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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C_541/2011
Urteil vom 7. Dezember 2011
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.
Verfahrensbeteiligte
1. B.________,
2. P.________, beide vertreten durch
Herr Alex Wittmann und Herr Robin Moser,
Beschwerdeführer,
gegen
BVG-Sammelstiftung Swiss Life, c/o Swiss Life AG, General Guisan-Quai 40, 8002 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Mai 2011.
Sachverhalt:
A.
C.________, geboren 1959, war ab 1. März 2005 bei der H.________ SA angestellt. Die BVG-Sammelstiftung der Swisslife (nachfolgend: BVG-Sammelstiftung), welcher die H.________ SA angeschlossen ist, teilte C.________ am 26. Mai 2005 mit, sie übernehme rückwirkend ab 1. März 2005 die Haftung ohne Vorbehalt für die obligatorischen Versicherungsteile gemäss BVG. Für das Überobligatorium brachte sie folgenden Vorbehalt an: "Sofern der Tod oder die Erwerbsunfähigkeit durch das Gesundheitsproblem und dessen Folgen gemäss den uns vorliegenden ärztlichen Unterlagen verursacht ist, besteht kein Leistungsanspruch". Dieser Vorbehalt war befristet bis 28. Februar 2010 und betraf "Herzerkrankungen". C.________ verstarb am 28. September 2007 und wurde am 1. Oktober 2007 obduziert (Berichte des pathologischen Instituts [Institut Universitaire de Pathologie] am Spital X.________ vom 8. Oktober und 13. November 2007 sowie vom 22. Januar 2008).
Mit Schreiben vom 13. Februar 2008 teilte die BVG-Sammelstiftung der H.________ SA die Höhe der Leistungen zu Gunsten der Witwe des C.________ mit. Auf entsprechende Nachfrage der H.________ SA erklärte die BVG-Sammelstiftung am 23. Mai 2008, die Leistungen stützten sich auf Art. 3 Abs. 1 des Vorsorgereglementes (Obligatorium) unter Ausschluss aller überobligatorischen Leistungen, weil der Gesundheitsvorbehalt zu Anwendung gelange.
B.
Nachdem das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich der H.________ SA, welche zunächst gegen die BVG-Sammelstiftung klagte, die Aktivlegitimation abgesprochen hatte, erhoben die Witwe des C.________, K.________, sowie sein Sohn P.________ ihrerseits Klage gegen die BVG-Sammelstiftung und beantragten die Zusprechung des (obligatorischen und überobligatorischen) Barwertes der Witwenrente sowie der (obligatorischen und überobligatorischen) Halbwaisenrente und die Feststellung des Anspruches auf Halbwaisenrente pro futuro. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Klage mit Entscheid vom 27. Mai 2011 teilweise gut (soweit es darauf eintrat) und verpflichtete die BVG-Sammelstiftung, den Klägern die obligatorischen Hinterlassenenleistungen auszurichten, einschliesslich Verzugszins. Im Übrigen wies es die Klage ab.
C.
K.________ und P.________ führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und wiederholen die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren.
Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung, die BVG-Sammelstiftung schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. In der Beschwerdebegründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).
2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch der Beschwerdeführer auf überobligatorische Hinterlassenenleistungen und dabei einzig die Frage, ob das kantonale Gericht zu Recht das vom Vorbehalt erfasste Herzleiden des Versicherten (hypertrophische Kardiomyopathie; Berichte des Prof. Dr. med. U.________, Chefarzt an der Klinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin an den Städtischen Kliniken I.________, vom 28. Mai 2003, sowie des Dr. med. M.________, Internist, vom 27. April 2005) als überwiegend wahrscheinliche Todesursache angenommen hat.
3.
3.1 Die Vorinstanz erwog, es möge sein, dass bei rein theoretischer Betrachtungsweise das Herzleiden nicht mit absoluter Sicherheit als Todesursache bestimmt werden könne. Prof. Dr. med. Y.________, Chefarzt des interdisziplinären Notfallzentrums (Centre interdisciplinaire des urgences) am Spital X.________ (Schreiben vom 5. Mai 2008), und Dr. med. R.________, Facharzt Innere Medizin FMH, (Brief vom 21. November 2009), hätten auf solche Zweifel hingewiesen, ohne aber eine plausiblere oder wahrscheinlichere Todesursache nennen zu können. Dr. med. R.________ habe festgestellt, dass zahlreiche Familienmitglieder des Versicherten an einem Hirnschlag gestorben seien; in der Autopsie hätten jedoch keine Auffälligkeit im zentralen Nervensystem und namentlich keine Anzeichen einer Hirnläsion gefunden werden können. Der verantwortliche Klinikchef des pathologischen Instituts (Institut universitaire de Pathologie) am Spital X.________, Dr. med. O.________, habe am 12. Januar 2010 ausdrücklich bestätigt, dass keine weiteren als die drei beigezogenen Autopsieberichte existierten. Gestützt auf die Ergebnisse der Obduktion und die Beurteilung des Dr. med. F.________, Innere Medizin und Angiologie FMH, vom 3. Juni 2008, sei überwiegend wahrscheinlich, dass der Versicherte an den Folgen seiner lange bekannten Herzkrankheit gestorben sei.
3.2 Die Beschwerdeführer rügen die vorinstanzliche Beweiswürdigung als willkürlich. Obwohl die Experten am Spital X.________ sowie Dr. med. R.________ einerseits und Dr. med. F.________ anderseits zu widersprüchlichen Beurteilungen kamen, habe die Vorinstanz ohne Beizug eines Sachverständigen in nicht vertretbarer Weise geschlossen, der Versicherte wäre überwiegend wahrscheinlich an den Folgen seiner Herzkrankheit gestorben und ihren Entscheid damit begründet, es fehlten objektive Anzeichen für andere Todesursachen. Die Beurteilung des Dr. med. F.________ habe als Parteigutachten nicht die Bedeutung eines Beweismittels, weshalb die Vorinstanz hierauf nicht hätte abstellen dürfen. Die antizipierte Beweiswürdigung, namentlich der nicht näher begründete Verzicht des kantonalen Gerichts auf den beantragten Beizug des Autopsieprotokolls verletze sowohl das rechtliche Gehör als auch Art. 8 ZGB, die Begründungspflicht und das Willkürverbot.
4.
4.1 Der Versicherte wurde am 1. Oktober 2007 obduziert. Bei den Akten befinden sich drei Autopsieberichte: Ein provisorischer Bericht (Unterschriftsdatum: 8. Oktober 2007), ein definitiver Bericht (Unterschriftdatum: 13. November 2007) sowie ein berichtigter finaler Bericht (Unterschriftsdatum: 22. Januar 2008). In allen drei Berichten wird aufgeführt, dass die Autopsie eine erhebliche Herzhypertrophie mit einer interstitiellen Fibrose und einer strukturellen Desorganisation im Septumbereich ergeben habe. Die Ärzte führten aus, die strukturelle Desorganisation und das Fehlen von durch eine arterielle Hypertonie oder Aortenstenose bedingten Läsionen bestätigten die Diagnose einer hypertrophischen Kardiomyopathie. Ein Befund für eine andere potenzielle Ursache des plötzlichen Todes (Koronararteriensklerose, Lungenembolie, Hämorrhagie, Hirnläsion) fehle.
4.2 Der von der Witwe des Versicherten um eine Beurteilung angefragte Prof. Y.________ führte zu Handen der ehemaligen Arbeitgeberfirma des Verstorbenen am 5. Mai 2008 aus, die Autopsie habe keine Begründung für den Tod ergeben und weiter: "Il est donc probablement abusif d'attribuer formellement cette mort subite à la cardio-myopathie préexistante connue chez ce patient".
4.3 Dr. med. F.________, beratender Arzt der Beschwerdegegnerin erklärte am 3. Juni 2008, die Todesumstände seien für einen kardialen Tod "absolut typisch", der Autopsiebericht ergebe eine Kardiomyopathie und sonst nichts, er lasse "nicht einmal den Hauch einer anderen Ursache vermuten". Aus medizinischer Sicht könne die Todesursache mit hoher Sicherheit dem Herzen zugeordnet werden. Die Vorgeschichte, die Umstände des Todes und die Autopsie passten perfekt zusammen.
4.4 Dr. med. R.________, welcher die H.________ SA medizinisch beriet, erklärte am 21. November 2009, aus dem Autopsiebericht vom 1. Oktober 2007 könne nicht der Schluss gezogen werden, die Kardiomyopathie sei Todesursache gewesen. Die Tatsache, dass der Verstorbene an einer Kardiomyopathie gelitten habe, bedeute nicht, dass er auch daran gestorben sei. Zahlreiche Verwandte des Versicherten väterlicher- und mütterlicherseits seien an einem Hirnschlag gestorben. Gestützt auf den Autopsiebericht könne ein solcher auch im Fall des Versicherten nicht ausgeschlossen werden, weil der Bericht keinerlei Auskunft über die Untersuchung des Gehirns gebe.
5.
5.1 Nach dem im Sozialversicherungsprozess geltenden Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist ein bestimmter Sachverhalt nicht bereits dann bewiesen, wenn er bloss möglich ist. Hingegen genügt es, wenn das Gericht aufgrund der Würdigung aller relevanten Sachumstände, mithin nach objektiven Gesichtspunkten, zur Überzeugung gelangt, dass er der wahrscheinlichste aller in Betracht fallenden Geschehensabläufe - bei zwei möglichen Sachverhaltsvarianten: die wahrscheinlichere - ist und zudem begründeterweise angenommen werden darf, dass weitere Beweismassnahmen an diesem feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern (ein Wahrscheinlichkeitsgrad von generell 75% ist nicht vorausgesetzt; Urteil 9C_717/2009 vom 20. Oktober 2009 E. 3.3 mit Hinweisen).
5.2 Ein kantonaler Entscheid ist willkürlich und vom Bundesgericht aufzuheben, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 132 III 209 E. 2.1; 131 I 57 E. 2 S. 61, 467 E. 3.1 S. 473 f.; 129 I 8 E. 2.1; 128 I 177 E. 2.1, je mit Hinweisen). Die Beweiswürdigung ist mithin nicht schon dann willkürlich, wenn vom Sachrichter gezogene Schlüsse nicht mit der Darstellung des Beschwerdeführers übereinstimmen, sondern bloss, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9 mit Hinweisen).
5.3 Gemäss den für das Bundesgericht verbindlichen und im Übrigen unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG; E. 1 hievor) litt der Versicherte an einer hypertrophischen Kardiomyopathie (E. 2 hievor; ein EKG im Jahre 2005 ergab eine links präcordiale Repolstörung mit flach negativem T und abgeleiteter horizontaler ST-Streckensenkung [Bericht des Dr. med. M.________ vom 27. April 2005], und die Obduktion bestätigte u.a. eine globale, links überwiegende Herzhypertrophie). Zwar trifft es zu, dass eine Diagnose als solche nicht in jedem Fall eine zuverlässige Beantwortung der Frage nach der Todesursache zulässt, weshalb aus dem Vorliegen der Kardiomyopathie in der Tat nicht unbesehen geschlossen werden darf, dass der Versicherten auch daran gestorben ist. Indes ergab die Autopsie "pas d'évidence d'autre cause potentielle de mort subite"; eine Lungenembolie, eine Koronararteriensklerose, eine Hämorrhagie sowie signifikante makroskopische oder mikroskopische Läsionen des zentralen Nervensystems schlossen die Pathologen aus. Wenn die Vorinstanz nach sorgfältiger Würdigung der medizinischen Beurteilungen, der Vorakten und der Todesumstände die Herzerkrankung als überwiegend wahrscheinliche Todesursache erachtete, kann dies nicht als willkürlich bezeichnet werden, sondern ist durchaus plausibel und nachvollziehbar. Der plötzliche Herztod nach einer körperlichen (sportlichen) Belastung ist die am meisten gefürchtete Komplikation einer hypertrophen Kardiomyopathie (vgl. z.B. Fauchère/Duru, Hypertrophe Kardiomyopathie und plötzlicher Herztod - ICD-Indikationen in der Grauzone, in: Praxis 2009 [98], S. 941; Harrison, Innere Medizin, deutsche Ausgabe, 2005, S. 1512), und es steht fest, dass der Tod des Versicherten im Anschluss an sein Jogging eintrat. Die Beurteilung des Dr. med. F.________, der am 3. Juni 2008 ausführte, die Todesursache könne mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Herzen zugeordnet werden; Vorgeschichte, Todesumstände und Autopsie seien "perfekt passend", leuchtet vor diesem Hintergrund ein. Wenn die Vorinstanz dieser Einschätzung höheren Beweiswert zumass als den die Unsicherheit der Todesursache betonenden, aber keine plausiblere oder wahrscheinlichere Todesursache aufzeigenden Beurteilungen des Prof. Dr. med. Y.________ (E. 4.2 hievor) und des Dr. med. R.________ (E. 4.4 hievor, der im Übrigen als beratender Arzt der H.________ SA sowie der Witwe des Versicherten tätig war), liegt darin keine willkürliche oder sonstwie bundesrechtswidrige Beweiswürdigung. Für beweismässige Weiterungen, namentlich das Einholen einer zusätzlichen Expertenmeinung, bestand kein Anlass. Auch der Verzicht auf den Beizug des Autopsieprotokolls hält vor Bundesrecht stand. Die Beschwerdeführer machen lediglich in allgemeiner Weise geltend, dieses Protokoll erlaubte eine Verifizierung des Autopsieberichtes bzw. eine Prüfung, ob die Obduktion lege artis vorgenommen worden sei, und könnte mögliche alternative Todesursachen nennen. Sie rügen aber nicht substantiiert, in welchen konkreten Punkten der Autopsiebericht nicht lege artis durchgeführt, nicht nachvollziehbar oder unvollständig wäre. Anhaltpunkte, welche auf eine unsachgemässe Durchführung oder eine Unvollständigkeit hindeuteten fehlen, auch sind die Ausführungen gut nachvollziehbar. Der Autopsiebericht ist eine Synthese aller relevanten Befunde; inwiefern vom Protokoll ein wesentlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten wäre, wurde nicht hinreichend dargetan, namentlich kann ausgeschlossen werden, dass sich aus dem Protokoll alternative Todesursachen ergeben, nachdem die Pathologen explizit keine Befunde für andere potenzielle Ursachen des plötzlichen Todes erheben konnten. Die antizipierte Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden.
6.
Dem Verfahrensausgang entsprechend tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 7. Dezember 2011
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Meyer
Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle