BGer 6B_981/2010
 
BGer 6B_981/2010 vom 10.05.2011
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
6B_981/2010
Urteil vom 10. Mai 2011
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys,
Gerichtsschreiberin Binz.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Yassin Abu-Ied,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
2. X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Eric Vultier,
3. Y.________, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Karl Schroeder,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Einstellung der Untersuchung (Körperverletzung); Willkür,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 15. Oktober 2010.
Sachverhalt:
A.
A.________ wurde am 19. Mai 2008 im Rahmen einer Aktion der Stadtpolizei Zürich gegen Drogendealer in Zürich kontrolliert und verhaftet. Dabei zog er sich einen Schienbeinbruch am linken Unterschenkel zu. In der Folge erstattete er Strafanzeige gegen die handelnden Polizeibeamten wegen Körperverletzung und Amtsmissbrauch.
B.
Die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich stellte das Strafverfahren nach durchgeführter Untersuchung mit Verfügung vom 9. September 2009 ein. Dagegen rekurrierte A.________. Das Obergericht des Kantons Zürich wies den Rekurs mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 ab.
C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Einstellung des Strafverfahrens.
1.1 Der angefochtene Beschluss datiert vom 15. Oktober 2010. Betreffend die Fragen der Zuständigkeit sowie der Legitimation ist das bis zum 31. Dezember 2010 geltende Recht anwendbar (Art. 132 Abs. 1 BGG). Für die Behandlung der Beschwerde ist die Strafrechtliche Abteilung zuständig (Art. 33 lit. c des Reglements für das Bundesgericht vom 20. November 2006 [BGerR; SR 173.110.131] in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung).
Dem Beschwerdeführer kommt Opferstellung zu, da er aufgrund der erlittenen Verletzung in seiner körperlichen Integrität unmittelbar verletzt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 OHG). Er hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen (Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG). Aufgrund der Sachlage ergibt sich ohne Zweifel, welche Zivilforderungen er geltend machen könnte, und es ist klar ersichtlich, inwiefern sich der angefochtene Beschluss negativ auf diese Forderungen auswirken kann (BGE 131 IV 195 E. 1.1.1 S. 196 f. mit Hinweisen). Somit ist auf die vorliegende Beschwerde im Sinne von aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG einzutreten.
1.2 Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren mit der Begründung ein, das Vorgehen der Polizei sei rechtmässig gewesen. Zwischen dem Beschwerdeführer und einer unbekannten männlichen Person sei ein mutmasslicher Drogenhandel beobachtet worden. Bei dieser Verdachtslage sei es geboten gewesen, den Beschwerdeführer einer polizeilichen Kontrolle zu unterziehen. Insbesondere durch die Aussagen der Zeugin B.________ sei erstellt, dass er sich trotz des Tatverdachts, Betäubungsmittel versteckt zu haben, geweigert habe, zur Kontrolle den Mund zu öffnen. Mehrere der befragten Personen hätten ausgesagt, dass sich der Beschwerdeführer nicht nur passiv unkooperativ verhalten, sondern die Kontrolle aktiv erschwert habe. Er habe sich deshalb zudem dem Verdacht der Hinderung einer Amtshandlung ausgesetzt. Erst nachdem sich der Beschwerdeführer immer energischer der Kontrolle widersetzt habe, sei er gewaltsam zu Boden geführt worden. Seine Version, einer der Polizeibeamten habe ihm mehrmals von hinten gegen die Kniekehle getreten, sei von keiner der befragten Personen bestätigt worden. Zudem habe der Beschwerdeführer gegenüber den Ärzten nie von mehreren Tritten, sondern nur von "einem Schlag" bzw. "einem Tritt" gesprochen. Die Verletzung am Bein hätte auch durch eine ganz gewöhnliche Festnahmetechnik entstanden sein können (angefochtener Beschluss E. II. 1. S. 5 f.).
2.
Der Beschwerdeführer rügt die willkürliche Anwendung von kantonalem Prozessrecht sowie die Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren.
2.1 Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer setze sich kaum mit der ausführlich begründeten Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft auseinander. Nach deren Auffassung habe sich der Beschwerdeführer die Verletzung in erster Linie selber zuzuschreiben, weil er gemäss glaubwürdigen Aussagen gegen die Kontrolle bzw. Verhaftung Widerstand geleistet habe. Gänzlich unbelegt bleibe die Behauptung des Beschwerdeführers, die Verletzung könne "nur durch den direkten Schlag auf das Kniegelenk erfolgt" sein. Die Staatsanwaltschaft lege überzeugend dar, dass sich der zur Anzeige gebrachte Sachverhalt durch die vorliegenden Beweismittel nicht anklagegenügend erhärten lasse und damit eine Verurteilung der Polizeibeamten durch ein Gericht nicht als wahrscheinlich erscheine (angefochtener Beschluss E. II. 9. S. 12 f.).
2.2 Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, er habe sich nicht der Kontrolle widersetzt, sondern die Polizeibeamten hätten übermässige Gewalt gegen ihn verwendet. Er habe sich anfänglich geweigert, zu Boden zu gehen, weil er über das Vorgehen sehr befremdet gewesen sei. In diesem Moment habe ihm einer der Beamten kräftig gegen das Knie geschlagen. Für die Würdigung von Beweismitteln und die Beurteilung von Rechtsfragen sei nicht die Staatsanwaltschaft, sondern das Strafgericht zuständig. Dieses habe die Frage eines allfälligen Rechtfertigungsgrundes zu beantworten und über eine Anklage zu entscheiden.
2.3 Unter welchen Voraussetzungen ein Strafverfahren eingestellt werden darf, richtet sich vorliegend in erster Linie nach dem kantonalen Verfahrensrecht. Die am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Schweizerische Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) gelangt noch nicht zur Anwendung (Art. 453 Abs. 1 StPO).
Nach § 30 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO/ZH; aufgehoben am 1. Januar 2011) hat die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt in einer Weise abzuklären und auf dessen Strafbarkeit zu überprüfen, dass entweder Anklage erhoben oder die Untersuchung eingestellt werden kann. Sie erlässt eine begründete Einstellungsverfügung, wenn sie nach durchgeführter Untersuchung keine Anklage erheben will (§ 39 Satz 1 StPO/ZH). Eine Verfahrenseinstellung kann erfolgen, wenn es an einem hinreichenden Tatverdacht fehlt bzw. das Vorliegen eines Straftatbestands nicht genügend dargetan ist, so dass eine Verurteilung in der Hauptverhandlung nicht zu erwarten ist. Die Beurteilung der Prozessaussichten steht im pflichtgemässen Ermessen der Staatsanwaltschaft, wobei der Grundsatz "in dubio pro duriore" gilt, wonach im Zweifel Anklage zu erheben ist. Dies gründet auf der Überlegung, dass bei nicht eindeutiger Beweislage der Entscheid über einen Vorwurf nicht von den Untersuchungs- oder Anklagebehörden, sondern von den für die materielle Beurteilung zuständigen Gerichten getroffen werden soll (Urteil 6B_995/2010 vom 21. März 2011 E. 3.1 mit Hinweis).
2.4 Die Anwendung einfachen kantonalen Rechts kann gemäss Art. 95 BGG mit Beschwerde an das Bundesgericht nur gerügt werden, wenn geltend gemacht wird, sie verletze gleichzeitig das Willkürverbot von Art. 9 BV. Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 135 I 313 E. 1.3 S. 316; 135 II 356 E. 4.2.1 S. 362; je mit Hinweisen).
Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde zu begründen. Die Begründung hat in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 I 49 E. 1.4.1 S. 53; 136 I 65 E. 1.3.1 S. 68; je mit Hinweisen).
2.5 Nach Art. 123 StGB macht sich strafbar, wer vorsätzlich einen Menschen an Körper oder Gesundheit schädigt. Gemäss Art. 312 StGB werden Mitglieder einer Behörde oder Beamte bestraft, die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen Nachteil zuzufügen.
Die Staatsanwaltschaft verweist in der Einstellungsverfügung auf Art. 14 StGB. Danach verhält sich rechtmässig, wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt. Gemäss § 54 Abs. 1 Ziff. 2 StPO/ZH sind die Polizeiorgane verpflichtet, eine Person festzunehmen, die nach ihrer eigenen Wahrnehmung oder nach Mitteilung glaubwürdiger Personen eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird, sofern ein Haftgrund nach § 58 Abs. 1 oder 2 StPO/ZH gegeben ist. Bei der Festnahme und Ergreifung darf nötigenfalls Gewalt angewendet werden (§ 56 Abs. 1 Satz 1 StPO/ZH; vgl. angefochtener Beschluss E. II. 1. S. 4 f.).
Was der Beschwerdeführer gegen die Bestätigung der Einstellungsverfügung durch die Vorinstanz vorbringt, ist nicht geeignet, die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten darzulegen. Die Polizeibeamten verdächtigten den Beschwerdeführer, mit Betäubungsmitteln gehandelt und diese versteckt zu haben. Es sind keine Belastungstatsachen vorhanden, die auf eine nicht gerechtfertigte Körperverletzung bzw. einen Amtsmissbrauch durch die Polizeibeamten hindeuten. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, welche Beweismittel die Staatsanwaltschaft hätte hinzuziehen können, um den angeblich "gezielten Schlag" auf sein Kniegelenk nachzuweisen. Die Beweislage erweist sich als derart, dass die Vorinstanz mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit annehmen konnte, bei einer gerichtlichen Beurteilung sei mit einem Freispruch zu rechnen. Ihre Bestätigung der Einstellungsverfügung beruht damit nicht auf Willkür. Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss eine Befangenheit der Vorinstanz geltend macht, indem er ausführt, ein unabhängiges Gericht bzw. ein unabhängiger Richter habe die Beweise zu würdigen, ist mangels Begründung der Rüge nicht darauf einzutreten (Art. 106 Abs. 2 BGG).
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da dessen Rechtsbegehren von vornherein aussichtslos erschienen, ist sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen. Seiner finanziellen Lage ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. Mai 2011
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Mathys Binz