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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5A_233/2011
Urteil vom 5. August 2011
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter L. Meyer, Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber Zingg.
Verfahrensbeteiligte
X.________ (Ehefrau),
vertreten durch Rechtsanwältin Renata Brianza,
Beschwerdeführerin,
gegen
Z.________ (Ehemann),
vertreten durch Rechtsanwältin Margherita Bortolani-Slongo,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Ehescheidung (Einigungsverhandlung), Art. 93 BGG und Art. 319 ZPO,
Beschwerde gegen die Präsidialverfügung des Obergerichts des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, vom 21. Februar 2011.
Sachverhalt:
A.
Z.________ (Ehemann) reichte am 28. Januar 2011 beim Kantonsgericht Zug eine Scheidungsklage gegen X.________ (Ehefrau) ein. Er ersuchte darin um Vorladung zu einer Einigungsverhandlung. Die Referentin am Kantonsgericht Zug stellte die Klage am 1. Februar 2011 X.________ zur Einreichung einer Klageantwort zu.
X.________ ersuchte am 7. Februar 2011 darum, ihr die Frist zur Einreichung einer Klageantwort abzunehmen und die Parteien gemäss Art. 291 ZPO zu einer Einigungsverhandlung vorzuladen. Die Referentin teilte ihr daraufhin am 11. Februar 2011 mit, die Scheidungsklage enthalte eine Kurzbegründung, weshalb kein Raum für eine Einigungsverhandlung bestehe und an der angesetzten Frist festgehalten werde.
B.
Dagegen wandte sich X.________ mit Beschwerde vom 18. Februar 2011 an das Obergericht des Kantons Zug, welches mit Präsidialverfügung vom 21. Februar 2011 auf die Beschwerde nicht eintrat.
C.
Am 24. März 2011 hat X.________ (Beschwerdeführerin) gegen diese Verfügung Beschwerde in Zivilsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie beantragt, die angefochtene Verfügung des Obergerichts aufzuheben und das Kantonsgericht Zug anzuweisen, die Parteien zur Einigungsverhandlung gemäss Art. 291 ZPO vorzuladen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens seien Z.________ (Beschwerdegegner), evtl. der Gerichtskasse des Obergerichts aufzuerlegen und der Beschwerdeführerin sei eine angemessene Entschädigung zuzusprechen. Einen Kosten- und Entschädigungsantrag zulasten des Beschwerdegegners stellt sie auch für das bundesgerichtliche Verfahren.
Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet, beantragt aber dennoch Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Der Beschwerdegegner verzichtet ebenfalls auf Vernehmlassung, weist aber darauf hin, dass er die beiden Verfügungen der Vorinstanzen weder veranlasst habe noch sich dazu äussern konnte, weshalb ihm weder Kosten noch Parteientschädigung aufzuerlegen seien.
Erwägungen:
1.
1.1 Angefochten ist - binnen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) - ein kantonal letztinstanzlicher Nichteintretensentscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG) über die Anfechtung einer erstinstanzlichen prozessualen Anordnung in einem Scheidungsverfahren, nämlich die Weigerung der Referentin am Kantonsgericht, eine Einigungsverhandlung durchzuführen. Dieser erstinstanzliche Entscheid ist in der Terminologie der ZPO eine prozessleitende Verfügung und nicht ein Zwischenentscheid (vgl. Art. 237 und Art. 319 lit. b ZPO; Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 Ziff. 5.23.2 S. 7376 und Ziff. 5.15 S. 7344). In der Begrifflichkeit des BGG ist die angefochtene Verfügung jedoch ein Vor- oder Zwischenentscheid (Art. 93 BGG). An dieser Qualifikation ändert sich grundsätzlich wie auch vorliegend dadurch nichts, dass der angefochtene Rechtsmittelentscheid auf Nichteintreten lautet. Er beendet nämlich lediglich den Streit um die erstinstanzliche Zwischenverfügung, nicht aber das Hauptverfahren (Urteil 4A_542/2009 vom 27. April 2010 E. 3 mit Hinweisen). Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache. In der Hauptsache geht es um eine Scheidung, wobei sowohl der Scheidungspunkt wie auch die Nebenfolgen umstritten sind. Es liegt somit eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) ohne Vermögenswert vor (vgl. BGE 116 II 493 E. 2 S. 494 ff.). Steht die Beschwerde in Zivilsachen zur Verfügung, bleibt für die ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde kein Raum (Art. 113 BGG).
1.2 Selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide können vor Bundesgericht nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 und Art. 93 BGG angefochten werden. Vorliegend kommt einzig die Variante gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG in Betracht, d.h. die Beschwerde ist zulässig, wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann.
1.2.1 Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung rechtlicher Natur sein, was voraussetzt, dass er sich auch mit einem späteren günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigen lässt (BGE 136 II 165 E. 1.2.1 S. 170; 135 I 261 E. 1.2 S. 263; 135 II 30 E. 1.3.4 S. 35 f.; 134 III 188 E. 2.1 S. 190; 133 III 629 E. 2.3.1 S. 632; je mit Hinweisen). Die blosse Möglichkeit eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur genügt (BGE 134 III 188 E. 2.1 S. 191 mit Hinweis). Dagegen reichen rein tatsächliche Nachteile wie die Verfahrensverlängerung oder -verteuerung nicht aus (BGE 133 III 629 E. 2.3.1 S. 632; 134 III 188 E. 2.2 S. 191; relativierend BGE 135 II 30 E. 1.3.4 und 1.3.5 S. 36 ff.).
1.2.2 Im vorliegenden Fall ist die Vorinstanz auf die Eingabe der Beschwerdeführerin nicht eingetreten, da die fragliche Anordnung der erstinstanzlichen Richterin (Verzicht auf Vorladung zu einer Einigungsverhandlung gemäss Art. 291 ZPO) mangels rechtlichen Nachteils nicht Gegenstand einer Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b. Ziff. 2 ZPO bilden könne. Unmittelbarer Verfahrensgegenstand vor Bundesgericht bildet die Frage, ob dieses Nichteintreten rechtens war. Die der Vorinstanz vorgelegte Frage, ob die Verweigerung der Ansetzung einer Einigungsverhandlung gemäss Art. 291 ZPO zu Recht erfolgte, wurde von dieser hingegen noch nicht behandelt. Das Bundesgericht kann sich deshalb entgegen dem reformatorischen Antrag der Beschwerdeführerin dazu nicht äussern.
Trotz dieser Beschränkung des Verfahrensthemas bemisst sich die Frage, ob ein nicht wieder gutzumachender Nachteil vorliegt, nicht am Nichteintretensentscheid der Vorinstanz als solchem, d.h. daran, ob dieses Prozessurteil mit Beschwerde gegen den Endentscheid noch überprüft werden könnte (so noch Urteil 5A_612/2007 vom 22. Januar 2008 E. 1.1). Massgebend sind vielmehr die Auswirkungen des Zwischenentscheids auf die Hauptsache. Das erstinstanzliche Urteil und seine Bedeutung für das weitere Verfahren sind demnach entscheidend (Urteil 5D_72/2009 vom 9. Juli 2009 E. 1.1; vgl. auch Urteile 4A_242/2011 vom 13. Mai 2011 E. 1.4 und 4A_542/2009 vom 27. April 2010 E. 4.2 und 4.3). Vorliegend geht es also darum, ob die Nichtdurchführung einer Einigungsverhandlung gemäss Art. 291 ZPO einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Scheidungsverfahren bewirken kann.
1.2.3 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Weigerung, eine Einigungsverhandlung anzusetzen, begründe einen rechtlichen Nachteil, weil dadurch ein im Scheidungsverfahren zwingend vorgesehener Verfahrensschritt übersprungen würde.
1.2.4 Ob die Einigungsverhandlung gemäss Art. 291 ZPO tatsächlich zwingend ist, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Diese Frage beschlägt die Begründetheit der Beschwerde an das Obergericht (oben E. 1.2.2). Immerhin sieht die ZPO diesen Verfahrensschritt ausdrücklich vor. Die Auffassung der Beschwerdeführerin über die zwingende Natur der Einigungsverhandlung erscheint denn auch nicht von vornherein abwegig. Fällt die Einigungsverhandlung aus, kann sie nicht nachgeholt werden. Die Angelegenheiten, welche Gegenstand der Einigungsverhandlung bilden würden, müssten dann allenfalls in anderem Zusammenhang behandelt werden. Selbst falls die Möglichkeit bestehen sollte, die übergangenen Verfahrensinhalte in einer anderen Prozessphase nachzuholen, ändert dies aber nichts daran, dass in womöglich rechtswidriger Weise ein Prozessabschnitt übersprungen wurde. Dieser verfahrensmässige Nachteil lässt sich im weiteren Prozess und im Endurteil nicht beseitigen. Der angefochtene Zwischenentscheid kann somit einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Es bleibt zu beurteilen, ob auch die Vorinstanz auf die Beschwerde hätte eintreten müssen. Gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO sind prozessleitende Verfügungen mit Beschwerde anfechtbar, wenn durch sie ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht. Die französische Fassung verlangt "un préjudice difficilement réparable" und die italienische "un pregiudizio difficilmente riparabile".
2.1 Die Vorinstanz hat mit äusserst knapper Begründung festgehalten, der nicht leicht wieder gutzumachende Nachteil gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO dürfe nicht bloss tatsächlicher, sondern müsse rechtlicher Natur und so beschaffen sein, dass er durch einen der Beschwerdeführerin günstigen Endentscheid nicht mehr vollständig behoben werden könne. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Verweigerung eines zwingend im Scheidungsverfahren vorgesehenen Verfahrensschrittes stelle keinen solchen Nachteil dar.
2.2 Nachdem der geltend gemachte Nachteil ausreicht, damit das Bundesgericht auf die Beschwerde in Zivilsachen eintritt, folgt daraus ohne weiteres, dass auch die Vorinstanz auf die Beschwerde gemäss Art. 319 ff. ZPO hätte eintreten müssen. Kann der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken, so kann er erst recht einen nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO nach sich ziehen.
2.3 Die angefochtene Verfügung ist folglich aufzuheben. Die Vorinstanz hat auf die Beschwerde einzutreten und muss prüfen, ob die Einigungsverhandlung durchzuführen ist. Sie hat zugleich über Kosten und Entschädigungen im kantonalen Verfahren neu zu befinden.
3.
Der Beschwerdegegner hat die angefochtene Verfügung sowie diejenige des Kantonsgerichts weder veranlasst noch konnte er sich im kantonalen Verfahren dazu äussern. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind ihm deshalb nicht aufzuerlegen und es wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Kanton Zug hat das Verfahren verursacht und wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und die angefochtene Präsidialverfügung des Obergerichts des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, vom 21. Februar 2011 aufgehoben. Die Angelegenheit wird zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Zug hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu entrichten.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 5. August 2011
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Hohl
Der Gerichtsschreiber: Zingg