Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_122/2011
Urteil vom 17. Mai 2011
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg, Zaehringenstrasse 1, 1702 Freiburg,
Beschwerdeführerin,
gegen
X.________,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Bedingter Strafvollzug,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, Strafappellationshof, vom 23. November 2010.
Sachverhalt:
A.
Am 31. Januar 2008 verurteilte das Bezirksstrafgericht Sense X.________ unter anderem wegen einfacher und qualifizierter Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie falscher Anschuldigungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten und zu einer Busse von 1'500 Franken. Die Strafe wurde als teilweise Zusatzstrafe zum Urteil des Tribunal du District de Martigny/St. Maurice vom 16. Januar 1997 und als Zusatzstrafe zum Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 27. November 2000 ausgesprochen. Das Bezirksstrafgericht verpflichtete X.________ überdies zur Bezahlung einer Ersatzforderung von Fr. 500'000.-- und zog den beschlagnahmten Hanf zur Vernichtung ein. Die gegen die Verurteilung gerichtete Berufung X.________ wies der Strafappellationshof des Kantonsgerichts Freiburg am 19. März 2009 ab, soweit er darauf eintrat. Die Ersatzforderung setzte er in teilweiser Gutheissung der Berufung auf Fr. 240'851.93 fest.
Am 28. September 2009 hiess die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts die Beschwerde von X.________ teilweise gut, hob das Urteil des Strafappellationshofs vom 19. März 2009 auf und wies die Sache zur ergänzenden Sachverhaltsfeststellung und neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück (6B_498/2009). Die teilweise Gutheissung betraf (einzig) die Festsetzung der Strafe, namentlich die Frage, ob angesichts der insgesamt langen Verfahrensdauer allenfalls eine Verletzung des Beschleunigungsverbots vorliege und wie sich diese gegebenenfalls auswirke. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
B.
Im neuen Verfahren verurteilte der Strafappellationshof des Kantonsgerichts Freiburg X.________ am 23. November 2010 zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von fünf Jahren, als teilweise Zusatzstrafe zum Urteil des Tribunal du District de Martigny/St. Maurice vom 16. Januar 1997 und als Zusatzstrafe zum Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 27. November 2000, sowie zu einer Busse von Fr. 1'000.--.
Gegen dieses Urteil führen sowohl X.________ (6B_140/2011) als auch die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg (6B_122/2011) Beschwerde in Strafsachen. X.________ beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils des Strafappellationshofs des Kantonsgerichts Freiburg und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz. Die Staatsanwaltschaft verlangt, das Urteil des Strafappellationshofs sei aufzuheben. X.________ sei mit 11 Monaten Freiheitsstrafe zu bestrafen und mit Fr. 1'000.-- zu büssen, dies als Zusatzstrafe zum Urteil des Tribunal du District de Martigny/St. Maurice vom 16. Januar 1997, zum Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 27. November 2000 sowie zum Urteil des Untersuchungsrichteramts Freiburg vom 7. April 2008. Der bedingte Strafvollzug sei zu verweigern. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an den Strafappellationshof zurückzuweisen.
C.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
Erwägungen:
1.
Die kantonale Behörde muss bei einer Rückweisung ihrer neuen Entscheidung die Begründung der Kassation zugrunde legen. Das gilt im Entscheidpunkt und für weitere Fragen insoweit, als sich die bundesgerichtliche Kassation auf andere Punkte auswirkt und es der Sachzusammenhang erfordert. In diesem Umfang ist die neue Entscheidung vor Bundesgericht anfechtbar (BGE 123 IV 1 E. 1; vgl. auch BGE 135 III 334 E. 2; 131 III 91 E. 5.2).
Verfahrensgegenstand bildet vorliegend - mit Blick auf den bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheid - die Festsetzung der Strafe, insbesondere die Frage, ob eine Verletzung des Beschleunigungsgebots vorliegt und wie sich eine solche gegebenenfalls auswirkt, sowie die mit der Strafzumessung sachlich zusammenhängenden Punkte (siehe hierzu explizit BGE 117 IV 97 E. 4c).
2.
Am 1. Januar 2007 ist der neue Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches in Kraft getreten. Der Beschwerdegegner beging die inkriminierten Taten vor diesem Zeitpunkt. In Bezug auf die auszufällende Sanktion findet nach der zutreffenden und im Übrigen unangefochtenen Auffassung der Vorinstanz das neue Recht Anwendung, da es für den Beschwerdegegner - mit Rücksicht auf die erweiterten Möglichkeiten des bedingten und teilbedingten Strafvollzugs - das mildere ist (Art. 2 Abs. 2 StGB; vgl. Urteil 6B_1065/2010 vom 31. März 2010 E. 1.1 und 1.9.3).
3.
Die Staatsanwaltschaft wendet sich in ihrer Beschwerde ausschliesslich gegen die Gewährung des bedingten Strafvollzugs. Sie rügt eine Verletzung von Art. 42 Abs. 1 StGB. Die Vorinstanz habe bei der Beurteilung der Legalprognose wesentliche Faktoren ausser Acht gelassen. Zudem sei sie ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen.
3.1 Nach Art. 42 Abs. 1 StGB ist der Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und höchstens zwei Jahren in der Regel aufzuschieben, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten. Für den bedingten Vollzug genügt das Fehlen einer ungünstigen Prognose. Die Gewährung des bedingten Strafaufschubs setzt mit anderen Worten nicht die positive Erwartung voraus, der Täter werde sich bewähren, sondern es genügt die Abwesenheit der Befürchtung, dass er es nicht tun werde. Der Strafaufschub ist deshalb die Regel, von der grundsätzlich nur bei ungünstiger Prognose abgewichen werden darf. Er hat im breiten Mittelfeld der Ungewissheit den Vorrang (BGE 134 IV 97 E. 7.3; 134 IV 82 E. 4.2). Wie bei der Strafzumessung (Art. 50 StGB) müssen die Gründe für die Gewährung oder Nichtgewährung des bedingten Vollzugs der Strafe im Urteil so wiedergegeben werden, dass sich die richtige Anwendung des Bundesrechts überprüfen lässt (BGE 134 IV 1 E. 4.2.1; Urteil 6B_989/2010 vom 7. April 2011 E. 5.1). Dem Sachrichter steht bei der Prüfung der Prognose des künftigen Legalverhaltens ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift in die Beurteilung der Bewährungsaussichten nur bei Ermessensüberschreitung oder Ermessensmissbrauch ein (BGE 134 IV 140 E. 4.2 mit Hinweis; 119 IV 5 E. 2).
3.2 Die Vorinstanz legt im angefochtenen Entscheid dar, weshalb sie keine ungünstige Prognose annimmt. Sie geht zutreffend von den Verhältnissen im Zeitpunkt des zweiten angefochtenen Urteils aus. Dabei berücksichtigt sie alle für die Gewährung des bedingten Strafvollzugs massgeblichen prognoserelevanten Kriterien. Sie weist auf die auch nach Eröffnung des Strafverfahrens (anhaltende) einschlägige Delinquenz des Beschwerdegegners hin und darauf, dass sich dieser dem Kampf für die Etablierung/Legalisierung des Hanfs in der Schweiz verschrieben hat. Damit zieht sie in ihre Beurteilung mit ein, dass der Beschwerdegegner insoweit als unbeirrbar bezeichnet werden kann. Ins Zentrum ihrer Erwägungen stellt sie aber dessen Wohlverhalten. Der Beschwerdegegner habe sich seit nunmehr fünf Jahren nichts zuschulden kommen lassen. Nach ihrem Dafürhalten besteht deshalb begründete Aussicht auf Bewährung des Beschwerdegegners. Eine Schlechtprognose könne ihm nicht gestellt werden.
Mit ihrem Prognoseentscheid verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht. Dass sie dem Umstand des seit Jahren andauernden Wohlverhaltens des Beschwerdegegners bei der Gesamtwürdigung ausschlaggebendes Gewicht beimisst bzw. davon ausgeht, dieser Umstand überwiege im Ergebnis die negativen Gegenindizien (Delinquenz auch nach Eröffnung des Strafverfahrens, Unbeirrbarkeit), steht in ihrem Ermessen und ist nicht zu beanstanden. Dies gilt umso mehr, als die Vorinstanz die (wegen der andauernden Befassung des Beschwerdegegners mit Hanf) nicht auszuschliessende Gefahr eines Rückfalls mit einer maximalen Probezeit von fünf Jahren in Rechnung stellt.
Die Beschwerdeführerin vermag die vorinstanzliche Würdigung im angefochtenen Entscheid nicht in Frage zu stellen. Mit den von ihr im bundesgerichtlichen Verfahren neu eingeführten Tatsachen (Verurteilung des Beschwerdegegners vom 7. April 2008 wegen übler Nachrede, hängiges Strafverfahren unter anderem wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz) ist sie nicht zu hören. Sie hätte diese Tatsachen bereits der Vorinstanz unterbreiten können und müssen. Im vorliegenden Verfahren sind sie nicht zu beachten (BGE 135 V 194 ff.; Urteil 4A_36/2008 vom 18. Februar 2008 E. 4.1). Die Vorinstanz legt die Gründe für die Gewährung des bedingten Strafvollzugs entgegen der Beschwerde auch unter Bezugnahme auf ihre abweichende Beurteilung der Bewährungsaussichten im ersten Entscheid dar, indem sie ausdrücklich auf den seitherigen zusätzlichen Zeitablauf ("nunmehr seit fünf Jahren") verweist. Insoweit haben sich die für den Entscheid über die Vollzugsart wesentlichen Umstände zwischenzeitlich verändert. So relativiert das nunmehr seit fünf Jahren andauernde Wohlverhalten, von welchem auszugehen ist, (auch) die von der Beschwerdeführerin betonte absolute Einsichtslosigkeit des Beschwerdegegners bzw. dessen vollständige Unfähigkeit, sich in Bezug auf die Thematik Hanf in Frage zu stellen, was heute erlaubt, in Ansetzung einer Probezeit von fünf Jahren eine Schlechtprognose zu verneinen. Der Entscheid genügt damit entgegen der Beschwerde auch den rechtlichen Begründungsanforderungen. Er ist bundesrechtskonform.
4.
Die Beschwerde ist damit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Staatsanwaltschaft sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dem Beschwerdegegner ist keine Entschädigung auszurichten, da ihm keine Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren entstanden sind.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Freiburg, Strafappellationshof, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Mai 2011
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Mathys Arquint Hill