Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_274/2011
Urteil vom 20. Oktober 2011
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Borner.
Verfahrensbeteiligte
B.________, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Vögeli,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Betrügerischer Konkurs, Misswirtschaft; Anklagegrundsatz,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 15. Februar 2011.
Sachverhalt:
A.
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte B.________ am 15. Februar 2011 zweitinstanzlich wegen betrügerischen Konkurses und Misswirtschaft zu einer bedingten Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu Fr. 50.--.
B.
B.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer rügt, der Anklagegrundsatz sei verletzt. Die Anklage werfe ihm vor, er habe ca. Fr. 120'000.-- aus den Mitteln der P. GmbH einem privaten Vermögensverwalter anvertraut, "welcher das Geld mit Wissen des Angeklagten (...) in diesem nicht bekannte Anlagen mit erheblichem Risiko investierte" (angefochtener Entscheid, S. 10 oben). Damit umschreibe sie lediglich den Vorsatz hinsichtlich der getätigten Investition. Ob bezüglich der schliesslich eingetretenen Vermögenseinbusse ebenfalls (eventual-)vorsätzliches Handeln vorliege, sei nicht ersichtlich. Die Anklageschrift halte einzig fest, dass der Vermögensverwalter auf den spekulativen Anlagen massive Verluste erlitten habe, weshalb der Beschwerdeführer das investierte Kapital komplett abgeschrieben habe. Hätte dieser von Anbeginn eine Vermögenseinbusse in Kauf genommen, hätte er das Kapital bereits bei dessen Investition abgeschrieben.
Die Vorinstanz erachtet den Anklagegrundsatz als nicht verletzt, weil die Anklageschrift hinsichtlich der hoch spekulativen Anlagen auf das Wissens- und Willenselement des Beschwerdeführers Bezug nehme. Aus der Umschreibung der tatsächlichen Umstände und subjektiven Merkmale gehe durchaus hervor, dass ihm ein (eventual-)vorsätzliches Handeln vorgeworfen werde (angefochtener Entscheid, S. 9 f.).
Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer übergab ca. Fr. 120'000.-- der P. GmbH einem Vermögensverwalter, der an der Börse "ab und zu" einen Gewinn einfuhr. Er wusste, dass die Anlagen einem erheblichen Risiko ausgesetzt waren, nicht aber, in welche Titel das Geld investiert würde. Unter diesen Umständen musste er mit einem erheblichen Vermögensverlust rechnen und nahm einen solchen "Erfolg" auch in Kauf. Dass er das investierte Kapital nicht sofort massiv abschrieb, ändert daran nichts und ist vielmehr als ein Verstoss gegen die Grundsätze der Bilanzwahrheit und -klarheit anzusehen.
2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, der Geschäftsführer der P. GmbH habe den Entschluss, das fragliche Kapital in risikoreiche Anlagen zu investieren, allein getroffen und gewusst, dass dies auch zu einem Verlust führen könne. Offensichtlich habe er keinen Wert darauf gelegt, bei wem und in welcher Form das Kapital anzulegen sei. Den Entscheid darüber habe er dem Beschwerdeführer überlassen. Dieser habe somit lediglich den ursprünglichen Entschluss, ein gewisses Kapital risikoreich anzulegen, ausgeführt. Deshalb sei er nicht als Mitarbeiter mit selbstständigen Entscheidungsbefugnissen zu qualifizieren.
Die Vorinstanz hält dazu fest, der Beschwerdeführer habe den Geschäftsführer der P. GmbH unterstützt, indem er ihn insbesondere bei unternehmerisch wichtigen Entscheidungen beraten habe. Während dreier Jahre habe er die Buchhaltung der P. GmbH im Teilpensum geführt. Er habe auch zu den Börsengeschäften geraten. Er habe dem Vermögensverwalter das Geld der P. GmbH übergeben und alles selber abgewickelt. Der Geschäftsführer habe zu diesem keinen Kontakt gehabt (angefochtener Entscheid, S. 13 Ziff. 1.3.1). Indem der Beschwerdeführer konkret entscheiden konnte, bei wem und damit auch in welche Titel die ca. Fr. 120'000.-- risikoreich investiert werden sollten, kam ihm in Bezug auf das tatbestandsmässige Verhalten - die Gefährdung der Gläubigerrechte - selbstständige Entscheidungsbefugnis zu. Deshalb reihte ihn die Vorinstanz zu Recht unter den Täterkreis des Art. 29 StGB ein.
3.
Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe zum Zeitpunkt der Bankrotthandlung "anfangs 2006" nicht nur um die schlechte finanzielle Lage der P. GmbH gewusst, sondern dass die Bankrotthandlung gerade dazu dienen sollte, das Unternehmen aus der Überschuldung herauszuführen (angefochtener Entscheid, S. 16 Abs. 2).
Der Beschwerdeführer bestreitet, eventualvorsätzlich gehandelt zu haben. Die Vorinstanz übersehe, dass gemäss Anklageschrift "gegen Ende des Jahres 2005" eine Zahlungsunfähigkeit gedroht habe. Wenn sie den Zeitpunkt der drohenden Überschuldung erst auf anfangs 2006 fixiere, gestehe sie ein, dass im Zeitpunkt der effektiv getätigten Investitionen (Ende 2005) aus der Sicht des Beschwerdeführers keinerlei Überschuldung gedroht habe.
Mit seiner Argumentation weicht der Beschwerdeführer vom vorinstanzlichen Sachverhalt ab. Dass dieser willkürlich festgestellt worden wäre, macht er nicht geltend. Der Sachverhalt ist auch nicht von Amtes wegen zu berichtigen, zumal der Beschwerdeführer vor Schranken bejahte, "gegen Ende 2005 bzw. anfangs 2006" festgestellt zu haben, dass die Firma überschuldet war (Akten des Obergerichts, act. 78 S. 15 f.). Im Übrigen bringt der Beschwerdeführer nichts Wesentliches vor, das die vorinstanzliche Beurteilung in Frage stellen würde.
4.
Die Vorinstanz erkannte auf betrügerischen Konkurs, weil der Beschwerdeführer in der konkursamtlichen Einvernahme vom 6. September 2006 die Ansprüche aus dem Spekulationsgeschäft nicht angegeben hatte.
Der Beschwerdeführer verweist auf die Anklageschrift, wonach er wegen massiver Verluste im Spekulationsgeschäft das investierte Kapital komplett abgeschrieben habe. Vollständig abgeschriebenes Kapital hätte er dem Konkursbeamten auch nicht als Aktivum deklarieren müssen.
Nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz ging der Beschwerdeführer noch im März 2010 davon aus, dass ein Teil des Geldes aus den Spekulationsgeschäften zurückfliessen könnte (angefochtener Entscheid, S. 18 Ziff. 2.2.2). Folglich hätte er diese (unsicheren) Ansprüche angeben müssen. Dass eine vorsichtige Bilanzierung es erlaubte, den Posten komplett abzuschreiben, ändert daran nichts.
5.
Der Beschwerdeführer rügt die Strafzumessung als nicht nachvollziehbar. Die Vorinstanz habe keine Einsatzstrafe genannt und die Tatmehrheit sowie das Geständnis nicht gewichtet. Damit habe sie Art. 47 und 50 StGB verletzt.
Dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, dass es die Vorinstanz versäumt hat, bei der Bildung der Gesamtstrafe die Einsatzstrafe für das schwerste Delikt festzulegen und das Geständnis zu gewichten. Der Richter hat nämlich in einem ersten Schritt den Strafrahmen für die schwerste Straftat zu bestimmen und alsdann die Einsatzstrafe für diese Tat, unter Einbezug aller straferhöhenden und strafmindernden Umstände, innerhalb dieses Strafrahmens festzusetzen. In einem zweiten Schritt hat er diese Einsatzstrafe unter Einbezug der anderen Straftaten zu einer Gesamtstrafe zu erhöhen, wobei er ebenfalls den jeweiligen Umständen Rechnung zu tragen hat (vgl. Urteile 6B_218/2010 vom 8. Juni 2010 E. 2.1 und 6B_460/2010 vom 4. Februar 2011 E. 3.3.4 mit Hinweisen).
Die Vorinstanz beurteilt das Verschulden des Beschwerdeführers hinsichtlich der Misswirtschaft als beträchtlich (wie das Bezirksgericht) und dasjenige bezüglich des betrügerischen Konkurses als leichter. Indem sie die ursprüngliche 13-monatige Freiheitsstrafe auf 270 Tagessätze herabsetzt - ohne zunächst die lange Verfahrensdauer mit 30 Tagessätzen zu veranschlagen -, trägt sie dem weniger schwer gewichteten Verschulden für das zweite Delikt Rechnung.
Die ausgesprochene Strafe von 240 Tagessätzen bewegt sich im unteren Bereich des Strafrahmens und liegt im vorinstanzlichen Bereich des Ermessens. Offensichtlich hat sich die mangelhafte Begründung nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgewirkt. Deshalb rechtfertigt es sich nicht, das angefochtene Urteil aufzuheben (BGE 127 IV 101 E. 2c am Ende).
6.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da seine Begehren nicht von vornherein aussichtslos erschienen und die Bedürftigkeit bejaht werden kann, ist das Gesuch gutzuheissen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist ihm als unentgeltlicher Anwalt beizugeben und aus der Bundesgerichtskasse angemessen zu entschädigen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Für das bundesgerichtliche Verfahren wird dem Beschwerdeführer Rechtsanwalt Urs Vögeli als unentgeltlicher Anwalt beigegeben.
5.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- entschädigt.
6.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. Oktober 2011
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Der Gerichtsschreiber: Borner