BGer 5A_110/2012
 
BGer 5A_110/2012 vom 17.02.2012
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
5A_110/2012
Urteil vom 17. Februar 2012
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber Zbinden.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Regierungsstatthalteramt Emmental, Amthaus, Dorfstrasse 21, 3550 Langnau im Emmental.
Gegenstand
Fürsorgerische Freiheitsentziehung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Zivilabteilung, Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehung, vom 4. Januar 2012.
Sachverhalt:
A.
A.a X.________ (geb. xxxx 1936) leidet unter einer langjährigen Alkohol- und Nikotinabhängigkeit, woraus schwere körperliche Folgeschäden wie eine ausgeprägte Leberzirrhose, Oesophagusvarizen, eine schwere hypertensive Gastropathie und eine COPD resultierten. Sie gilt als krankheits- und behandlungsuneinsichtig. Ihr wurde bereits im Januar 2011 fürsorgerisch die Freiheit entzogen.
A.b Mit Verfügung des Regierungstatthalteramtes Emmental vom 20. Dezember 2011 wurde X.________ gestützt auf Art. 397a ZGB auf unbestimmte Zeit in das Hospice A.________ verlegt.
B.
X.________ gelangte gegen diese Verfügung am 28. Dezember 2011 an das Obergericht des Kantons Bern, Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehungen, mit dem Begehren um Entlassung. Das Obergericht zog die Akten aus dem ersten Verfahren FFE 2011 48 bei, darunter insbesondere das fachärztliche Gutachten der Oberärztin des Psychiatriezentrums B.________, Dr. med. Y.________, vom 10. Januar 2011; ferner berücksichtigte es namentlich das Zeugnis der ärztlichen Leitung des Hospice A.________ vom 1. Dezember 2011 und die Stellungnahme der Heimleiterin, Z.________, vom 3. Januar 2012. Sodann hörte das Obergericht die Betroffene am 3. Januar 2012 an und wies den Rekurs mit Entscheid vom 4. Januar 2012 ab.
C.
X.________ hat am 2. Februar 2012 (Postaufgabe) gegen den ihr am 5. Januar 2012 in voller Ausfertigung zugestellten obergerichtlichen Entscheid beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie ersucht sinngemäss um Entlassung aus der fürsorgerischen Freiheitsentziehung und um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes.
Obergericht und Regierungsstatthalter haben auf Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdeführerin hat dem Bundesgericht am 7. Februar 2012 ein weiteres Schreiben zukommen lassen.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid (Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG) betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung. Er betrifft eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit, die in engem Zusammenhang mit dem Zivilrecht steht und demzufolge mit Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht angefochten werden kann (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Die begründete Ausfertigung des angefochtenen Entscheids ist der Beschwerdeführerin am 5. Januar 2012 zugestellt worden; die Beschwerdefrist ist damit infolge des Wochenendes vom 4./5. Februar 2012 am Montag, 6. Februar 2012, abgelaufen (Art. 100 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 45 Abs. 1 BGG). Die am 2. Februar 2012 eingereichte Beschwerde ist damit rechtzeitig eingereicht worden, während die weitere Eingabe vom 7. Februar 2012 (Art. 100 Abs. 1 BGG) als verspätet gilt und damit unbeachtlich bleibt.
2.
Eine mündige oder entmündigte Person darf wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht, anderen Suchterkrankungen oder schwerer Verwahrlosung in einer geeigneten Anstalt untergebracht oder zurückbehalten werden, wenn ihr die nötige persönliche Fürsorge nicht anders erwiesen werden kann (Art. 397a Abs. 1 ZGB). Wie bei der Einweisung in eine Anstalt ist auch bei der Zurückbehaltung des Betroffenen das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu beachten. Erforderlich ist, dass der Betroffene infolge der im Gesetz umschriebenen Schwächezustände persönlicher Fürsorge bedarf, die ihm nur in einer Anstalt gewährt werden kann (BGE 114 II 213 E. 5). Ferner ist die Belastung zu berücksichtigen, welche die Person für ihre Umgebung bedeutet (Art. 397a Abs. 2 ZGB). Sobald es sein Zustand erlaubt, muss der von der fürsorgerischen Freiheitsentziehung Betroffene entlassen werden (Art. 397a Abs. 3 ZGB; siehe zum Ganzen: BGE 134 III 289 E. 4).
3.
Aus den vom Obergericht beigezogenen, im Sachverhalt des angefochtenen Entscheids erwähnten Akten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin an einer langjährigen Alkohol- und Nikotinabhängigkeit sowie an schweren körperlichen Folgeschäden, namentlich an einer ausgeprägten Leberzirrhose, an Oesophagusvarizen, einer schweren hypertensiven Gastropathie und an einer COPD leidet. Gemäss dem Gutachten der ärztlichen Leitung des PZM vom 10. Januar 2011 gibt es zwar keine Anzeichen etwaiger kognitiver Einschränkungen, doch fehlt es der Beschwerdeführerin an Kooperationsbereitschaft und introspektiven Fähigkeiten, was zu einem ausgeprägten Mangel an Krankheits- und Behandlungseinsicht führte. Nach den weiteren Feststellungen des Gutachters hat die Betreuung im geschützten stationären Rahmen unter der aktuellen Medikation und absoluter Alkoholintoleranz einen leicht verbesserten Allgemeinzustand bewirkt. Die Beschwerdeführerin ist aber nicht in der Lage, für sich selbst Sorge zu tragen; bereits im Vorfeld hat sich laut Gutachter gezeigt, dass sie ungeachtet der Konsequenzen ihrem Suchtverhalten nachgeht und sich auf diese Weise gefährdet. Aufgrund der schweren körperlichen Defizite empfiehlt der Gutachter eine ärztlich betreute, geschlossene Pflegeinstitution. Das ärztliche Zeugnis der Heimleitung vom 1. Dezember 2011 erwähnt ausdrücklich die Weigerung der Beschwerdeführerin, die verordneten Medikamente einzunehmen. Laut Stellungnahme der Heimleiterin, Z.________, vom 3. Januar 2012 verneint die Beschwerdeführerin ihre Suchtproblematik und haben die ersten Erfahrungen gezeigt, dass die Beschwerdeführerin auf "beschützende Betreuung" in einem Heim angewiesen ist.
Die Beschwerdeführerin stellt die tatsächlichen Feststellungen, die das Obergericht seinem Entscheid zugrunde gelegt hat, nicht substanziiert infrage.
4.
Angesichts der festgestellten Krankheits- und Behandlungsuneinsichtigkeit ist von einer Geistesschwäche im Sinn von Art. 397a Abs. 1 ZGB auszugehen. Die ausgeprägten Suchterkrankungen haben bei der Beschwerdeführerin zu schweren körperlichen Folgeschäden geführt, die der medizinischen Behandlung bedürfen. Zudem ist eine strikte Alkoholabstinenz erforderlich. Wird im Weiteren die krankheitsbedingte Weigerung der Beschwerdeführerin, die verordneten Medikamente einzunehmen, berücksichtigt, ist ein Fürsorgebedarf als Voraussetzung des Art. 397a Abs. 1 ZGB anzunehmen. Die Beschwerdeführerin kann laut Gutachten nicht selbständig wohnen. Wegen der beschriebenen Geistesschwäche (Krankheits- und Behandlungsuneinsichtigkeit) ist auch nicht davon auszugehen, sie werde ausserhalb des betreuten Rahmens, auf sich allein gestellt, ihr Suchtverhalten aufgeben oder mässigen, sich selbständig pflegen und die verordneten Medikamente einnehmen. Die Beschwerdeführerin verfügt ausserhalb der Anstalt über keine Beziehungspersonen oder ambulante Pflegeeinrichtungen, die ihr die nötige Fürsorge angedeihen lassen könnten. Unter diesen Umständen kommt eine ambulante Massnahme nicht infrage und erweist sich die Unterbringung in einer geeigneten geschlossenen Pflegeeinrichtung als unumgänglich.
5.
Die Beschwerdeführerin beanstandet sinngemäss, das Heim, in dem sie sich jetzt aufhalte, sei ungeeignet. Sie bezeichnet es als "Altersheim". Der Gutachter hält mit Bezug auf die Eignung dafür, es bedürfe einer Einrichtung, welche die Einhaltung einer völligen Alkoholabstinenz durchsetze und der Beschwerdeführerin überdies klare Strukturen vermittle, die sie daran hinderten, ihre finanziellen Ressourcen sowie ihre Umgebung über die Massen zu strapazieren. Das Obergericht bezeichnet zwar das Hospice A.________ als nicht optimal. Es äussert sich aber nicht dahingehend, dass der Beschwerdeführerin dort die erforderliche Pflege und Betreuung infolge ungenügender örtlicher Verhältnisse bzw. mangels genügend qualifizierten Personals nicht angeboten werden kann (zu den Voraussetzungen, die an die Einrichtung zu stellen sind: BGE 112 II 486 E. 5 und 6 S. 490 ff.). Dass das Heim nicht geradezu ideal ist, wie das Obergericht meint, lässt es für sich allein betrachtet, noch nicht als ungeeignet erscheinen (Urteil 5C.213/2003 vom 3. November 2003 E. 3.1; THOMAS GEISER, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 4. Aufl. 2011, N. 25 zu Art. 397a ZGB). In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass der Regierungstatthalter im Hinblick auf die Neubeurteilung des Falles der Beschwerdeführerin mit der Evaluation von Alternativen bezüglich betreuten Wohnens beauftragt worden ist.
6.
Die angeordnete Massnahme erweist sich nach dem Gesagten als bundesrechtskonform. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Infolge der besonderen Umstände des konkreten Falles werden keine Kosten erhoben (Art. 66 Abs. 1 BGG).
7.
Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, muss die Beschwerde als von Anfang an aussichtslos bezeichnet werden, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (vgl. Art. 64 Abs. 1 BGG) und das entsprechende Gesuch abzuweisen ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um Ernennung eines unentgeltlichen amtlichen Rechtsbeistandes wird abgewiesen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Regierungsstatthalteramt Emmental und dem Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Februar 2012
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Hohl
Der Gerichtsschreiber: Zbinden