BGer 1B_700/2011
 
BGer 1B_700/2011 vom 07.02.2012
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
1B_700/2011
Urteil vom 7. Februar 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Haag.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Markus Trottmann,
gegen
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft,
Hauptabteilung OK/WK, Rheinstrasse 12, 4410 Liestal.
Gegenstand
Strafverfahren; Siegelung; Fristversäumnis,
Beschwerde gegen den Beschluss vom 11. Oktober 2011 des Kantonsgerichts Basel-Landschaft,
Abteilung Strafrecht.
Sachverhalt:
A.
Im Rahmen einer Strafuntersuchung gegen X.________ wegen Betrugs und ungetreuer Geschäftsbesorgung wies die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft mit Verfügung vom 11. Juli 2011 einen Antrag des Beschuldigten vom 24. Juni 2011 auf nachträgliche Siegelung der am 23. Juni 2011 in Büroräumlichkeiten in Therwil beschlagnahmten Unterlagen und Computerdaten ab, soweit sie darauf eintrat.
Gegen diese Verfügung erhob X.________ mit Schreiben vom 21. Juli 2011 (Postaufgabe 25. Juli 2011) Beschwerde beim Kantonsgericht Basel-Landschaft mit dem Antrag auf Siegelung aller Unterlagen und Materialien, soweit diese überhaupt verwendet werden dürften.
Mit Beschluss vom 11. Oktober 2011 trat das Kantonsgericht auf die Beschwerde wegen Fristversäumnis nicht ein.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 12. Dezember 2011 beantragt X.________, der Beschluss des Kantonsgerichts sei aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, die am 25. Juli 2011 eingereichte Beschwerde materiell zu behandeln. Weiter verlangt er, der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung beizulegen und vorsorglich sei die Siegelung der beschlagnahmten Unterlagen und Computerdaten anzuordnen.
Die Staatsanwaltschaft stellt den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Der Beschwerdeführer hält in einer weiteren Eingabe an seinen Anträgen fest.
Erwägungen:
1.
Gegen den angefochtenen Entscheid, der die Frage der fristgerechten Einreichung einer Beschwerde im Sinne von Art. 393 ff. StPO betrifft, ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG). Zu prüfen ist lediglich die Frage, ob der Beschwerdeführer die Frist gemäss Art. 396 Abs. 1 StPO zur Einreichung der Beschwerde beim Kantonsgericht versäumt hat.
2.
Nach Art. 396 Abs. 1 StPO ist die Beschwerde innert 10 Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen. Fristen, die durch eine Mitteilung oder den Eintritt eines Ereignisses ausgelöst werden, beginnen am folgenden Tag zu laufen (Art. 90 Abs. 1 StPO). Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, einen Sonntag oder einen vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannten Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag. Massgebend ist das Recht des Kantons, in dem die Partei oder ihr Rechtsbeistand den Wohnsitz oder den Sitz hat (Art. 90 Abs. 1 StPO). Hat eine Partei eine Frist versäumt und würde ihr daraus ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, so kann sie die Wiederherstellung der Frist verlangen; dabei hat sie glaubhaft zu machen, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft (Art. 94 Abs. 1 StPO).
2.1 Die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 11. Juli 2011 wurde vom amtlichen Verteidiger des Beschuldigten, den die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 1. Juli 2011 eingesetzt hatte, am 12. Juli 2011 in Empfang genommen. Mitteilungen an Parteien, die einen Rechtsbeistand bestellt haben, werden nach Art. 87 Abs. 3 StPO rechtsgültig an diesen zugestellt. Diese Bestimmung ist auf amtlich bestellte Verteidiger analog anzuwenden, da sonst die Verfahrensführung übermässig erschwert würde, was vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgebots (Art. 5 Abs. 1 StPO) und der übrigen Grundsätze des Strafverfahrensrechts (Art. 3 ff. StPO) nicht angeht. Die 10-tägige Beschwerdefrist begann in Anwendung von Art. 90 Abs. 1 StPO am 13. Juli 2011 zu laufen. Sie endete am Freitag, dem 22. Juli 2011, und nicht, wie die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid ausführt, am Samstag, dem 23. Juli 2011. Das Ende der Frist wird vom Bundesgericht im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen überprüft (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Einreichung der Beschwerde beim Kantonsgericht am Montag, dem 25. Juli 2011, erfolgte somit verspätet.
Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer nach seinen Angaben erst am 15. Juli 2011 in den Besitz der Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 11. Juli 2011 gelangt sein soll; nach Art. 87 Abs. 3 StPO ist wie erwähnt die Zustellung an den Rechtsbeistand massgebend.
Weiter ist nicht von Belang, dass der Beschwerdeführer die schriftliche Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 1. Juli 2011 über die Einsetzung des amtlichen Verteidigers trotz postalischem Zustellversuch nicht in Empfang nahm und somit angeblich erst am 15. Juli 2011 von der amtlichen Verteidigung Kenntnis erhielt. Die Zustellung gilt bei einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt wurde, als am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellversuch erfolgt, wenn die Person mit einer Zustellung rechnen musste (Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO). Diese Voraussetzungen sind nach den zutreffenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 16. Januar 2012 erfüllt.
Schliesslich steht der Bejahung eines Fristversäumnisses auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer bei der Beschwerdeinstanz eine Beschwerde gegen die Einsetzung des amtlichen Verteidigers eingereicht hat, da der Beschwerde grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt und keine anderslautenden Bestimmungen oder Anordnungen ersichtlich sind (Art. 387 StPO).
2.2 Das Kantonsgericht hätte somit auf die Beschwerde nur eintreten können, wenn die Voraussetzungen einer Fristwiederherstellung nach Art. 94 StPO erfüllt gewesen wären. Daran fehlte es bereits, weil der Beschwerdeführer kein entsprechendes Gesuch eingereicht hatte. Selbst wenn von einem sinngemässen Wiederherstellungsgesuch ausgegangen werden müsste, wie dies der Beschwerdeführer nun in seiner Beschwerde an das Bundesgericht behauptet, so hätte er zumindest glaubhaft die Gründe darlegen müssen, nach welchen ihn an der Säumnis kein Verschulden trifft. Solche Gründe wurden weder im vorinstanzlichen noch im bundesgerichtlichen Verfahren vorgetragen. Insbesondere fehlt eine nachvollziehbare Erklärung, weshalb es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sein soll, seine Beschwerde spätestens am 22. Juli 2011 noch fristgerecht einzureichen, nachdem er am 15. Juli 2011 vom Anfechtungsobjekt Kenntnis erlangt hatte. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz von einer Wiederherstellung der Frist absah.
3.
Zusammenfassend ergibt sich, dass der angefochtene Entscheid kein Bundesrecht verletzt und die Beschwerde somit abzuweisen ist. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung und vorsorgliche Massnahmen wird mit dem vorliegenden Entscheid gegenstandslos.
Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. Februar 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Haag