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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_294/2011
Urteil vom 16. September 2011
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger,
GerichBetsschreiber Boog.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Czerny,
Beschwerdeführer,
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Strafzumessung (qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz),
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 7. März 2011.
Sachverhalt:
A.
X.________ wird mit Anklageschrift vom 9. Februar 2010 vorgeworfen, er habe am 4. März 2008 zusammen mit A.________ ca. 10 kg Heroin und ca. 1 kg Kokain, portioniert in 20 Klötze Heroingemisch à je ca 500 g mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 64 % und in 2 Klötze Kokaingemisch à je ca. 500 g mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 27,5 %, eingebaut in vorgefertigten Hohlräumen in den Türschwellen seines Personenwagens, von Tschechien über Amsterdam in die Schweiz eingeführt. Zuvor habe er im Januar und Februar 2008 zwei weitere Drogentransporte nach Offenbach am Main/D ausgeführt.
B.
Das Bezirksgericht Weinfelden erklärte X.________ mit Urteil vom 27. April 2010 der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren, unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft von 104 Tagen. Die beschlagnahmten Drogen und übrigen Gegenstände zog es zur Vernichtung bzw. zur Verwertung zu Gunsten des Staates ein. In Bezug auf die angeklagten Drogentransporte nach Deutschland sprach es X.________ vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 4 i.V.m. Art. 19 Ziff. 1 und 2 BetmG frei (erstinstanzliches Urteil S. 29, 38; angefochtenes Urteil S. 24).
Eine hiegegen vom Beurteilten geführte Berufung erachtete das Obergericht des Kantons Thurgau mit Urteil vom 7. März 2011 als unbegründet, soweit es darauf eintrat.
C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, er sei der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig zu sprechen und in Anwendung von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 und Ziff. 2 lit. a BetmG zu einer Freiheitsstrafe von höchstens 5 Jahren, unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft bzw. des vorzeitigen Strafvollzuges zu verurteilen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Bemessung der Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen. X.________ ersucht ferner um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
D.
Das Obergericht des Kantons Thurgau beantragt unter Verweisung auf den angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft hat auf Stellungnahme verzichtet.
Erwägungen:
1.
1.1 Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen den Schuldspruch der bandenmässigen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. b BetmG. Er bringt vor, er sei nur wegen eines einzigen Deliktes schuldig gesprochen worden. Eine mehrfache Tatbegehung sei nicht nachgewiesen. Dementsprechend sei auch nicht erstellt, dass sein Wille sich auf die Verübung einer Mehrzahl von Delikten gerichtet habe (Beschwerde S. 5 f.).
1.2 Die Vorinstanz nimmt an, der Beschwerdeführer und sein Begleiter seien beim Ablauf ihrer Transportfahrt in die Schweiz vom Zeitpunkt des Einbaus der Drogenpakete in den Personenwagen an bis hin zu ihrem Eintreffen in Weinfelden Schritt für Schritt von Kontaktpersonen dirigiert worden. Dabei seien sie mit den unterschiedlichsten Personen konfrontiert gewesen. Ihr Entscheidungsspielraum sei eingeschränkt gewesen, zumal sie immer wieder weitere Anweisungen hätten abwarten müssen. Damit sei offensichtlich, dass sie Teil einer Organisation gewesen seien, welche arbeitsteilig und in enger Einbindung ihrer Akteure operiert habe. Angesichts des ständigen Kontakts mit verschiedenen, teils unbekannten Verbindungsleuten sei dem Beschwerdeführer bewusst gewesen, dass er als Teil einer Bande gehandelt habe. Aber auch losgelöst von diesem grösseren Kontext sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer und sein Begleiter als zusammengehöriges Team gehandelt hätten, das sich immer wieder für gemeinsame Transportfahrten zusammengefunden habe. Dabei sei der Beschwerdeführer vorwiegend für die organisatorischen Belange zuständig gewesen, während sein Begleiter in erster Linie als Chauffeur fungiert habe. Insoweit könne auch in dieser Beziehung eine arbeitsteilige Vorgehensweise festgestellt werden. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Aufwand für den Drogentransport in die Schweiz nur für eine einzige Fahrt unternommen worden sei. Es liege vielmehr nahe, dass noch weitere Fahrten stattgefunden hätten, wenn es nicht zur Verhaftung gekommen wäre (angefochtenes Urteil S. 23; erstinstanzliches Urteil S. 32 f.).
2.
2.1 Gemäss Art. 19 Ziff. 2 lit. b BetmG liegt ein schwerer Fall der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz vor, wenn der Täter als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur Ausübung des unerlaubten Betäubungsmittelverkehrs zusammen gefunden hat (vgl. auch Art. 139 Ziff. 3 Abs. 2, 140 Ziff. 3 Abs. 2 und Art. 305bis Ziff. 2 Abs. 2 lit. b StGB). Nach der Rechtsprechung ist Bandenmässigkeit anzunehmen, wenn zwei oder mehr Täter sich mit dem ausdrücklich oder konkludent geäusserten Willen zusammenfinden, inskünftig zur Verübung mehrerer selbstständiger, im Einzelnen noch unbestimmter Straftaten zusammenzuwirken. Aufgrund der von diesem Zusammenschluss ausgehenden Gefährlichkeit unterliegt die bandenmässige Begehung eines Betäubungsmitteldelikts einer erhöhten Mindeststrafdrohung. Wesentlich für den Begriff der Bande ist der Organisationsgrad und die Intensität der Zusammenarbeit der Täter.
In subjektiver Hinsicht muss sich der Täter des Zusammenschlusses und der Zielrichtung der Bande bewusst sein. Sein Vorsatz muss die die Bandenmässigkeit begründenden Tatumstände umfassen. Bandenmässige Tatbegehung ist nur anzunehmen, wenn der Wille der Täter auf die gemeinsame Verübung einer Mehrzahl von Delikten gerichtet ist (BGE 135 IV 158 E. 2 und 3.4; 124 IV 86 E. 2b, S. 88 f., und 286 E. 2a, S. 293; 122 IV 265 E. 2b).
2.2
2.2.1 Der Schluss der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe als Mitglied einer Bande gehandelt, die sich zur Ausübung des unerlaubten Betäubungsmittelverkehrs zusammengefunden hat, verletzt kein Bundesrecht. Nach den Feststellungen der kantonalen Instanzen waren der Beschwerdeführer und sein Begleiter in ein gut organisiertes, arbeitsteilig operierendes grösseres Netz eingebunden, welches im Drogenhandel tätig war. Dieses habe für den Drogentransport in die Schweiz einen erheblichen Aufwand auf sich genommen. So habe der Beschwerdeführer vor der Fahrt von Tschechien nach Mazedonien die Route mehrfach getestet, um Grenzübergänge, bei welchen Drogenspürhunde eingesetzt wurden, vermeiden zu können. Zudem seien verschiedene Fahrzeuge umgebaut und mit Hohlräumen versehen worden (angefochtenes Urteil S. 23). Die kantonalen Instanzen gehen denn auch davon aus, der Beschwerdeführer und sein Begleiter hätten gemeinsam mehrere Transportfahrten ausgeführt, wobei die Vorinstanz allerdings offen lässt, inwieweit es sich hierbei um Drogentransporte gehandelt habe (erstinstanzliches Urteil S. 32; angefochtenes Urteil S. 23). Ob das Zusammenwirken des Beschwerdeführers und seines Begleiters schon für sich allein, losgelöst von der im Hintergrund agierenden Organisation, als Bandenmässigkeit zu würdigen ist, muss bei dieser Sachlage nicht beurteilt werden. Dass lediglich ein einziges Delikt nachgewiesen ist, steht dem Schuldspruch wegen bandenmässiger Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht entgegen. Denn für die Annahme der Bandenmässigkeit genügt auch bloss eine verübte Straftat, solange sich der Wille der Mitglieder nur auf die gemeinsame Begehung einer Mehrzahl weiterer Delikte richtet (vgl. NIGGLI/RIEDO, Basler Kommentar, Strafrecht II, 2. Aufl. Basel 2007, Art. 139 N 115/119 zum bandenmässigen Diebstahl). Aufgrund der gesamten Umstände durfte die Vorinstanz annehmen, der Beschwerdeführer habe die Tatsachen, aus denen sie den rechtlichen Schluss auf bandenmässige Tatbegehung zieht, gekannt und gewollt.
2.2.2 Im Übrigen umschreibt Art. 19 Ziff. 2 BetmG den schweren Fall nicht abschliessend. Die Bestimmung ist nach der Rechtsprechung eine Strafzumessungsregel (BGE 129 IV 188 E. 3.3 mit Bezug auf Art. 19 Ziff. 2 lit. c BetmG). Sie nennt beispielhaft Umstände, welche zur Anwendung des höheren Strafrahmens führen. Ist ein Qualifikationsgrund gegeben, liegt ein schwerer Fall vor und kommt der dafür vorgesehene verschärfte Strafrahmen zur Anwendung. Der Strafrahmen kann nicht noch weiter verschärft werden. Ob weitere Qualifikationsgründe erfüllt sind, ist insoweit im Grunde belanglos, zumal sich diese nur innerhalb des verschärften Strafrahmens gemäss Art. 47 StGB straferhöhend auswirken können (BGE 122 IV 265 E. 2c; 120 IV 330 E. 1c/aa). Wie das Bundesgericht in einem früheren Entscheid erkannt hat, kann somit die Bandenmässigkeit, wenn schon ein mengenmässig schwerer Fall gemäss Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG vorliegt, nur zu einer Straferhöhung innerhalb des verschärften Strafrahmens führen. Straferhöhend berücksichtigen darf das Gericht die für die Annahme bandenmässigen Handelns angeführten Umstände aber auch, wenn diese die Voraussetzungen für die Bandenmässigkeit nach Art. 19 Ziff. 2 lit. b BetmG nicht erfüllen (BGE 120 IV 330 E. 1c/bb).
Im zu beurteilenden Fall ist der Qualifikationsgrund der grossen Menge im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG bei einer in die Schweiz eingeführten Menge von rund 10 kg Heroin und 1 kg Kokain fraglos gegeben. Ob die Vorinstanz, indem sie zudem die Bandenmässigkeit gemäss lit. b derselben Bestimmung bejaht, Bundesrecht verletzt, kann deshalb letztlich offenbleiben (BGE 120 IV 330 E. 1c/bb). Dass die kantonalen Instanzen diesen Straferhöhungsgrund in Überschreitung des ihnen zustehenden Ermessensspielraums gewichtet hätten, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.
Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.
3.
3.1 Der Beschwerdeführer wendet sich im Weiteren gegen die Strafzumessung. Er beanstandet, die Vorinstanz habe die übermässig lange Verfahrensdauer vor erster Instanz nicht angemessen berücksichtigt. In Bezug auf die konkret zu beurteilenden Tathandlungen habe der Fall keinen übermässigen Auslandbezug aufgewiesen. Auch die Analyse der aufgefundenen Betäubungsmittel hätte keine Probleme aufgeworfen. Das Strafverfahren sei von den untersuchenden Behörden trotz seiner Kooperation nach seiner Verhaftung unnötig aufgebauscht worden, indem Abklärungen getroffen worden seien, die mit den ihm vorgeworfenen Tathandlungen nichts zu tun gehabt hätten (Beschwerde S. 7 f.).
3.2 Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer sei am 4. März 2008 in Weinfelden festgenommen worden. Der Schlussbericht des Bezirksamts Münchwilen sei am 20. Februar 2009 erfolgt. Diese Dauer des Verfahrens erscheine in Anbetracht der grossen Menge an beschlagnahmten Drogen, der bandenmässigen Tatbegehung, des starken Auslandbezuges des abzuklärenden Sachverhalts und der sich zum Teil widersprechenden Aussagen der Beschuldigten als nicht sonderlich lang. Eine übermässig lange Dauer sei auch weder im gerichtlichen Verfahren noch im Rechtsmittelverfahren zu erkennen (angefochtenes Urteil S. 27).
3.3 Nach Art. 29 Abs. 1 BV hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen jedermann Anspruch auf Beurteilung seiner Sache innert angemessener Frist (vgl. auch Art. 5 Ziff. 3 und 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 14 Ziff. 3 lit. c IPBPR). Die Beurteilung der Verfahrensdauer entzieht sich starren Regeln. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall unter Würdigung aller konkreten Umstände zu prüfen, ob sich diese als angemessen erweist (BGE 130 I 312 E. 5.1. S. 331 mit Hinweis auf die Rechtsprechung zu Art. 4 aBV). Wird eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes festgestellt, ist diesem Umstand im Rahmen der Strafzumessung angemessen Rechnung zu tragen. Der Richter ist verpflichtet, die Verletzung des Beschleunigungsgebotes in seinem Urteil ausdrücklich festzuhalten und gegebenenfalls darzulegen, in welchem Ausmass er diesen Umstand berücksichtigt hat (BGE 133 IV 158 E. 8; 130 IV 154 E. 3.3.1; 124 I 139 E. 2a; 117 IV 124 E. 4).
3.4 Der Beschwerdeführer beanstandet lediglich die Dauer des Verfahrens vor erster Instanz. Die Anklageschrift in dem gegen diesen, seinen Begleiter sowie den Abnehmer der Betäubungsmittel in der Schweiz geführten Verfahren datiert vom 14. Mai 2009. Mit Eingabe vom 22. Juni 2009 liess der dritte Angeklagte verschiedene Beweisanträge und Aktenergänzungsbegehren stellen. Daraufhin wies das Vizepräsidium des Bezirksgerichts Weinfelden das Verfahren am 10. September 2009 zur Aktenergänzung an die Staatsanwaltschaft zurück. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 beantragte die Staatsanwaltschaft die Aufteilung des Verfahrens. Diesem Antrag entsprach das Vizepräsidium des Bezirksgerichts Weinfelden mit Verfügung vom 25. Januar 2010 und trennte das Verfahren gegen den Beschwerdeführer und seinen Begleiter ab. Am 9. Februar 2010 wurde die neue, nur diese beiden Täter betreffende Anklageschrift eingereicht (erstinstanzliches Urteil S. 3). Am 27. April 2010 fand die erstinstanzliche Hauptverhandlung statt. Am 9. Juli 2010 wurde das bezirksgerichtliche Urteil versandt.
Aus diesem Ablauf des Verfahrens sind keine relevanten unbegründeten Verzögerungen oder Perioden nicht zu rechtfertigender Untätigkeit seitens der Behörden zu erkennen. Dass das Verfahren anfänglich auch gegen den Abnehmer der Drogen in der Schweiz geführt wurde, ist nicht zu beanstanden. Nachdem dieser mit seinen Beweisanträgen Weiterungen veranlasst hatte, hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Beschwerdeführer zu Recht abgetrennt und auf diese Weise vorangetrieben. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots ist nicht ersichtlich.
Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbegründet.
4.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da sein Rechtsbegehren von vornherein als aussichtslos erschien, ist sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Seinen eingeschränkten finanziellen Verhältnissen kann bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr Rechnung getragen werden (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. September 2011
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Der Gerichtsschreiber: Boog