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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C_1016/2010
Urteil vom 30. Mai 2011
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Traub.
Verfahrensbeteiligte
B.________, geboren 1995,
handelnd durch ihre Mutter,
und diese vertreten durch lic. iur. S.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Stiftung Auffangeinrichtung BVG,
Direktion, Birmensdorferstrasse 83, 8032 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Berufliche Vorsorge,
Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 16. Oktober 2010.
Sachverhalt:
A.
R.________ war von Dezember 1998 bis Juli 2002 bei der Firma M.________ GmbH tätig und in dieser Eigenschaft bei der Bâloise-Sammelstiftung für die obligatorische berufliche Vorsorge versichert. Auf den 1. August 2002 trat R.________ in die U.________ AG ein; hierdurch war er bei der Pensionskasse comPlan versichert. Am 10. April 2003 überwies die Bâloise-Sammelstiftung das aufgelaufene Freizügigkeitsguthaben an die Stiftung Auffangeinrichtung BVG. R.________ verstarb am 30. November 2006; er hinterliess seine Tochter B.________ (geb. 1995) als Alleinerbin. Mit Schreiben vom 4. Mai 2007 forderte die Pensionskasse comPlan die Stiftung Auffangeinrichtung BVG auf, ihr die bei Eintritt des R.________ in die U.________ AG nicht eingebrachte Freizügigkeitsleistung zu überweisen. Am 5. Mai 2007 ersuchte auch B.________ die Stiftung Auffangeinrichtung BVG um Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens. Die Auszahlung erfolgte an die Pensionskasse comPlan.
B.
B.________ erhob beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich gegen die Stiftung Auffangeinrichtung BVG Klage auf Zahlung des Betrages von Fr. 155'765.05, zuzüglich Zinsen von 5 Prozent seit dem 14. Mai 2007. Das kantonale Gericht trat mit der Begründung, es sei örtlich unzuständig, auf die Klage nicht ein; die Akten würden nach Eintritt der Rechtskraft an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zur Beurteilung der Klage überwiesen (Beschluss vom 16. Oktober 2010).
C.
B.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Vorinstanz zu verpflichten, auf die Klage einzutreten und das Verfahren ordentlich fortzusetzen. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, die Stiftung Auffangeinrichtung BVG sowie das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
1.1 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid über die Zuständigkeit. Hiergegen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a und 92 Abs. 1 BGG).
1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden, weshalb es die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen kann (BGE 134 III 102 E. 1.1 S. 104; 132 II 47 E. 1.3 S. 50 mit Hinweisen).
2.
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Vorinstanz ihre örtliche Zuständigkeit zu Recht verneint hat.
2.1
2.1.1 Nach Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BVG bezeichnet jeder Kanton ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet. Die sachliche Zuständigkeit dieses Gerichtes erstreckt sich unter anderem auch auf Streitigkeiten mit Freizügigkeitseinrichtungen (Art. 73 Abs. 1 lit. a BVG). Zu diesen gehört die Auffangeinrichtung, soweit sie Freizügigkeitskonten führt (Art. 60 Abs. 5 BVG; Meyer/Uttinger, in: Schneider/Geiser/Gächter [Hrsg.], Handkommentar zum BVG und FZG, Art. 73 N 14 ff.).
2.1.2 Art. 73 Abs. 3 BVG regelt die örtliche Zuständigkeit für die Entscheidung von Streitigkeiten berufsvorsorgerechtlicher Natur. Gerichtsstand ist demnach der schweizerische Sitz oder Wohnsitz des Beklagten oder der Ort des Betriebes, bei dem der Versicherte angestellt wurde. Die Bestimmung überlässt der jeweils klagenden Partei die Wahl des Gerichtsstandes (SVR 2006 BVG Nr. 17 S. 61 E. 2.3, B 93/04, mit Hinweisen auf die Doktrin).
2.2 Das kantonale Gericht verneinte seine örtliche Zuständigkeit mit der Begründung, der Sitz der Beklagten - der Stiftung Auffangeinrichtung BVG - befinde sich nicht im Kanton Zürich, sondern in Bern. Die Tatsache, dass die Auffangeinrichtung BVG in Zürich eine Geschäftsstelle unterhalte, reiche nicht aus, um eine Zuständigkeit an diesem Ort zu begründen. Auch der Ort des Betriebes, bei dem der Versicherte angestellt war, begründe nicht die Zuständigkeit des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich. Die streitgegenständliche Forderung beziehe sich nicht auf ein bei der Beschwerdegegnerin versichertes Arbeitsverhältnis. Der Gerichtsstand richte sich daher einzig nach dem Sitz der beklagten Auffangeinrichtung im Kanton Bern.
2.3
2.3.1 Das kantonale Gericht hat zu Recht festgehalten, dass die Geschäftsstelle der Stiftung Auffangeinrichtung BVG in Zürich keinen Sitz im Sinne von Art. 73 Abs. 3 BVG bedeutet (vgl. Urteil des Bundesgerichts B 126/05 vom 24. Mai 2006 E. 3.3). Die Beschwerdeführerin anerkennt denn auch, dass die Stiftung ihren Sitz in Bern hat.
Zu prüfen bleibt, ob im Kanton Zürich unter einem anderen Titel ein Wahlgerichtsstand besteht.
2.3.2 Die Beschwerdeführerin begründet ihre Auffassung, die Vorinstanz sei örtlich zuständig, damit, ihr Vater - der verstorbene Berechtigte am Freizügigkeitsguthaben - habe den eingeklagten Anspruch im Zeitraum Dezember 1998 bis November 2006 durchwegs im Rahmen von im Kanton Zürich ausgeübten Tätigkeiten erworben. Der Gerichtsstand bei der Vorinstanz kann jedoch, wie diese zu Recht erwogen hat, nicht aus diesem Umstand abgeleitet werden. Es fehlt der in Art. 73 Abs. 3 BVG vorausgesetzte innere Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand (hier: der eingeklagten Forderung gegen die Freizügigkeitseinrichtung) und dem Ort des Betriebes, bei dem der Versicherte angestellt war. Hinzu kommt, dass sich ein Freizügigkeitsguthaben häufig aus mehreren Arbeits- bzw. Vorsorgeverhältnissen alimentiert. Lagen die jeweiligen Betriebsorte in verschiedenen Kantonen, so bestünden, wollte man der in der Beschwerdeschrift vertretenen Betrachtungsweise folgen, entsprechend viele Gerichtsstände. Diese Konsequenz wäre offenkundig nicht mehr vom Schutzgedanken der genannten Bestimmung gedeckt (dazu sogleich E. 2.3.3).
2.3.3 Somit kann der in Art. 73 Abs. 3 BVG alternativ genannte Ort des Betriebes, bei dem der Versicherte angestellt wurde, im vorliegenden Kontext nicht gerichtsstandsbegründend sein.
Indessen hat das Bundesgericht im Zusammenhang mit Streitigkeiten der gebundenen Vorsorge festgestellt, dass der Verfahrensgrundsatz des einfachen und raschen Verfahrens und der in Art. 73 Abs. 3 BVG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille, einen alternativen Gerichtsstand zur Verfügung zu stellen, es nicht zulassen, dass die rechtsuchende Person auf einen alleinigen Gerichtsstand am Sitz der beklagten Partei verwiesen wird (Urteil 9C_944/2008 vom 30. März 2009). Bei Inkrafttreten des BVG war die Gerichtsstandsregelung von Art. 73 Abs. 3 BVG auf die damalige sachliche Zuständigkeit gemäss Abs. 1 (Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten) abgestimmt. Spätere Gesetzesrevisionen erweiterten diese zunächst auf Streitigkeiten über Verantwortlichkeitsansprüche nach Art. 52 BVG und über den Rückgriff nach Art. 56a Abs. 1 BVG (Änderung des BVG vom 21. Juni 1996, AS 1996 3069; Art. 73 Abs. 1 lit. c und d BVG in der heute geltenden Fassung), sodann auf Streitigkeiten mit Einrichtungen, welche der Erhaltung der Vorsorge im Sinne der Art. 4 Abs. 1 und 26 Abs. 1 FZG dienen, sowie auf Streitigkeiten mit Einrichtungen, welche sich aus der Anwendung von Art. 82 Abs. 2 BVG ergeben (Änderung des BVG vom 3. Oktober 2003 [1. BVG-Revision], AS 2004 1693; Art. 73 Abs. 1 lit. a und b BVG). Bei diesen Revisionen wurde über Anpassungen von Art. 73 Abs. 3 BVG nicht diskutiert (erwähntes Urteil 9C_944/2008 E. 5.3 mit Hinweisen auf die Materialien). Mit Bezug auf Streitsachen betreffend die gebundene Vorsorge (vgl. Art. 1 BVV 3; SR 831.461.3) gemäss Art. 73 Abs. 1 lit. b BVG schloss das Bundesgericht, es sei dem Gesetzgeber entgangen, dass die Gerichtsstandsalternative "Ort des Betriebes, bei dem der Versicherte angestellt wurde" in diesem Rahmen nicht anwendbar ist. Art. 73 Abs. 3 BVG verfolgt - vor dem Hintergrund des Prinzips des einfachen und raschen Verfahrens (Abs. 2) - den Zweck, den Zugang zum Gericht im sachlichen Zuständigkeitsbereich gemäss Abs. 1 möglichst zu vereinfachen. Aus diesem Grund wird hinsichtlich von Streitigkeiten im Gebiet der gebundenen Vorsorge entgegen dem Wortlaut von Art. 73 Abs. 3 BVG ein alternativer Gerichtsstand am Wohnsitz des Versicherungsnehmers anerkannt (Urteil 9C_944/2008 E. 5.4).
Infolge der verfahrensmässig vergleichbaren Ausgangslage muss auch mit Bezug auf eine Streitigkeit mit einer Freizügigkeitseinrichtung (Art. 73 Abs. 1 lit. a BVG) gelten, dass die versicherte Person - respektive hier deren Rechtsnachfolgerin - bei dem am eigenen Wohnsitz zuständigen Berufsvorsorgegericht Klage führen kann.
2.3.4 Somit ist das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich für die Beurteilung der Klage der in X.________/ZH wohnhaften Beschwerdeführerin örtlich zuständig.
3.
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde ist gegenstandslos.
4.
Tritt die Vorinstanz zu Unrecht nicht auf ein Rechtsmittel ein, so sind die Gerichtskosten für das bundesgerichtliche Verfahren grundsätzlich der gegnerischen Verfahrenspartei aufzuerlegen. Nach dem Verursacherprinzip richtet sich die Verlegung der Gerichtskosten und der Parteientschädigung nur, wenn die Pflicht zur Justizgewährleistung qualifiziert verletzt wurde (Urteil 9C_251/2009 vom 15. Mai 2009 E. 2.1 mit Hinweisen). Dies trifft hier nicht zu. Somit sind die Gerichtskosten der Stiftung Auffangeinrichtung BVG aufzuerlegen. Diese hat der obsiegenden Beschwerdeführerin überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 66 Abs. 1 und 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 16. Oktober 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 30. Mai 2011
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Meyer Traub