Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1B_645/2011
Urteil vom 14. März 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Mattle.
Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld,
weiterer Beteiligter:
Thomas Fingerhuth, Rechtsanwalt.
Gegenstand
Wechsel der amtlichen Verteidigung,
Beschwerde gegen den Entscheid vom 29. September 2011 des Obergerichts des Kantons Thurgau.
Sachverhalt:
A.
Am 23. Juni 2011 erhob die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität des Kantons Thurgau beim Bezirksgericht Arbon Anklage gegen X.________ wegen gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls, Sachbeschädigung, gewerbsmässigen Betrugs, Hausfriedensbruchs, Unterlassens der Buchführung, Misswirtschaft, ungetreuer Geschäftsbesorgung, Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch und mehrfachen Fahrens ohne Führerausweis.
B.
Am 18. bzw. 27. Juli 2011 beantragte X.________ beim Bezirksgericht, es sei seine amtliche Verteidigung von Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth auf Rechtsanwalt Thomas Schütz zu übertragen. Mit Verfügung vom 27. August 2011 wies die verfahrensleitende Bezirksrichterin dieses Begehren ab. Eine von X.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Thurgau am 29. September 2011 ab.
C.
Gegen den Entscheid des Obergerichts gelangt X.________ mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. In der Sache beantragt er sinngemäss, das Gesuch um Wechsel der amtlichen Verteidigung sei zu genehmigen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.
Die Vorinstanz schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth verzichtet auf eine Vernehmlassung. Mit Eingabe vom 11. Dezember 2011 hält der Beschwerdeführer an der Beschwerde fest.
Erwägungen:
1.
Der angefochtene Entscheid betrifft eine Strafsache im Sinne von Art. 78 Abs. 1 BGG und wurde von einer letzten kantonalen Instanz gefällt ( Art. 80 Abs. 1 und 2 BGG ). Es handelt sich um einen Zwischenentscheid, der das Strafverfahren nicht abschliesst.
2.
Gegen Vor- und Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen (vgl. Art. 92 BGG), ist die Beschwerde ans Bundesgericht gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG zulässig, wenn der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder - was vorliegend von vornherein ausser Betracht fällt - die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).
2.1 Als oberste rechtsprechende Behörde des Bundes soll sich das Bundesgericht in der Regel nur einmal mit der gleichen Streitsache befassen müssen. Nach ständiger Praxis zu Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist ein Vor- oder Zwischenentscheid daher nur ausnahmsweise anfechtbar, sofern ein konkreter Nachteil droht, der auch durch einen (für die rechtsuchende Partei günstigen) Endentscheid nachträglich nicht mehr behoben werden könnte. Der blosse Umstand, dass es sich beim Offizialverteidiger nicht um den Wunsch- bzw. Vertrauensanwalt des Angeschuldigten handelt, schliesst eine wirksame und ausreichende Verteidigung nicht aus. Die Ablehnung eines Gesuches des Angeschuldigten um Auswechslung des Offizialverteidigers begründet daher grundsätzlich keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne des Gesetzes. Anders kann der Fall liegen, wenn der amtliche Verteidiger seine Pflichten erheblich vernachlässigt, die Strafjustizbehörden gegen den Willen des Beschuldigten und seines Offizialverteidigers dessen Abberufung anordnen oder wenn sie dem Beschuldigten verweigern, sich (zusätzlich zur Offizialverteidigung) auch noch durch einen Privatverteidiger vertreten zu lassen (BGE 135 I 261 E. 1.2-1.4 S. 263 f. mit Hinweisen).
2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, das Vertrauensverhältnis zwischen dem amtlichen Verteidiger und ihm sei erheblich gestört. Eine sachkundige, wirksame und engagierte Verteidigung sei nicht gewährleistet, vielmehr werde er von seinem amtlichen Verteidiger ungenügend vertreten. Der amtliche Verteidiger sei untätig und nicht willig, mit ihm zusammenzuarbeiten. Konkret wirft der Beschwerdeführer dem amtlichen Verteidiger vor, dieser habe im Haftprüfungsverfahren mehrere Fristerstreckungsgesuche gestellt und sich im Beweisaufnahmeverfahren sowie anlässlich von Einvernahmen von Mitbeschuldigten passiv verhalten. Er habe nicht mit ihm zusammengearbeitet, sondern autonom agiert, und keine Zeit gefunden, mit ihm die Dossiers durchzugehen. Der amtliche Verteidiger habe zwei geplante Gefängnisbesuche nicht eingehalten und sich nie sachlich mit den ihm vorgeworfenen Eigentumsdelikten auseinandergesetzt. Am 23. März 2011 habe sein amtlicher Verteidiger dem Obergericht mitgeteilt, dass er jegliche Verteidigungstätigkeit einstelle.
Die Vorinstanz ist der Ansicht, dem amtlichen Verteidiger, der aufgrund eines vom Beschwerdeführer beantragten Verteidigerwechsels erst am 23. Dezember 2010 eingesetzt worden sei, könne kein fehlendes Engagement vorgeworfen werden und es seien keine Gründe ersichtlich, die ernsthaft Zweifel an einer sachgerechten Verteidigung wecken würden.
2.3 Den Akten ist zu entnehmen, dass der amtliche Verteidiger seit seiner Einsetzung im Dezember 2010 keineswegs untätig geblieben ist, sondern den Beschwerdeführer im Gefängnis besucht hat, an den wichtigen Einvernahmen teilgenommen hat und auch sonst im Interesse des Beschwerdeführers tätig geworden ist. Auch der Umstand, dass der amtliche Verteidiger im Haftprüfungsverfahren mehrere Fristerstreckungsgesuche gestellt hat, deutet nicht darauf hin, dass eine ausreichende Verteidigung bis anhin nicht gewährleistet gewesen ist. Soweit der Beschwerdeführer sodann vorbringt, der amtliche Verteidiger habe dem Obergericht am 23. März 2011 mitgeteilt, er stelle jegliche Verteidigungstätigkeit ein, ist festzuhalten, dass der amtliche Verteidiger nach der Anordnung der Staatsanwaltschaft vom 9. Mai 2011, ihm für die bis dahin erbrachten Verteidigungsleistungen eine Zahlung in der Höhe von Fr. 10'000.-- zu überweisen, seine Tätigkeit wieder aufgenommen hat und dass der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen vermag, welche Verteidigungsleistungen der amtliche Verteidiger zwischen dem 23. März und dem 9. Mai 2011 zwingend hätte erbringen müssen.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, der amtliche Verteidiger arbeite nicht mit ihm zusammen und habe sich im Beweisaufnahmeverfahren sowie anlässlich von Einvernahmen von Mitbeschuldigten passiv verhalten, ist darauf hinzuweisen, dass in den Grenzen einer sorgfältigen und effizienten Ausübung des Offizialmandates die Wahl der Verteidigungsstrategie grundsätzlich Aufgabe des Verteidigers ist. Zwar hat er die objektiven Interessen des Beschuldigten möglichst im gegenseitigen Einvernehmen und in Absprache mit diesem zu wahren. Der Verteidiger agiert jedoch im Strafprozess nicht als blosses unkritisches "Sprachrohr" seines Klienten. Insbesondere liegt es im Zweifelsfall im pflichtgemässen Ermessen des Verteidigers zu entscheiden, welche Beweisanträge und juristischen Argumentationen er als sachgerecht und geboten erachtet (vgl. BGE 126 I 26 E. 4b/aa S. 30, 194 E. 3d S. 199; 116 Ia 102 E. 4b/bb S. 105).
2.4 Dass der amtliche Verteidiger seine Pflichten erheblich vernachlässigt hätte, vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun. Eine effiziente Verteidigung erscheint aufgrund der vorliegenden Akten weiterhin gewährleistet, weshalb die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht erfüllt sind. Im Übrigen ergäbe sich daraus, dass der Angeklagte mit dem bisherigen Vorgehen seines Offizialverteidigers nicht in allen Punkten einverstanden bzw. dass er nicht bereit ist, diesem die grundsätzliche Wahl der Verteidigungsstrategie (im Rahmen seines pflichtgemässen Ermessens) zu überlassen, auch materiell kein grundrechtlicher oder bundesgesetzlicher Anspruch auf dessen Auswechslung (vgl. BGE 126 I 26 E. 4b/aa S. 30, 194 E. 3d S. 199; 116 Ia 102 E. 4b/bb S. 105; vgl. auch Art. 134 Abs. 2 StPO).
3.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer stellt zwar kein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung (Art. 64 Abs. 1 BGG). Im vorliegenden Fall rechtfertigt es sich jedoch, ihm ausnahmsweise keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität des Kantons Thurgau, dem Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. März 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Mattle