Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_111/2011
Urteil vom 24. Mai 2011
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Denys,
Gerichtsschreiber Näf.
Verfahrensbeteiligte
X.________, vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Mehrfache Hehlerei; Beweiswürdigung, Konfrontationsrecht etc.,
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 1. Dezember 2010.
Sachverhalt:
A.
Der Strafgerichtspräsident Basel-Stadt sprach X.________ mit Entscheid vom 29. Januar 2009 der mehrfachen Hehlerei (Art. 160 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 80.--, abzüglich 58 Tagessätze für 58 Tage Untersuchungshaft. Die beschlagnahmten Gegenstände wurden - mit Ausnahme einer Digitalvideokamera und eines Klimageräts - gestützt auf Art. 69 Abs. 1 StGB eingezogen.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte mit Urteil vom 1. Dezember 2010 den erstinstanzlichen Entscheid in Abweisung der von X.________ dagegen erhobenen Appellation.
B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt sei aufzuheben, er sei vom Vorwurf der mehrfachen Hehlerei freizusprechen, eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er beantragt, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Erwägungen:
1.
1.1 Die Vorinstanz geht mit der ersten Instanz von folgendem Sachverhalt aus. Zwischen März und Oktober 2004 tätigte eine Gruppe von in der Nordwestschweiz wohnhaften Personen tamilischer Herkunft um A.________ mit gefälschten, sog. geskimmten Kreditkarten nebst weiteren Versuchen erfolgreiche Transaktionen über einen Gesamtbetrag von annähernd Fr. 250'000.--. In der Zeit vom 31. August bis zum 6. September 2004 erwarben Mitglieder der Gruppe in einem Geschäft in Pratteln unter Verwendung von gefälschten Kreditkarten unter anderem ein Plasma TV-Gerät zum Preis von Fr. 5'405.-- und eine Heimkinoanlage zum Preis von Fr. 1'989.--. Der Beschwerdeführer erwarb diese Geräte nach Absprache mit A.________ Ende September 2004 für Fr. 5'000.-- und liess sie durch B.________ an seinen Wohnort liefern. Er installierte sie im Wohnzimmer zum Gebrauch. In einer weiteren Aktion erwarben Mitglieder der Gruppe am 15. und 16. Oktober 2004 in einem Geschäft in Basel unter Verwendung von gefälschten Kreditkarten nebst weiteren Unterhaltungselektronikartikeln zwei Plattenspieler, drei Mischpulte, zwei Keyboards und zwei Paar Lautsprecher zum Preis von insgesamt Fr. 12'634.--. Der Beschwerdeführer nahm diese Gegenstände von B.________ originalverpackt zur weiteren Lagerung im Keller an seinem Wohnort entgegen. Die vom Beschwerdeführer erworbenen und gelagerten Gegenstände wurden anlässlich der Hausdurchsuchung vom 26. Oktober 2004 beschlagnahmt.
1.2 Der Beschwerdeführer machte stets geltend, er habe weder gewusst noch annehmen müssen, dass die Gegenstände deliktischer Herkunft seien. Das Plasma TV-Gerät und die Heimkinoanlage habe nicht er, sondern sein in Holland lebender Bruder C.________ anlässlich eines Besuchs in der Schweiz erworben. Da der Bruder anschliessend nach Indien weitergereist sei, habe dieser die beiden Geräte vorübergehend in seiner Wohnung installiert. Bei seiner Rückkehr werde der Bruder die Geräte jedoch nach Holland mitnehmen. Er sei davon ausgegangen, dass sein Bruder die beiden Gegenstände rechtmässig käuflich erworben habe. In Bezug auf die im Keller gelagerten Gegenstände habe ihm B.________ versichert, dass diese käuflich erworben worden seien, und ihm entsprechende Quittungsbelege vorgelegt.
2.
Die Beschwerdegegnerin stellte gleichzeitig mit der Erhebung der Anklage betreffend die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Handlungen mit Beschluss vom 9. März 2007 das Verfahren in verschiedenen weiteren Punkten ein, auch weil der Beschwerdeführer den rechtmässigen Erwerb der Gegenstände belegen konnte. Dies erweckt indessen entgegen einem nicht näher begründeten Einwand in der Beschwerdeschrift nicht den Eindruck, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Handlungen in Verletzung der aus der Unschuldsvermutung (Art. 6 EMRK) abgeleiteten Beweislastregel deshalb schuldig gesprochen worden sei, weil er insoweit seine Unschuld nicht habe beweisen können. Der Beschwerdeführer zeigt denn auch in seiner Beschwerdeschrift nicht auf, aus welchen Erwägungen im angefochtenen Urteil beziehungsweise im erstinstanzlichen Entscheid, auf welchen die Vorinstanz im Übrigen verweist, sich solches ergeben soll.
3.
3.1 Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz stützen sich unter anderem auf im Rahmen einer Überwachung des Fernmeldeverkehrs aufgezeichnete Telefongespräche, die einerseits zwischen dem Telefonanschluss von B.________ und dem Anschluss von A.________ und andererseits zwischen dem Anschluss von B.________ und dem Anschluss des Beschwerdeführers geführt wurden. Der Beschwerdeführer machte im kantonalen Verfahren geltend, die Gespräche von seinem Mobiltelefon aus habe zumindest teilweise nicht er, sondern sein Bruder geführt, welcher das Mobiltelefon habe verwenden dürfen, wenn er in der Schweiz gewesen sei. Er könne aufgrund der Tonbandaufzeichnungen nicht erkennen, wer spreche. Soweit in den Telefongesprächen zwischen den Anschlüssen von B.________ und A.________ der Name "D.________" gefallen sei, sei nicht er, der Beschwerdeführer (X.________), sondern sein Bruder C.________ oder eine Drittperson mit ähnlichem Namen gemeint gewesen. Zum Beweis seiner Behauptung, dass nicht er der Gesprächspartner gewesen sei, beantragte er einen gutachterlichen Stimmenvergleich.
3.2 Die Vorinstanz setzt sich mit diesen Einwänden des Beschwerdeführers ausführlich auseinander. Sie kommt nach eingehender Würdigung zum Schluss, dass der Beschwerdeführer und nicht eine Drittperson die abgehörten Telefongespräche mit B.________ geführt hat und dass der Beschwerdeführer gemeint ist, soweit in den zwischen den Anschlüssen von B.________ und A.________ geführten Gesprächen der Name "D.________" erwähnt wird. Die Vorinstanz stützt diese Schlussfolgerungen auf das Aussageverhalten des Beschwerdeführers, das sie als ausweichend, zögerlich und teilweise widersprüchlich qualifiziert, auf den Inhalt der abgehörten Telefongespräche sowie auf die Aussagen von B.________, und sie verzichtet in antizipierter Beweiswürdigung auf weitere Beweisvorkehrungen.
3.3 Der Beschwerdeführer wendet ein, es sei entgegen den Feststellungen der Vorinstanz durchaus möglich, dass sein Bruder das Mobiltelefon verwendet habe. Um dies auszuschliessen, hätte die Stimme in den aufgezeichneten Telefongesprächen mit der Stimme seines Bruders gutachterlich verglichen werden müssen. Da dies unterblieben sei, könne nicht zweifelsfrei gesagt werden, dass er die abgehörten Gespräche geführt habe. Eine andere Würdigung der Beweise bedeute eine offensichtliche Verletzung der Unschuldsvermutung. Der Beschwerdeführer macht zudem geltend, dass sich die tamilische Sprache nicht einfach und ohne weiteres in die deutsche Sprache übersetzen lasse. So bestünden vorliegend beispielsweise Unklarheiten, ob in einem Telefongespräch von der "Ehefrau" (des Beschwerdeführers) oder allgemein von einer "Frau" die Rede gewesen und um wessen Fahrrad es in einem bestimmten Telefongespräch gegangen sei.
Was der Beschwerdeführer damit vorbringt, erschöpft sich in unzulässiger appellatorischer Kritik an der Beweiswürdigung. Er verkennt zudem, dass das Bundesgericht nur zu prüfen hat, ob die Beweiswürdigung der Vorinstanz willkürlich ist. Inwiefern dies vorliegend zutreffe, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist nicht ersichtlich. Dass die Vorinstanz die Aussagen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft qualifiziert, bedeutet entgegen dessen Meinung nicht, dass sie ihm in unzulässiger Weise die Beweislast für seine Unschuld auferlegt und gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstossen habe.
4.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Aussagen des Belastungszeugen B.________ seien nicht verwertbar, da er nie mit diesem Zeugen direkt konfrontiert worden sei.
4.1 Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte Anspruch des Angeschuldigten, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Mit der Garantie soll ausgeschlossen werden, dass ein Strafurteil auf Aussagen von Zeugen abgestützt wird, ohne dass dem Angeschuldigten wenigstens einmal angemessene und hinreichende Gelegenheit gegeben wurde, das Zeugnis in Zweifel zu ziehen und Fragen an den Zeugen zu stellen. Aussagen von Zeugen und Auskunftspersonen dürfen in der Regel nur nach erfolgter Konfrontation zum Nachteil des Angeschuldigten verwertet werden. Dem Anspruch, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, kommt insofern grundsätzlich ein absoluter Charakter zu. Er erfährt in der Praxis aber eine gewisse Relativierung. Er gilt uneingeschränkt nur, wenn dem streitigen Zeugnis alleinige oder ausschlaggebende Bedeutung zukommt, dieses also den einzigen oder einen wesentlichen Beweis darstellt. Auf eine Konfrontation des Angeklagten mit dem Belastungszeugen oder auf die Einräumung der Gelegenheit zur ergänzenden Befragung des Zeugen kann unter besonderen Umständen verzichtet werden, so etwa, wenn der Zeuge inzwischen verstorben ist oder trotz angemessener Nachforschungen unauffindbar blieb (siehe zum Ganzen BGE 131 I 476 E. 2.2; 124 I 274 E. 5b, je mit Hinweisen).
4.2 Die Vorinstanz kommt unter Berufung auf diese Rechtsprechung zum Ergebnis, dass die Aussagen des Zeugen B.________ auch ohne erfolgte direkte Konfrontation als ergänzende Beweismittel herangezogen werden dürfen. Zur Begründung hält sie fest, der aus Sri Lanka stammende B.________ sei verurteilt und in der Folge aus der Schweiz ausgeschafft worden. Sein genauer Aufenthaltsort sei nicht bekannt und seine Ladung daher nicht möglich. Eine direkte Konfrontation mit B.________ sei somit sowohl anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung als auch anlässlich der Appellationsverhandlung unmöglich gewesen. Dass bisher keine Konfrontationseinvernahme durchgeführt worden sei, könne aber auch den Strafverfolgungsbehörden nicht angelastet werden. Zur Begründung hiefür hält die Vorinstanz fest, dem Beschwerdeführer seien anlässlich seiner staatsanwaltlichen Einvernahme vom 23. Dezember 2004 Sachverhalte mit einem Bezug zu B.________ vorgehalten worden. Zu jenem Zeitpunkt habe sich dieser noch in der Schweiz befunden. Obschon der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer anlässlich der Einvernahme vom 23. Dezember 2004 Kenntnis von ihn belastenden Aussagen von B.________ erhalten habe, habe er keinen Antrag auf Durchführung einer Konfrontationseinvernahme gestellt. Er habe es somit unterlassen, eine solche rechtzeitig und formgerecht zu beantragen.
Mit diesen Erwägungen qualifiziert die Vorinstanz das Verhalten des Beschwerdeführers entgegen dessen Einwänden weder als Verstoss gegen Treu und Glauben noch als Verzicht auf eine Konfrontationseinvernahme. Die Vorinstanz bringt vielmehr zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag nicht bereits anlässlich seiner staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 23. Dezember 2004 und daher nicht rechtzeitig gestellt habe. Dagegen wendet der Beschwerdeführer ein, gemäss der damals geltenden Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt habe vor dem erstinstanzlichen Strafgericht ein weitestgehend uneingeschränktes Unmittelbarkeitsprinzip gegolten. Dabei habe die Praxis ergeben, dass grundsätzlich auf Konfrontationen in der Voruntersuchung verzichtet und solche erst im Rahmen der erstinstanzlichen mündlichen Hauptverhandlung durchgeführt worden seien. Wenn, wie im vorliegenden Fall, ein Zeuge allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr befragt werden könne, so sei es an den Strafverfolgungsbehörden, den entsprechenden Beweis so zu sichern, dass er im Rahmen einer richterlichen Beurteilung verwertet werden könne. Im Übrigen entziehe es sich grundsätzlich der Kenntnis eines Angeschuldigten und seiner Verteidigung, wann und wie lange eine entsprechende Konfrontation faktisch noch möglich sein werde.
4.3 Den Aussagen von B.________ kommt keine ausschlaggebende Bedeutung im Sinne der zitierten Rechtsprechung zum Konfrontationsrecht zu. Bereits aus dem Aussageverhalten des Beschwerdeführers und aus dem Inhalt der zwischen den Telefonanschlüssen von B.________ und des Beschwerdeführers geführten Telefongespräche ergibt sich, dass der Beschwerdeführer und nicht sein Bruder oder eine Drittperson diese Gespräche führten und es somit der Beschwerdeführer war, welcher das Plasma TV-Gerät und die Heimkinoanlage erworben hatte, die anlässlich der Hausdurchsuchung in seiner Wohnung beschlagnahmt wurden. Dies stellt die erste Instanz denn auch in ihrem Urteil vom 29. Januar 2009 (S. 13) unmissverständlich fest. Die Aussagen von B.________ dienten lediglich dazu, das Beweisergebnis zu stützen, und wurden als zusätzliches Indiz dafür verwendet, dass der Beschwerdeführer die in seiner Wohnung beschlagnahmten Geräte erwoben hatte (erstinstanzliches Urteil S. 13). Sie stellen gemäss den Erwägungen der Vorinstanz bloss ein ergänzendes Beweismittel dar (angefochtenes Urteil S. 4). Zur Zeit der erstinstanzlichen Hauptverhandlung und der Appellationsverhandlung war B.________ bereits ausgeschafft und eine Konfrontationseinvernahme daher unstreitig nicht möglich. Der Beschwerdeführer erhielt bereits im Verlauf der Strafuntersuchung Kenntnis davon, dass er durch die Aussagen von B.________ belastet wurde. Er unterliess es aber, die Durchführung einer Konfrontationseinvernahme zu beantragen, welche ohne weiteres möglich gewesen wäre. Unter diesen Umständen sind die Aussagen von B.________ auch ohne Konfrontation verwertbar.
5.
Der Beschwerdeführer behauptet, er habe der Lagerung der originalverpackten Gegenstände in seinem Keller erst zugestimmt, nachdem ihm B.________ auf sein Verlangen hin die Kaufbelege gezeigt habe. Angesichts dieser Belege habe er nicht annehmen müssen, dass die Gegenstände durch strafbare Handlungen gegen das Vermögen erlangt worden seien.
Der Einwand ist unbegründet. Belege werden beispielsweise auch produziert, wenn Gegenstände - wie im vorliegenden Fall - unter Verwendung von gefälschten Kreditkarten käuflich erworben werden.
6.
Der Beschwerdeführer ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Das Gesuch ist abzuweisen, da die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg hatte. Somit hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. Mai 2011
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Mathys Näf