Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
8C_56/2011
Urteil vom 4. Mai 2011
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.
Verfahrensbeteiligte
S.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dieter Kehl,
Beschwerdeführerin,
gegen
GENERALI Allgemeine Versicherungen AG, Avenue Perdtemps 23, 1260 Nyon,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung (Ausstand),
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 26. November 2010.
Sachverhalt:
A.
A.a Die 1976 geborene S.________ erlitt am 9. Januar 2001 einen Auffahrunfall und zog sich dabei eine Distorsion der Halswirbelsäule zu. Die Generali Allgemeine Versicherungen AG (im weiteren: Generali) erbrachte vorerst Heilbehandlung und richtete Taggelder aus, stellte aber mit Verfügung vom 20. September 2006 ihre Leistungen rückwirkend auf den 30. April 2004 ein, da ihres Erachtens zwischen den persistierenden Beschwerden und dem versicherten Unfall kein adäquater Kausalzusammenhang mehr bestand. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die gegen den die Verfügung bestätigenden Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 19. Juni 2008 gut und verpflichtete die Generali, der Versicherten über den 30. April 2004 hinaus die gesetzlichen Leistungen zu erbringen. Die von der Unfallversicherung dagegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wies das Bundesgericht mit Urteil vom 30. April 2009 (8C_674/2008) ab.
A.b Mit Schreiben vom 1. Oktober 2009 teilte die Generali S.________ mit, zur weiteren umfassenden medizinischen Abklärung gedenke sie der Begutachtungsstelle X.________ den Auftrag für eine Begutachtung zu erteilen. Die Versicherte liess der Generali in der Folge mitteilen, sie halte eine erneute Begutachtung für überflüssig, wenn überhaupt, müsste ein biomechanisches Gutachten eingeholt werden. Eine Begutachtung könne höchstens die Frage beinhalten, inwiefern sich ihr Zustand seit dem 18. Juni 2003 verändert habe, und schliesslich lehne sie die vorgeschlagene Gutachterstelle ab, da der alleinige Inhaber, Dr. phil. T.________, nicht Arzt und schon gar nicht Facharzt sei. Da die Unfallversicherung an der von ihr vorgeschlagenen Gutachterstelle festhalten wollte, erliess sie auf Verlangen der S.________ am 10. Juni 2010 eine entsprechende Verfügung.
B.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies eine gegen die verfahrensleitende Verfügung erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 26. November 2010 ab, soweit es darauf eintrat.
C.
S.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Rechtsbegehren, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Beschwerdegegnerin anzuweisen, ihre Ansprüche ohne weitere medizinische Begutachtung zu beurteilen; eventuell sei mit einer solchen nicht die Begutachtungsstelle X.________, sondern die Gutachterstelle Y.________ zu beauftragen.
Die Generali lässt auf Abweisung schliessen, soweit auf die Beschwerde einzutreten sei. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung
Mit Eingabe vom 1. April 2011 lässt S.________ um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde ersuchen.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Endentscheide, das heisst gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG). Gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist hingegen die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).
2.
Rechtsprechungsgemäss stellt die Anordnung einer Begutachtung keine anfechtbare Zwischenverfügung dar. Selbstständig anfechtbar sind allein Zwischenverfügungen über formelle Ausstandsgründe. Zwischenverfügungen über andere Fragen der Begutachtung sind hingegen bereits vor dem kantonalen Gericht nur dann anfechtbar, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (BGE 136 V 156 E. 3.2 S. 157; 132 V 93 E. 6.1 S. 106 und E. 6.3 S. 107). In der Regel keinen solchen Nachteil bewirken Zwischenverfügungen über Einwände, welche Fragen der Beweiswürdigung betreffen und daher beim Endentscheid in der Sache noch berücksichtigt werden können. Dazu gehören beispielsweise die Fragen, aus welcher medizinischen Fachrichtung ein Gutachten einzuholen ist, ob ein behandelnder Arzt als Gutachter eingesetzt werden kann, ob die vorgesehene Gutachtensperson die notwendigen Fachkenntnisse besitzt oder ob der Sachverhalt bereits hinreichend abgeklärt ist (BGE 136 V 156 E. 3.2 S. 157 f.; 132 V 93 E. 6.5 S. 108 f.).
3.
3.1 Die Beschwerdeführerin geht davon aus, dass das Urteil des Bundesgerichts vom 30. April 2009 (8C_674/2008) einer neuen Feststellung des Sachverhaltes und damit einer neuen medizinischen Begutachtung im Sinne einer res iudicata entgegensteht. Sie übersieht dabei, dass das Bundesgericht, nachdem die Generali den Fall mangels adäquatem Kausalzusammenhang auf den 30. April 2004 folgenlos hatte abschliessen wollen, den natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den geklagten Beschwerden rechtskräftig festgestellt und die Sache zu neuem Entscheid an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen hat. Gestützt darauf hat diese die übrigen Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere die Arbeitsunfähigkeit sowie gegebenenfalls die Erwerbsunfähigkeit, zu prüfen. In diesem Rahmen steht es ihr im Sinne ihrer Abklärungspflicht gemäss Art. 43 ATSG frei, die Beschwerdeführerin erneut medizinisch begutachten zu lassen. Nicht mehr zur Diskussion steht die im Verfahren 8C_674/2008 beurteilte adäquate Kausalität.
3.2 Soweit die Beschwerdeführerin hauptsächlich beantragt, die Generali sei anzuweisen, ihre Ansprüche ohne weitere medizinische Begutachtung zu beurteilen, kann auf das Begehren nicht eingetreten werden, da es weder die Zuständigkeit noch die Befangenheit betrifft, und somit die Eintretensvoraussetzungen des Art. 92 BGG nicht erfüllt sind. Ebensowenig bedeutet die erneute Begutachtung für die Beschwerdeführerin einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil oder könnte durch die Gutheissung dieses Antrages ein Endentscheid herbeigeführt werden (Art. 93 BGG).
4.
4.1 Der vorinstanzliche Entscheid ist insofern anfechtbar, als er ein Ausstandsbegehren beschlägt. Zu prüfen bleibt somit die Rüge der Befangenheit der mit der Begutachtung betrauten Institution, welche einen der gesetzlichen Ausstands- und Ablehnungsgründe darstellt.
4.2 Das kantonale Gericht hat die Rechtsgrundlagen hiefür zutreffend dargelegt. Hervorzuheben ist, dass für Sachverständige grundsätzlich die gleichen Ausstands- und Ablehnungsgründe gelten, wie sie für Richter vorgesehen sind. Danach ist Befangenheit anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit zu erwecken. Bei der Befangenheit handelt es sich allerdings um einen inneren Zustand, der nur schwer bewiesen werden kann. Es braucht daher für die Ablehnung nicht nachgewiesen zu werden, dass die sachverständige Person tatsächlich befangen ist. Es genügt vielmehr, wenn Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen. Bei der Beurteilung des Anscheins der Befangenheit und der Gewichtung solcher Umstände kann jedoch nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abgestellt werden. Das Misstrauen muss vielmehr in objektiver Weise als begründet erscheinen. Im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung, welche den Arztgutachten im Sozialversicherungsrecht zukommt, ist an die Unparteilichkeit des Gutachters ein strenger Massstab anzusetzen (BGE 132 V 93 E. 7.1 S. 109 f. mit Hinweis; SVR 2010 IV Nr. 36 S. 112, 9C_893/2009 E. 1.1 und 1.2 Ingress; 2010 IV Nr. 2 S. 3, 9C_500/2009 E. 1; vgl. auch BGE 136 I 207 E. 3.1 S. 210; Urteil 1B_22/2007 vom 29. Mai 2007 E. 3.3 und 3.4).
4.3 Unter Bezugnahme auf das von Prof. Dr. iur. M.________ und Dr. iur. R.________ verfasste "Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur medizinischen Begutachtung durch Medizinische Abklärungsstellen betreffend Ansprüche auf Leistungen der Invalidenversicherung mit Art. 6 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten" vom 11. Februar 2010 bringt die Beschwerdeführerin vor, der Inhaber der Begutachtungsstelle X.________, Dr. phil. T.________, sei ausschliesslich für Versicherungen tätig und dadurch abhängig und befangen. Dasselbe gelte auch für die bei der Institution angestellten Gutachter, denn diese seien aus arbeitsvertraglichen Gründen weisungsabhängig.
Nach der Rechtsprechung vermag auch eine ausgedehnte Begutachtungstätigkeit für die Invalidenversicherung selbst dann keine Befangenheit zu begründen, wenn die betreffende Person ihr Einkommen vollständig durch deren Gutachteraufträge erzielen sollte (vgl. auch SVR 2008 IV Nr. 22 S. 69). Damit begründet auch die ausschliessliche Tätigkeit für Versicherungen allein noch keine Befangenheit.
Im Weiteren ist es vorliegend irrelevant, wie es sich mit der Haltung des Dr. T.________ zur sogenannten "Schleudertraumarechtsprechung" des Bundesgerichts verhält, da über den Kausalzusammenhang gemäss dieser Rechtsprechung bereits mit Entscheid vom 30. April 2009 rechtskräftig entschieden wurde (E. 3.2).
Auch der von der Beschwerdeführerin vorgelegte email-Verkehr vom Oktober 2003 begründet keine Befangenheit, da daraus keine direkten Äusserungen einer der bei der Begutachtungsstelle X.________ begutachtenden Personen enthalten sind (siehe auch Urteil 8C_253/2010 vom 15. September 2010 E. 5.3).
Schliesslich ist auch die Berufung auf Art. 6 EMRK unbehelflich, bezieht sich diese doch auf Gerichtsverfahren (BGE 135 V 465 E. 4.3 S. 468), wohingegen vorliegend die Anordnung einer Begutachtung im Verwaltungsverfahren strittig ist.
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
6.
Mit dem Urteil in der Sache wird das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos (Urteil 9C_262/2010 vom 12. Juli 2010 E. 6 mit Hinweis).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 4. Mai 2011
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:
Leuzinger Schüpfer