BGer 8C_322/2011 |
BGer 8C_322/2011 vom 21.07.2011 |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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8C_322/2011
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Urteil vom 21. Juli 2011
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I. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichterin Leuzinger, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard,
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Gerichtsschreiberin Fleischanderl.
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Verfahrensbeteiligte |
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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S.________, vertreten durch
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Advokat André Baur,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Unfallversicherung (Invalidenrente, Valideneinkommen),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 2. März 2011.
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Sachverhalt:
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A.
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Die 1963 geborene S.________ war seit 1984 als ausgebildete Krankenschwester in verschiedenen Abteilungen des Spitals X.________ tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) u.a. gegen die Folgen von Nichtberufsunfällen versichert. Am 9. Juni 2000 stürzte sie mit dem Gleitschirm ab und zog sich dabei eine Sakrumlängsfraktur rechts mit inkomplettem Hemicaudal-Syndrom unterhalb L5 rechts, deutlichen radikulären sensomotorischen Ausfällen S1 sowie geringen Ausfällen S2-S5 rechts zu. Nach stationären und ambulanten medizinischen Behandlungsmassnahmen absolvierte sie in der Folge durch die Invalidenversicherung vergütete berufliche Umschulungen, welche im März 2008 abgeschlossen werden konnten. Mit Schreiben vom 10. November 2008 kündigte die SUVA die Einstellung der bisher erbrachten Versicherungsleistungen (Heilbehandlung, Taggeld) auf Ende Dezember 2008 an, vorbehältlich weiterhin notwendiger ärztlicher Kontrollen und Therapien. Am 2. Dezember 2008 verfügte sie die Zusprechung einer Invalidenrente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 44 % und einer Integritätsentschädigung entsprechend eines Integritätsschadens von 30 % per 1. Januar 2009. Daran wurde auf Einsprache hin mit Entscheid vom 30. August 2010 festgehalten.
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B.
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Die hiegegen angehobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt in Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheids teilweise gut und wies die Sache zum Erlass einer neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen an die SUVA zurück; es hob namentlich das ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erzielende Einkommen (Valideneinkommen) unter Annahme einer beruflichen Weiterentwicklung zwischen Unfallzeitpunkt und Rentenbeginn an und ermittelte gestützt darauf einen Invaliditätsgrad von 51 % (Entscheid vom 2. März 2011).
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C.
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Die SUVA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids hinsichtlich der Abänderung des Invaliditätsgrades von 44 % auf 51 %.
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Während S.________ auf Abweisung der Beschwerde schliessen lässt, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen:
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1.
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1.1 Formell handelt es sich beim vorinstanzlichen Entscheid um einen Rückweisungsentscheid. Rückweisungsentscheide sind grundsätzlich Zwischenentscheide, welche nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 oder 93 BGG beim Bundesgericht anfechtbar sind, auch wenn damit über materielle Teilaspekte der Streitsache entschieden wird (BGE 133 V 477 E. 4.2 und 4.3 S. 481 f.; 132 III 785 E. 3.2 S. 790 f.; 129 I 313 E. 3.2 S. 316 f.). Wenn jedoch der unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt und die Rückweisung nur noch der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient, handelt es sich in Wirklichkeit um einen Endentscheid nach Art. 90 BGG (Urteil 9C_684/2007 vom 27. Dezember 2007 E. 1.1 mit Hinweisen, in: SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131).
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1.2 Das kantonale Gericht hat in seinen Erwägungen, auf welche im Entscheiddispositiv verwiesen wird, den der Invalidenrente zugrunde zu legenden versicherten Verdienst, den Invaliditätsgrad und die Integritätsentschädigung verbindlich festgelegt. Die Rückweisung dient nur noch der frankenmässigen Berechnung des Rentenbetrags. Dabei geht es in aller Regel nurmehr um die Behandlung rein rechnerischer Fragen, bei denen kein Entscheidungsspielraum des Versicherungsträgers verbleibt. Der Entscheid, mit dem die Vorinstanz die Rentenhöhe (hier basierend auf einer Erwerbsunfähigkeit von 51 %), nicht aber den frankenmässigen Rentenbetrag festsetzt, ist mithin als Endentscheid zu qualifizieren. Wenn sich ausnahmsweise in der Folge die frankenmässige Berechnung als umstritten erweisen sollte, bleibt es den Betroffenen unbenommen, diesbezüglich die spätere Verfügung anzufechten (vgl. Urteil 9C_684/2007 vom 27. Dezember 2007 E. 1.1 mit Hinweisen, in: SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131). Auf die Beschwerde des Unfallversicherers ist daher ohne weiteres einzutreten.
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2.
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2.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Immerhin prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
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2.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG)
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3.
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Streitgegenstand bildet die Höhe der Invalidenrente, wobei einzig zu prüfen ist, von welchem Valideneinkommen bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades auszugehen ist. Unbestritten - und für das Bundesgericht daher verbindlich (vgl. E. 2.1 hievor) - sind demgegenüber letztinstanzlich die Höhe des versicherten Verdienstes, die medizinische Beurteilung der Arbeitsfähigkeit, die Bestimmung des Einkommens, welches die Beschwerdegegnerin trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch zu erzielen vermöchte (Invalideneinkommen), und die Basis der Integritätsentschädigung bildende Integritätseinbusse.
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4.
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4.1 Für die Ermittlung des Valideneinkommens ist entscheidend, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühest möglichen Rentenbeginns (hier: 1. Januar 2009) nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, weil es der Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 134 V 322 E. 4.1 S. 325 f. mit Hinweis). Da die Invaliditätsbemessung der voraussichtlich bleibenden oder längere Zeit dauernden Erwerbsunfähigkeit zu entsprechen hat, ist auch die berufliche Weiterentwicklung mitzuberücksichtigen, die eine versicherte Person normalerweise vollzogen hätte. Dazu ist allerdings erforderlich, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie einen beruflichen Aufstieg und ein entsprechend höheres Einkommen tatsächlich realisiert hätte, wenn sie nicht invalid geworden wäre. Es müssen bereits im Zeitpunkt des Unfalles konkrete Hinweise für das behauptete berufliche Fortkommen bestehen, so beispielsweise wenn der Arbeitgeber dies konkret in Aussicht gestellt oder gar zugesichert hat. Sodann genügen blosse Absichtserklärungen der versicherten Person nicht. Vielmehr muss die Absicht, beruflich weiterzukommen, bereits durch konkrete Schritte wie Kursbesuche, Aufnahme eines Studiums, Ablegung von Prüfungen usw. kundgetan worden sein (BGE 96 V 29; Urteile 9C_757/2010 vom 24. November 2010 E. 4.2, 8C_768/2009 vom 1. Februar 2010 E. 3.1.2, 8C_550/2009 vom 12. November 2009 E. 4.1 mit Hinweisen, in: SVR 2010 UV Nr. 13 S. 51, und 8C_664/2007 vom 14. April 2008 E. 6.1 mit Hinweisen; Ulrich Meyer, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, 2. Aufl. 2010, S. 304 f.).
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4.2
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4.2.1 Die Beschwerdegegnerin war seit 1984 als diplomierte Krankenschwester im Spital X.________ tätig, ab Juni 1988 in der Chirurgischen Poliklinik. Dort wirkte sie seit Mai 1995 als zweite stellvertretende Stationsleiterin. Von Februar bis Dezember 1996 besuchte sie, nachdem sie vom 22. - 24. November 1995 an einem Kadergrundseminar teilgenommen hatte, - mit Unterstützung durch den Arbeitgeber - die vom Wirtschaftspädagogischen Institut (WPI), Morschach, angebotene Kaderausbildung für Stationsleiterinnen und -leiter. Ferner absolvierte sie diverse Weiterbildungen u.a. in den Bereichen "Führungsverhalten aktiv trainiert" (vom 19. - 21. November 1997) und "Selbstmanagement für Führungskräfte" (vom 6. - 8. sowie 13./14. Oktober 1998). Am 29. März 1999 bewarb sie sich am Spital X.________ als stellvertretende Stationsleiterin Chirurgie 7 und am 14. November 1999 als Schichtleiterin für die Interdisziplinäre Notfallstation, beide Male jedoch ohne Erfolg. Im Frühsommer 2000 folgten gemäss eigenen Angaben weitere Bewerbungen für die Stationsleitungen der Chirurgie 6 und der Medizinischen Poliklinik des Spitals X.________, für welche sie in die engere Auswahl gekommen sei. Die Bewerbungsgespräche habe sie auf Grund des anfangs Juni 2000 erlittenen Unfalles nicht mehr wahrnehmen können. Anlässlich der am 2. März 2011 durchgeführten kantonalen Gerichtsverhandlung betonte die Versicherte, dass sie eine Stationsleitung angestrebt habe. Die als Zeugin befragte Stationsleiterin der Chirurgischen Poliklinik des Spitals X.________ gab gleichenorts an, dass wenn immer möglich interne Personen für Führungsfunktionen ausgewählt würden. Die Beschwerdegegnerin habe Interesse an einer entsprechenden Aufgabe bekundet und sei von ihr in diesem Vorhaben unterstützt worden.
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4.2.2 Entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin gehen die von der Versicherten vor ihrem Unfall an den Tag gelegten beruflichen Bemühungen, sich karrieremässig in Richtung einer Stationsleitung hinzubewegen, über blosse Absichtsbekundungen hinaus. Vielmehr hat sie sich bereits in den Jahren 1995 bis 1998 die ausbildungsmässig dafür erforderlichen Fähigkeiten mit dem Absolvieren von zielgerichteten Weiterbildungen (Kader- und Führungskurse, WPI-Kaderausbildung für Stationsleiterinnen und -leiter etc.) angeeignet und in den Folgejahren auch, soweit sich diesbezügliche Möglichkeiten eröffneten, entsprechende Bewerbungen getätigt. Von "primär interessehalber" motivierten Aus- und Fortbildungen, ohne konkrete Zwecksetzung, kann vor diesem Hintergrund nicht gesprochen werden. Ebenso wenig ist der Beschwerdegegnerin entgegenzuhalten, sie habe diese lediglich "im Hinblick auf mögliche künftige Entwicklungen bzw. Chancen" besucht, wird doch jede Weiterbildung in der Regel mit Fokus auf sich erst abzeichnende Karrieremöglichkeiten angegangen. Der Einwand schliesslich, dass ihre Weiterbildungsbestrebungen einzig darauf gerichtet gewesen seien, ihre Kenntnisse in ihrer bisherigen Funktion als zweite stellvertretende Stationsleiterin zu vertiefen, entbehrt jeglicher Grundlage. Zwar handelte es sich sodann bei den beiden letzten, schriftlich dokumentierten Bewerbungen vom 29. März 1999 (stellvertretende Stationsleiterin Chirurgie 7 am Spital X.________) und 14. November 1999 (Schichtleiterin für die Interdisziplinäre Notfallstation am Spital X.________) - für die im Frühsommer 2000 angegebenen Bewerbungen bestehen auch gemäss Bestätigung des Arbeitgebers (vgl. E-Mail vom 7. April 2009) keine Hinweise - nicht unmittelbar um Stationsleitungen. Dennoch belegen sie anschaulich, dass sich die Versicherte, unterstützt durch ihren Arbeitgeber, aktiv um die Realisierung ihres Berufswunsches bemühte. Von einer bloss spekulativen Karriereentwicklung, wie seitens der Beschwerdeführerin moniert, kann angesichts dieser Gegebenheiten nicht die Rede sein, zumal die Beschwerdegegnerin, welche sich zwischenzeitlich zur diplomierten Psychologin in Berufs- und Laufbahnberatung hat umschulen lassen, ihre Zielstrebigkeit und Willenskraft auch im Rahmen der - im vorliegenden Kontext ebenfalls zu berücksichtigenden (vgl. u.a. Urteil 8C_550/2009 vom 12. November 2009 E. 4.1 mit Hinweisen, in: SVR 2010 UV Nr. 13 S. 51) - Invalidenkarriere eindrücklich unter Beweis gestellt hat. Zu beachten gilt es ferner, dass für die Ermittlung des Valideneinkommens entscheidend ist, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühest möglichen Rentenbeginns als Gesunde verdient hätte. Da sich der Unfall anfangs Juni 2000 ereignete, die Rente aber ab 1. Januar 2009 - und damit erst knapp neun Jahre später - ausgerichtet wird, erscheint es in Anbetracht des doch beträchtlichen Zeitraums und der bereits vor 2000 an den Tag gelegten Aktivitäten nicht nur möglich, sondern überwiegend wahrscheinlich, dass die Beschwerdegegnerin ohne Unfall eine Anstellung als Stationsleiterin oder eine vergleichbar qualifizierte Tätigkeit - allenfalls auch ausserhalb des angestammten Arbeitgebers - inne gehabt hätte. Auf Grund ihrer Fähigkeiten wären ihr jedenfalls gute Aufstiegschancen einzuräumen gewesen, sodass sie den entsprechenden Karriereschritt in absehbarer Zeit realisiert und spätestens anfangs 2009 ein Einkommen in der Höhe des vorinstanzlich dem Validenverdienst zugrunde gelegten Gehalts von Fr. 106'795.- jährlich generiert hätte. Angesichts der im Übrigen unbestrittenen Bemessungsfaktoren hat es damit bei der vom kantonalen Gericht auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 51 % zugesprochenen Rente sein Bewenden.
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5.
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Als unterliegende Partei hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG) und der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin eine dem Aufwand entsprechende Parteientschädigung gemäss Kostennote vom 17. Juni 2011 auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3.
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Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'850.25 (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu entschädigen.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 21. Juli 2011
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:
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Leuzinger Fleischanderl
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