Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_234/2011
Urteil vom 18. Juli 2011
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiberin Horber.
Verfahrensbeteiligte
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Olivier Dollé,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Grobe Verletzung von Verkehrsregeln,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 15. Februar 2011.
Sachverhalt:
A.
Am 13. Mai 2009 erstattete A.________ Strafanzeige gegen eine unbekannte Person. Diese habe am 30. April 2009 ca. um 07.20 Uhr auf der Autobahn A3 in Fahrtrichtung Zürich in der Nähe der Ausfahrt Richterswil mit einem anthrazitfarbenen Ford Kuga mit Kennzeichen SZ 1.________ ein gefährliches Überholmanöver durchgeführt. Er selber sei zu dieser Zeit mit seinem Fahrzeug sowie zwei Mitfahrerinnen auf dem Überholstreifen gefahren. Der unbekannte Fahrer sei nahe zu ihm aufgeschlossen, habe dann auf die rechte Fahrspur gewechselt, beschleunigt, sei an ihm vorbeigezogen und vor ihm wieder links auf die Überholspur eingeschwenkt, wobei zwischen den beiden Fahrzeugen lediglich ca. ein Meter Abstand bestanden habe. Um eine Kollision zu vermeiden, habe er, A.________, stark bremsen und etwas nach links ausweichen müssen. Der fehlbare Lenker sei weiter gefahren und habe die Autobahn bei der Ausfahrt Wädenswil verlassen (vorinstanzliche Akten, act. 2).
Als Halter des besagten Fahrzeugs konnte X.________ ausfindig gemacht werden. Dieser bestreitet, das Überholmanöver vorgenommen zu haben, räumt indessen ein, zum fraglichen Zeitpunkt auf der genannten Strecke gefahren zu sein (vorinstanzliche Akten, act. 4/1 S. 1 und 4/2 S. 2).
B.
Das Bezirksgericht Horgen sprach X.________ am 15. Dezember 2009 der groben Verletzung von Verkehrsregeln durch brüskes Wechseln des Fahrstreifens mit geringem Abstand schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 50.-- sowie zu einer Busse von Fr. 500.--.
C.
Das Obergericht des Kantons Zürich hiess die Berufung von X.________ gut und sprach ihn mit Urteil vom 15. Februar 2011 vom Vorwurf der groben Verletzung von Verkehrsregeln frei. Zudem erkannte es auf eine Entschädigung in der Höhe von Fr. 5'500.--.
D.
Gegen dieses Urteil erhebt die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
E.
Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtet auf eine Vernehmlassung. X.________ beantragt mit Vernehmlassung vom 5. Juli 2011 die Abweisung der Beschwerde und die Bestätigung des Urteils des Obergerichts.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführerin rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts im Sinne von Art. 97 BGG durch willkürliche Beweiswürdigung.
2.
Die Vorinstanz begründet den Freispruch damit, dass die Möglichkeit einer Verwechslung bestehe. Den Zeugen könne bei der Identifizierung des Fahrzeuges und des fehlbaren Lenkers ein Fehler unterlaufen sein. Daher müsse der Beschwerdegegner gestützt auf den Grundsatz "in dubio pro reo" freigesprochen werden.
Zwar spreche die übereinstimmende Beschreibung des Lenkers sowie des Fahrzeugs durch die drei Zeugen grundsätzlich für eine Täterschaft des Beschwerdegegners. Hingegen komme dem Umstand, dass diese den Beschwerdegegner anlässlich der Konfrontationseinvernahmen als Täter erkannt hätten, kein erhebliches Gewicht zu. So hätten die Zeugen davon ausgehen können, dass der an der Einvernahme anwesende Beschwerdegegner vorgeladen worden sei, weil er als Täter in Frage komme (vorinstanzliches Urteil, E. 2.4). Zudem treffe die Beschreibung des Lenkers - korpulent, rundes Gesicht, kurz- und dunkelhaarig mit Schnauz, mittleren Alters - auf viele Personen zu (vorinstanzliches Urteil, E. 2.7). Auch zum Vorfall selber würden die Aussagen der Zeugen einige Widersprüche aufweisen. Zum einen sei aufgrund der Aussagen unklar, ob der fehlbare Lenker sich jemals hinter dem Fahrzeug von A.________ auf dem Überholstreifen befunden oder sich dessen Fahrzeug auf der rechten Spur genähert habe. Weiter habe A.________ ausgesagt, der fehlbare Lenker habe sich nach dem Vorfall normal im Strassenverkehr weiterbewegt, wohingegen die beiden Mitfahrerinnen angegeben hätten, dieser sei weiterhin aggressiv gefahren (vorinstanzliches Urteil, E. 2.5). Unklar sei aufgrund der Aussagen zudem, ob das Kennzeichen des fehlbaren Lenkers unmittelbar nach dem Vorfall durch eine Mitfahrerin notiert oder erst zu einem späteren Zeitpunkt bei der Fahrt über den Hirzel festgehalten worden sei. Dass die Zeugen das Täterfahrzeug ohne Unterbruch bis zum Notieren des Kennzeichens stets im Blickwinkel gehabt und beobachtet hätten, sei nicht anzunehmen, weshalb eine Verwechslung nicht ausgeschlossen werden könne (vorinstanzliches Urteil, E. 2.6).
Insgesamt bestünden erhebliche Zweifel an der Täterschaft des Beschwerdegegners. Es bestehe die Möglichkeit, dass die Zeugen den gesuchten Täter im Laufe der weiteren Fahrt aus den Augen verloren und schliesslich mit dem Beschwerdegegner verwechselt hätten, der sich gemäss eigenen Angaben zum Tatzeitpunkt ebenfalls auf besagter Strecke aufgehalten habe. Die Vorstrafenlosigkeit des Beschwerdegegners weise zudem darauf hin, dass rücksichtloses Verhalten im Strassenverkehr nicht seiner Persönlichkeit entspreche (vorinstanzliches Urteil, E. 2.7).
3.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, angesichts der Beweislage sei unverständlich, dass die Vorinstanz erhebliche, unüberwindbare Zweifel an der Identität des Beschwerdegegners als Täter hege und ihn in der Folge freispreche. Sie habe den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt.
Die Zeugen hätten den Beschwerdegegner anlässlich der Konfrontationseinvernahmen ohne zu zögern und im Wissen um die Strafdrohung nach Art. 307 StGB eindeutig als Täter identifiziert. Der Vorbehalt der Vorinstanz diesen Aussagen gegenüber führe dazu, dass die Beweiskraft von Zeugenaussagen anlässlich von Gegenüberstellungen allgemein gemindert würde. Zudem hätten die drei Zeugen den fehlbaren Lenker schon zuvor übereinstimmend beschrieben (Beschwerde, Ziff. C.3.1). Auch hätten sie sich das Täterfahrzeug anlässlich des Manövers eingeprägt und seien sich aufgrund der Form (Geländewagen), Modell und Farbe sicher, dass es sich beim Fahrzeug des Beschwerdegegners um das am Vorfall beteiligte handle. Zudem hätten sie es nach dem Zwischenfall nicht aus den Augen verloren, und es sei kein vergleichbares Fahrzeug in der Nähe gewesen (Beschwerde, Ziff. C.3.2). Die Tatsache, dass drei Personen bezüglich des fehlbaren Lenkers als auch des am Vorfall beteiligten Fahrzeuges übereinstimmend aussagen und diese Angaben zu dem am Tatort anwesenden Beschwerdegegner führen würden, lasse keine erheblichen, unüberwindbaren Zweifel an dessen Täterschaft zu. Die Vorinstanz habe eine zur Beweislage im Widerspruch stehende Schlussfolgerung gezogen (Beschwerde, Ziff. C.3.3). Im Übrigen habe der Beschwerdegegner noch vor der ersten Instanz ausgesagt, es sei möglich, dass er den Zeugen geschnitten habe, er sei sich dessen jedoch nicht bewusst (Beschwerde, Ziff. C.3.4). Aus der Tatsache, dass dieser bis anhin strafrechtlich nicht verzeichnet sei, könne nichts zu seinen Gunsten abgeleitet werden (Beschwerde, Ziff. C.3.5). Insgesamt habe die Vorinstanz eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung getroffen.
4.
4.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie willkürlich (Art. 9 BV) ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 134 IV 36 E. 1.4.1 mit Hinweis). Die Rüge der Willkür muss in der Beschwerdeschrift anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und begründet werden, ansonsten darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 I 65 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Willkürlich ist eine Tatsachenfeststellung, wenn der Richter den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkennt, wenn er ein solches ohne ernsthafte Gründe ausser Acht lässt, obwohl es erheblich ist, und schliesslich, wenn er aus getroffenen Beweiserhebungen unhaltbare Schlüsse zieht (BGE 129 I 8 E. 2.1 mit Hinweisen).
Aus der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung wird der Grundsatz "in dubio pro reo" abgeleitet. Als Beweiswürdigungsregel besagt die Maxime, dass sich der Strafrichter nicht von der Existenz eines für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat (BGE 127 I 38 E. 2a).
4.2
4.2.1 Wie die Beschwerdeführerin zu Recht feststellt, ist unbestritten, dass dem auf dem Überholstreifen fahrenden A.________ von der Normalspur her kommend ein Fahrzeug derart knapp vorfuhr, dass er stark abbremsen und nach links ausweichen musste, um eine Kollision zu vermeiden (Beschwerde, Ziff. C.2). Dem ist hinzuzufügen, dass der Sachverhalt betreffend das Rechtsüberholen nicht hinreichend erstellt werden konnte, worauf bereits die erste Instanz erkannt hatte (vorinstanzliche Akten, act. 34 E. 2.8.4.5). Ausführungen hierzu erübrigen sich daher. Dass sich der Beschwerdegegner des Rechtsüberholens schuldig gemacht habe, macht die Beschwerdeführerin denn auch nicht geltend. Demnach geht es vorliegend ausschliesslich um das Einschwenken mit ungenügendem Abstand von der Normal- auf die Überholspur und in diesem Zusammenhang insbesondere um die Frage, ob die Vorinstanz in Willkür verfallen ist, wenn sie davon ausgeht, die Zeugen seien bezüglich der Person des fehlbaren Lenkers sowie dessen Fahrzeugs möglicherweise einer Verwechslung unterlegen.
4.2.2 Die Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung ist begründet. Die Beschwerdeführerin legt substantiiert dar, dass aufgrund der Beweislage keine erheblichen und nicht zu unterdrückenden Zweifel an der Täterschaft des Beschwerdegegners bestehen. Sie führt zutreffend aus, weshalb nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis der Beweiswürdigung unhaltbar ist (BGE 134 I 140 E. 5.4 mit Hinweisen).
Insbesondere zeigt die Beschwerdeführerin anhand der Zeugenaussagen auf, dass diese über die Identität des fehlbaren Lenkers keinem Irrtum unterlagen. Alle drei Zeugen waren sich in der Beschreibung des Täters einig. Gemäss eigenen Angaben konnten sie ihn während ungefähr fünf Sekunden sehen, als er an ihnen vorbeifuhr bzw. auf ihre Fahrbahn einschwenkte (vorinstanzliche Akten, act. 47/5 S. 2 f. und 47/6 S. 3). Eine solche Zeitspanne kann genügen, um sich später an das Gesicht einer fremden Person zu erinnern. Dies zeigt sich auch darin, dass die Zeugen den Fahrer detailliert beschreiben konnten. Anlässlich der Konfrontationseinvernahmen erkannten sie den Beschwerdegegner zudem als den fehlbaren Lenker (vorinstanzliche Akten, act. 3/2 S. 2, 3/4 S. 2, 3/6 S. 1, 47/4 S. 4, 47/5 S. 3 und 47/6 S. 3 f.). Erhebliche Zweifel an dessen Identität als Täter sind in ihren Aussagen keine erkennbar. Zeugen, die, wie beide kantonalen Instanzen zu Recht festhalten (vorinstanzliches Urteil, E. 2.2; vorinstanzliche Akten, act. 34 E. 2.7.2 und 2.8.3.5), keinen Grund haben, den Beschwerdegegner fälschlicherweise zu belasten und zudem auf die Strafdrohung gemäss Art. 307 StGB hingewiesen wurden, würden bei allfälligen Zweifeln nicht mit einer derartigen Sicherheit aussagen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist die Beweiskraft dieser Aussagen erheblich, zumal sie nicht alleine stehen, sondern durch weitere Indizien gestützt werden. Die Zeugen waren sich ebenfalls sicher, dass sie das Tatfahrzeug in der dem Vorfall nachfolgenden Fahrt bis zum Hirzel nicht aus den Augen verloren hatten und sich zudem kein anderes derartiges Fahrzeug - anthrazitfarbener Geländewagen - in der Nähe befand (vorinstanzliche Akten, act. 47/4 S. 6 f., 47/5 S. 5 und 47/6 S. 5 f.). Diesen Aussagen scheint die Vorinstanz keine Bedeutung zuzumessen bzw. geht sie davon aus, dass der Sichtkontakt nicht durchgehend bestand, für welche Annahme jedoch kein Grund ersichtlich ist. Spätestens beim Hirzel wurde das Kennzeichen notiert, allenfalls bereits früher, unmittelbar nach dem Vorfall (vorinstanzliche Akten, act. 47/4 S. 4 f., 47/5 S. 3 f. und 47/6 S. 4 ff.).
Aufgrund dieser Beweislage den Schluss zu ziehen, es würden erhebliche und unüberwindbare Zweifel daran bestehen, dass der Beschwerdegegner mit der Person des fehlbaren Lenkers identisch ist, ist willkürlich. Die vom Beschwerdegegner übernommene These einer Verwechslung (vorinstanzliches Urteil, E. 2.7) überzeugt nicht. Erhebliche Zweifel an der Täterschaft des Beschwerdegegners vermag die Vorinstanz nicht aufzuzeigen. Zu gross wäre der Zufall, dass sich zum selben Zeitpunkt auf derselben Strecke zwei sich im Aussehen gleichende Lenker eines anthrazitfarbenen Geländewagens befanden, die dann von den Zeugen verwechselt wurden.
5.
Die Beschwerde ist gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerdeführerin ist keine Entschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 3 BGG). Der Beschwerdegegner unterliegt mit seinem Vernehmlassungsantrag. Entsprechend hat er die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 15. Februar 2011 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 18. Juli 2011
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Mathys Horber