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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_919/2010
Urteil vom 25. Mai 2011
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann, Seiler,
Gerichtsschreiber Uebersax.
Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Werner Bodenmann,
gegen
Migrationsamt des Kantons Thurgau, Schlossmühlestrasse 7, 8510 Frauenfeld,
Departement für Justiz und Sicherheit
des Kantons Thurgau, Regierungsgebäude, 8500 Frauenfeld.
Gegenstand
Familiennachzug,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 20. Oktober 2010.
Erwägungen:
1.
1.1 Die mazedonische Staatsangehörige X.________, geb. 1983, lebt seit 1990 in der Schweiz und verfügt über die Niederlassungsbewilligung. Im Juli 2006 verheiratete sie sich ein erstes Mal; die Ehe wurde im März 2008 geschieden.
1.2 Y.________, geb. 1978 und ebenfalls mazedonischer Staatsangehöriger, reiste erstmals im Juli 2002 in die Schweiz ein und stellte hier ein Asylgesuch. Dieses wurde im April 2003 abgewiesen. Im Juni sowie im Oktober 2003 wurden zwei Wiedererwägungsgesuche ebenfalls abgewiesen. Nach eigenen Angaben reiste er danach nach Mazedonien aus. Nachdem er im Jahre 2008 bei einer Kontrolle auf einer Baustelle in Vevey angehalten worden war, gab er an, anfangs 2007 wieder in die Schweiz gelangt zu sein, wo er bei einer Frau lebte, die ihn im März 2008 gegenüber den Behörden als ihren "copain" bezeichnete. In der Folge wurde Y.________ aus der Schweiz weggewiesen, und er reiste im Mai 2008 aus.
1.3 Im August 2008 heirateten X.________ und Y.________, nachdem sie sich ein Jahr zuvor kennen gelernt hatten. Am 2. Oktober 2008 stellte X.________ das Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Familiennachzug an ihren Ehemann Y.________. Das Migrationsamt des Kantons Thurgau lehnte dieses Gesuch ab mit der hauptsächlichen Begründung, die Ehe sei einzig zur Umgehung der ausländerrechtlichen Bestimmungen eingegangen worden.
1.4 Dagegen erhobene Rechtsmittel beim Departement für Justiz und Sicherheit sowie beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau blieben erfolglos.
1.5 Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 29. November 2010 an das Bundesgericht beantragt X.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2010 sowie die Entscheide des Departements und des Migrationsamts aufzuheben, das Nachzugsgesuch für Y.________ gutzuheissen und diesem eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
1.6 Das Departement und das Verwaltungsgericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Die Stellungnahme des Bundesamts für Migration erfolgte verspätet und ist aus diesem Grund aus dem Recht zu weisen.
2.
2.1 Der Ehemann der in der Schweiz niedergelassenen Beschwerdeführerin hat Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung, sofern er mit seiner Ehefrau zusammenwohnt (Art. 43 Abs. 1 AuG). Gegen den angefochtenen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid des Verwaltungsgerichts steht daher die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführerin ist insofern auch zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).
2.2 Vor dem Bundesgericht anfechtbar ist allerdings einzig das kantonal letztinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), das die unterinstanzlichen Entscheide ersetzt (sog. Devolutiveffekt); nur insoweit kann daher auf die Beschwerde eingetreten werden. Immerhin gelten die Entscheide der unteren Instanzen als inhaltlich mitangefochten (vgl. BGE 134 II 142 E. 1.4 S. 144; 129 II 438 E. 1 S. 441).
3.
3.1 Gemäss Art. 51 Abs. 2 lit. a AuG erlöschen die Ansprüche (unter anderem) nach Art. 43 AuG, wenn sie rechtsmissbräuchlich geltend gemacht werden, namentlich um Vorschriften des Ausländergesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen über die Zulassung und den Aufenthalt zu umgehen. Erfasst wird davon insbesondere die so genannte Scheinehe bzw. Ausländerrechtsehe. Ein Bewilligungsanspruch entfällt demnach, wenn zum Vornherein nie der Wille bestand, eine dauerhafte Gemeinschaft zu begründen, und der einzige Zweck der Heirat darin liegt, dem Ausländer zu einer ausländerrechtlichen Bewilligung zu verhelfen (vgl. BGE 127 II 49 E. 4a S. 55 mit Hinweisen).
3.2 Das Vorliegen einer Ausländerrechtsehe darf nicht leichthin angenommen werden (vgl. BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 151). Ob eine solche geschlossen wurde, entzieht sich oft einem direkten Beweis und ist bloss durch Indizien zu erstellen. Feststellungen des kantonalen Richters über das Bestehen von solchen Hinweisen können äussere Gegebenheiten, aber auch innere psychische Vorgänge betreffen (Wille der Ehegatten). In beiden Fällen handelt es sich um tatsächliche Feststellungen, welche für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich sind (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.). Frei zu prüfen ist dagegen die Rechtsfrage, ob die festgestellten Tatsachen (Indizien) darauf schliessen lassen, die Berufung auf die Ehe sei rechtsmissbräuchlich oder bezwecke die Umgehung fremdenpolizeilicher Vorschriften (BGE 128 II 145 E. 2.3 S. 152 mit Hinweisen). Erforderlich ist, dass der Wille zur Führung einer Lebensgemeinschaft - zumindest bei einem der Ehepartner - von Anfang an nicht gegeben war (vgl. BGE 121 II 97 E. 3b S. 101 f. mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 2C_244/2010 vom 15. November 2010 E. 2).
4.
4.1 Die Beschwerdeführerin beanstandet die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz als willkürlich bzw. offensichtlich unrichtig. Sie setzt ein grosses Gewicht auf die Berücksichtigung des mazedonischen Kulturkreises und will gestützt darauf den Ablauf der Ereignisse anders würdigen als das Verwaltungsgericht. Überdies sei es ihr aufgrund ihrer beruflichen Betätigung nicht möglich gewesen, ihren Ehemann häufiger oder länger in Mazedonien zu besuchen. Sodann habe das Verwaltungsgericht dessen Besuchsaufenthalt im Jahre 2010 nur ungenügend berücksichtigt.
4.2 Die Vorinstanz hat nicht übersehen, dass es dem Ehemann der Beschwerdeführerin nicht ohne weiteres möglich war, in die Schweiz zu kommen. Unbeachtet blieb auch nicht die berufliche Situation der Beschwerdeführerin. Das Verwaltungsgericht hielt dazu indessen fest, sie gebe keine Erklärung, weshalb sie ihren Ehemann nicht vermehrt besucht habe, und es seien keine zwingenden Hindernisse ersichtlich, die dem entgegengestanden wären. Diese Feststellungen sind weder aktenwidrig noch sonst wie unhaltbar. Auch der Besuchsaufenthalt des Ehemannes im Jahre 2010 blieb nicht gänzlich unberücksichtigt. Zwangsläufig konnte die Vorinstanz davon allerdings nur bedingt Kenntnis haben, nachdem der Besuch offenbar teilweise nach Beschwerdeeinreichung vor dem Verwaltungsgericht stattfand. Es wäre an der Beschwerdeführerin gelegen, rechtzeitig deutlich darauf hinzuweisen. Im Übrigen sind die massgeblichen Umstände nicht wirklich strittig. Im Wesentlichen bestreitet die Beschwerdeführerin denn eigentlich auch nicht die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, sondern deren Würdigung der Umstände.
4.3 Die Ehegatten haben sich im August 2007 kennen gelernt. Der Ehemann lebte damals illegal in der Schweiz, und die Beschwerdeführerin war noch in erster Ehe verheiratet, aber in Trennung. Im Frühling 2008 lebte der Ehemann noch bei einer anderen Frau, die ihn als "copain" bezeichnete. Im Mai 2008 wurde er behördlich angehalten und musste nach Mazedonien ausreisen. Anfang August 2008 haben sich die Eheleute zum zweiten Mal getroffen, nachdem es in der Zwischenzeit offenbar keinen Kontakt gab, und bereits eine Woche später geheiratet. Anfang Oktober 2008, kurz nach Erhalt der Ehepapiere, erging das Gesuch um Familiennachzug. Erst im August 2009 wurde eine Hochzeitsfeier abgehalten. Die Eheleute verbrachten nur wenige Wochen zusammen und kennen gegenseitig kaum Details aus dem Leben des anderen. Aus diesem Ablauf leitete die Vorinstanz zu Recht eine Reihe von Indizien für eine Scheinehe ab: Die Ehegatten kannten sich im Zeitpunkt der Eheschliessung nicht und lernten sich auch seither kaum kennen. Der Entschluss zur Eheschliessung erfolgte kurzfristig, nachdem der Ehemann, der schon vermehrt versucht hatte, in die Schweiz zu gelangen, diese aufgrund seines illegalen Aufenthaltes kurz vorher hatte verlassen müssen. Eine Hochzeitsfeier wurde erst durchgeführt, nachdem die Behörden Zweifel an der Echtheit der Ehe bekundet hatten. Die Ehegatten lebten nur selten zusammen und scheinen keine besonderen Anstrengungen unternommen zu haben, ihr Eheleben zu intensivieren. Diese Umstände lassen sich nicht allein mit der beruflichen Belastung und insbesondere mit der angeblichen mazedonischen Lebensweise und Kultur erklären, zumal die Beschwerdeführerin keine Belege dafür eingereicht hat oder anruft. Im Übrigen steht das auch in einem gewissen Gegensatz dazu, dass sie selbst im Alter von sieben Jahren in die Schweiz gelangt und hier hauptsächlich aufgewachsen ist und nunmehr seit über 20 Jahren hier lebt. Gerade wenn sie trotz der inzwischen recht langen Anwesenheit in der Schweiz an ihrer Herkunftskultur festhalten sollte, vermöchte sie deren Besonderheiten in nachvollziehbarer Weise zu erläutern und zu belegen. Der bloss allgemeine Hinweis auf die heimatliche Kultur, wie er wiederholt vorgetragen wird, genügt dafür nicht.
4.4 Die Vorinstanz ging daher zu Recht davon aus, dass zumindest auf Seiten des Ehemannes kein echter Wille zur Führung einer Lebensgemeinschaft vorhanden ist, womit es sich um eine Scheinehe handelt. Unter diesen Umständen liegen auch keine intakten und tatsächlich gelebten ehelichen Beziehungen vor, weshalb die Beschwerdeführerin sich nicht auf Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV berufen kann. Damit ist nicht zu prüfen ist, ob die entsprechenden Eingriffsvoraussetzungen (nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK bzw. nach Art. 36 BV) erfüllt wären.
5.
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Migrationsamt, dem Departement für Justiz und Sicherheit sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. Mai 2011
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Zünd Uebersax