanzlichen Erwägung, wonach für die Festsetzung des der Behinderung angepassten Verdienstes auf die verbleibende Erwerbsfähigkeit gemäss der Invaliditätsbemessung durch die Invalidenversicherung abgestellt werde, etwas anderes ableiten will, kann ihm nicht gefolgt werden. Auch im angefochtenen Entscheid wird bereits auf BGE 132 V 357 verwiesen, aus welchem hervorgeht, dass der versicherte Verdienst im Sinne des Art. 40b AVIV nicht mit dem hypothetischen Invalideneinkommen gleichzusetzen ist. Schliesslich kann von einer - vom Beschwerdeführer im Verfahren vor Bundesgericht geltend gemachten - Gehörsverletzung des kantonalen Gerichts im Sinne einer mangelhaften Begründung keine Rede sein. Die Vorinstanz legt ausführlich dar, aus welchen Gründen die Anpassung des versicherten Verdienstes durch die Kasse für die Monate August und September 2009 korrekt ist. An der Behauptung, der Nebenverdienst sei bei der Berechnung des versicherten Verdienstes zusätzlich zu berücksichtigen, wird letztinstanzlich nicht festgehalten, so dass sich diesbezügliche Weiterungen erübrigen.
5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht mangelhaft im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG sind und die rechtliche Würdigung bundesrechtskonform ist. Die Ausführungen in der letztinstanzlich eingereichten Beschwerdeschrift sind nicht geeignet, die Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts als offensichtlich unrichtig oder unvollständig erscheinen zu lassen. Von einer willkürlichen Beweiswürdigung kann ohnehin nicht gesprochen werden (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400).
6.
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG, insbesondere ohne Durchführung eines Schriftenwechsels und mit summarischer Begründung, erledigt.
7.
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten vom Beschwerdeführer als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Befreiung von den Gerichtskosten und unentgeltliche Verbeiständung) im bundesgerichtlichen Verfahren ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau (AWA) und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 4. März 2011
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Ursprung Berger Götz