Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C_700/2011
Urteil vom 11. Januar 2012
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Dormann.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Reinhold Nussmüller,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle des Kantons Thurgau,
St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 17. August 2011.
Sachverhalt:
A.
Der 1953 geborene A.________ meldete sich im Januar 2010 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Thurgau mit Verfügung vom 18. April 2011 eine vom 1. Juli 2010 bis 31. Januar 2011 befristete halbe Invalidenrente zu.
B.
Die Beschwerde des A.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 17. August 2011 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, unter Aufhebung des Entscheids vom 17. August 2011 sei ihm ab 1. Juli 2010 eine volle (recte: ganze) Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zu ergänzenden medizinischen Abklärungen und zur neuerlichen Prüfung des Leistungsbegehrens an die Vorinstanz resp. die IV-Stelle zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
2.1 Die Vorinstanz hat unter Verweis auf die medizinischen Unterlagen und die Auffassung des Regionalen Ärztlichen Dienstes festgestellt, die Arbeitsfähigkeit des Versicherten in einer angepassten Tätigkeit sei weder aus kardiologischer noch aus rheumatologischer Sicht eingeschränkt. Alle involvierten Ärzte hätten die psychische Situation als bestimmend für die Beschwerden und die Einschränkung der Leistungsfähigkeit gehalten. Sodann hat das kantonale Gericht dem psychiatrischen Gutachten des Dr. med. R.________ vom 2. November 2010 Beweiskraft beigemessen und dementsprechend festgestellt, seit 20. Oktober 2010 sei der Beschwerdeführer in einer adaptierten Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig. Gestützt auf den Bericht des Externen Psychiatrischen Dienstes (EPD) vom 10. Mai 2010 hat es eine seit 1. April 2009 um 50 % eingeschränkte Arbeitsfähigkeit festgestellt. Für die Invaliditätsgradbemessung hat es unter Berücksichtigung eines Leidensabzugs von 5 % einen Prozentvergleich durchgeführt und schliesslich den befristeten Rentenanspruch bestätigt.
2.2 Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 1). Die konkrete Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht im Rahmen der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei überprüfen kann (Art. 106 Abs. 1 BGG).
2.3 Die vorinstanzliche Feststellung betreffend die somatischen Aspekte wird vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt. Was er gegen die weiteren vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen vorbringt, hält nicht stand. Das Gutachten des Dr. med. R.________ genügt den materiellen bundesrechtlichen Anforderungen an die Beweiskraft (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis): Es beruht auf eingehender Untersuchung des Beschwerdeführers und der Experte berücksichtigte die medizinischen Unterlagen, und dabei insbesondere die Berichte der Dres. med. K.________ und M.________. Anhaltspunkte für eine ungenügende Beachtung der Medikation fehlen. Weiter hat der Gutachter die Arbeitsfähigkeit zu Recht mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu somatoformen Schmerzstörungen und ähnlichen Zuständen (BGE 130 V 352) eingeschätzt (vgl. Urteil 8C_426/2011 vom 29. September 2011 E. 8.5; SVR 2008 IV Nr. 62 S. 203, 9C_830/2007 E. 4.2), zumal keine genügenden Gründe für eine diesbezügliche Praxisänderung (vgl. BGE 136 III 6 E. 3 S. 8; 135 I 79 E. 3 S. 82; 134 V 72 E. 3.3 S. 76) vorgebracht werden. Den in diesem Zusammenhang geäusserten Vorbringen in der Beschwerde (bezüglich der von medizinischer Seite geäusserten Kritik an der Rechtsprechung BGE 130 V 352), welche die Berechtigung normativer Anforderungen mit dem Hinweis in Frage stellen, den "Mustermenschen" gebe es nicht, der eine Patient tue "sich leichter damit", etwas "wegzustecken", ein anderer sei dazu unfähig, kann nicht beigepflichtet werden (vgl. Urteil 9C_776/2010 vom 20. Dezember 2011). Die Rechtsprechung hat seit je das vom psychisch beeinträchtigten Rentenbewerber Forderbare im Rahmen einer objektivierenden Betrachtungsweise festgelegt (BGE 102 V 165 mit Hinweis), woran BGE 130 V 352 nichts geändert hat. Im Gutachten wird nachvollziehbar und einleuchtend dargelegt, dass neben den Schmerzen keine eigenständige psychische Komorbidität diagnostiziert werden konnte, die somatischen Begleiterkrankungen angepasste Tätigkeiten nicht limitieren, kein sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens erfolgte, ein primärer Krankheitsgewinn nicht ersichtlich ist und das Kriterium unbefriedigender Behandlungsergebnisse nicht zutrifft. Die durchgemachte schwere, medizinisch erfolgreiche Herzoperation, die Ängste wegen Autograft und Herzschrittmacher sowie das Alter stellen keine invalidisierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen dar.
Was die Arbeitsfähigkeit vor dem 20. Oktober 2010 betrifft, hat das kantonale Gericht das Vorliegen eines rechtlich relevanten Gesundheitsschadens in Zweifel gezogen (vgl. Urteil 8C_302/2011 vom 20. September 2011 E. 2.5.2). Dennoch nahm es zu Gunsten des Versicherten einen solchen an und stellte eine um 50 % reduzierte Arbeitsfähigkeit fest. Eine geringere ärztlich attestierte Arbeitsfähigkeit ab 1. Juli 2009 (vgl. Art. 29 Abs. 1 IVG) lässt sich einzig dem Bericht des Dr. med. M.________ (Allgemeinmediziner und Homöopath) vom 2. Februar 2010 entnehmen; diesbezüglich ist indessen der geeigneteren fachlichen Qualifikation der Ärzte des EPD, welche auch im Verlaufsbericht vom 22. September 2010 grundsätzlich von einer Einschränkung um 50 % ausging, Rechnung zu tragen. Der Beschwerdeführer bringt denn auch nichts gegen die Berichte des EPD oder die darin enthaltenen Arbeitsfähigkeitsschätzungen vor. Was die Berufung auf den Kardiologen Dr. med. K.________ anbelangt, hat dieser einerseits keine durch Befunde aus diesem Fachgebiet begründete Arbeitsunfähigkeit attestiert; andererseits ist es nicht Sache der behandelnden Ärzte, im Streitfall verbindlich zur Arbeitsunfähigkeit Stellung zu nehmen, ist deren Einschätzung doch der medizinischen Begutachtung vorbehalten (BGE 125 V 351 E. 3b/cc S. 353; Urteile 8C_740/2010 vom 29. September 2011 E. 6; 9C_842/2009 vom 17. November 2009 E. 2.2). Im Übrigen beschränkt sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen ohnehin darauf, die Beweise abweichend von der Vorinstanz zu würdigen und daraus andere Schlüsse zu ziehen, was nicht genügt (Urteile 9C_688/2007 vom 22. Januar 2008 E. 2.3 und 4A_28/2007 vom 30. Mai 2007 E. 1.3 [in BGE 133 III 421 nicht publiziert]).
2.4 Nach dem Gesagten sind die vorinstanzliche Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung nicht offensichtlich unrichtig und beruhen auch nicht auf einer Rechtsverletzung. Sie bleiben daher für das Bundesgericht verbindlich (E. 1).
2.5 Soweit der Beschwerdeführer das Verhalten der IV-Stelle rügt, ist darauf nicht einzugehen, weil nicht dieses, sondern der vorinstanzliche Entscheid Anfechtungsobjekt im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren bildet (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG; Urteil 9C_447/2011 vom 21. Juli 2011 E. 4.1.3). Was die von der Vorinstanz angewendete Methode der Invaliditätsbemessung (vgl. Art. 16 ATSG) resp. die Festsetzung des Valideneinkommens anbelangt, wird nicht dargelegt und ist nicht ersichtlich, inwiefern sich das Abstellen auf den früher erzielten Lohn auf den Rentenanspruch auswirken sollte; Weiterungen erübrigen sich daher auch diesbezüglich. Die übrigen Faktoren der Invaliditätsbemessung und die zeitlichen Aspekte des Rentenanspruchs werden nicht angefochten. Die Vorinstanz hat nach dem Gesagten zu Recht die befristete Zusprache einer halben Invalidenrente bestätigt (Art. 28 Abs. 2 IVG).
3.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, der Ostschweizerischen Ausgleichskasse für Handel und Industrie, St. Gallen, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 11. Januar 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Meyer
Die Gerichtsschreiberin: Dormann