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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_798/2011
Urteil vom 30. März 2012
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys,
Gerichtsschreiberin Pasquini.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Pius Schumacher,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Widerruf des bedingten Strafvollzugs,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 27. Oktober 2011.
Sachverhalt:
A.
Das Bezirksgericht Baden sprach X.________ am 11. Mai 2010 der mehrfachen qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig. Vom Vorwurf der Förderung des rechtswidrigen Aufenthalts sprach es ihn frei. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Ferner widerrief es den mit Entscheid des Strafbefehlsrichters Basel-Stadt vom 2. Februar 2005 gewährten bedingten Vollzug der Gefängnisstrafe von 60 Tagen.
Die von X.________ gegen dieses Urteil erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau am 17. Februar 2011 ab, soweit es darauf eintrat.
B.
Am 29. August 2011 hob das Bundesgericht in teilweiser Gutheissung der Beschwerde von X.________ das obergerichtliche Urteil auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück (6B_286/2011). Das Bundesgericht erwog, beim Entscheid über den Widerruf des bedingten Strafvollzugs gehe das Obergericht nicht darauf ein, ob der Vollzug der neu ausgesprochenen Strafe eine günstige Wirkung auf X.________ haben könne, so dass sich eine Schlechtprognose allenfalls nicht mehr begründen liesse. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
Mit Urteil vom 27. Oktober 2011 wies das Obergericht des Kantons Aargau die Berufung von X.________ erneut ab, soweit es darauf eintrat.
C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 27. Oktober 2011 sei insoweit aufzuheben, als der bedingte Vollzug der Gefängnisstrafe von 60 Tagen, der ihm der Strafbefehlsrichter Basel-Stadt am 2. Februar 2005 gewährt habe, widerrufen werde. Auf den Widerruf des bedingten Vollzugs dieser Gefängnisstrafe sei zu verzichten. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
Erwägungen:
1.
1.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 46 StGB. Die Vorinstanz widerrufe zu Unrecht den bedingten Vollzug der Gefängnisstrafe von 60 Tagen, welcher ihm der Strafbefehlsrichter Basel-Stadt am 2. Februar 2005 gewährt habe. Sie würdige nicht alle Prognosefaktoren, sondern stelle ihm eine schlechte Prognose, die einseitig auf die Vorstrafen und die erneute Delinquenz gestützt sei. Indem sie seine Vorstrafen stark negativ gewichte, obwohl diese nicht einschlägig seien, und bereits gestützt darauf auf eine "eigentliche Schlechtprognose" schliesse, verletze sie Bundesrecht. Ebenso wenig könne die Schwere des von ihm während der Probezeit begangenen Delikts herangezogen werden. Es handle sich lediglich um ein Delikt, wofür er überdies bereits mit einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe sanktioniert werde. Sodann setze sich die Vorinstanz nicht damit auseinander, was für eine Wirkung der Vollzug dieser Strafe auf ihn haben könne. Eine Würdigung aller relevanten Kriterien, insbesondere seiner positiven Entwicklung im beruflichen Bereich und seinem stabilen familiären Umfeld, zeige, dass die positiven Umstände überwiegen würden und ergebe, dass keine weiteren Straftaten zu erwarten seien (Beschwerde S. 3 ff.).
1.2 Die Vorinstanz erwägt, die drei Vorstrafen des Beschwerdeführers vom 28. Juni 2004 (Busse von Fr. 1'500.--), 2. Februar 2005 (bedingte Gefängnisstrafe von 60 Tagen und Busse von Fr. 2'000.--) und 16. Juni 2006 (unbedingte Gefängnisstrafe von 14 Tagen und Busse von Fr. 500.--) beträfen Strassenverkehrsdelikte und seien insoweit nicht einschlägig. Sie seien dennoch stark negativ zu gewichten, da sich der Beschwerdeführer während keiner der Probezeiten bewährt habe. Die bedingt vollziehbaren Strafen wie auch die Bussen, die er habe bezahlen müssen, seien ihm keine Lehre gewesen. Selbst die am 16. Juni 2006 ausgesprochene unbedingt vollziehbare Gefängnisstrafe von 14 Tagen habe ihn nicht davon abhalten können, nun sogar ein Verbrechen zu begehen. Dem Beschwerdeführer sei positiv anzurechnen, dass er einer Erwerbstätigkeit nachgehe, in stabilen familiären Verhältnissen lebe und sich seit mehr als zwei Jahren gesetzeskonform verhalte. Diese positiven Aspekte würden allerdings durch die Tatsache relativiert, dass er bereits zur Zeit seines Rückfalls erwerbstätig gewesen sei und sich dadurch nicht von der Begehung weiterer Delikte habe abhalten lassen. Auch sei zu beachten, dass der Beschwerdeführer eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren werde verbüssen müssen und der Vollzug dieser Strafe mit Einschränkungen sowie Härten in Bezug auf das Berufs- und Familienleben verbunden sei. Insgesamt sei den positiven Umständen kein solches Gewicht beizumessen, dass vom Fehlen einer Schlechtprognose auszugehen sei (Urteil S. 9 f. E. 2.1 f.).
Die Vorinstanz führt weiter aus, der Vollzug der neu ausgesprochenen Strafe werde zweifellos eine Wirkung auf den Beschwerdeführer haben, da ein mehrjähriger Freiheitsentzug immer mit einschneidenden Folgen in Bezug auf die persönliche Freiheit, das Familien- und Erwerbsleben verbunden sei. Auch wenn die nun zu vollziehende Strafe von dreieinhalb Jahren mit dem Vollzug der Gefängnisstrafe von 14 Tagen, die beim Beschwerdeführer ohne abschreckende Wirkung geblieben sei, nicht vergleichbar sei, könne dies an der ihm im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu stellenden Schlechtprognose nichts ändern. Der Beschwerdeführer habe von April bis Juni 2008 als Mitglied einer Bande insgesamt mit 504 Gramm reinem Kokain gehandelt und den Drogenhandel mit hoher Intensität betrieben. Er habe während der Probezeit durch seine Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz die Gesundheit vieler Menschen erheblich gefährdet. Die Schwere dieser Delikte spreche für eine negative Prognose. Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, dem Beschwerdeführer sei aufgrund der von ihm seit dem Jahr 2004 fortwährend begangenen Delikte, die er vorwiegend während laufender Probezeiten und teilweise sogar nach dem Vollzug einer Gefängnisstrafe begangen habe, sowie der Schwere der erneut während der Probezeit begangenen Delikte, trotz seiner positiven Entwicklung und der nun zu vollziehenden Freiheitsstrafe, eine schlechte Prognose zu stellen (Urteil S. 10 f. E. 2.2 f.).
1.3 Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen und ist deshalb zu erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird, so widerruft das Gericht gemäss Art. 46 Abs. 1 StGB die bedingt aufgeschobene Strafe oder den bedingt aufgeschobenen Teil der Strafe.
Ein während der Probezeit begangenes Verbrechen oder Vergehen führt nicht zwingend zum Widerruf des bedingten Strafaufschubs. Dieser erfolgt nur, wenn wegen der Begehung des neuen Delikts von einer negativen Einschätzung der Bewährungsaussichten auszugehen ist, d.h. aufgrund der erneuten Straffälligkeit eine eigentliche Schlechtprognose besteht. Bei der Beurteilung der Legalprognose steht dem Gericht ein Ermessensspielraum zu. In diesen greift das Bundesgericht nur ein, wenn der Richter sein Ermessen über- bzw. unterschreitet oder missbraucht. Die Prüfung der Bewährungsaussichten des Täters ist anhand einer Würdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen. In die Beurteilung einzubeziehen sind neben den Tatumständen auch das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen. Relevante Faktoren für die Einschätzung des Rückfallrisikos sind etwa die strafrechtliche Vorbelastung, die Sozialisationsbiografie und das Arbeitsverhalten, bestehende soziale Bindungen, Hinweise auf Suchtgefährdungen usw. Es ist unzulässig, einzelnen Umständen eine vorrangige Bedeutung beizumessen und andere zu vernachlässigen oder ausser Acht zu lassen. In die Beurteilung der Bewährungsaussichten im Falle des Widerrufs des bedingten Vollzugs einer Freiheitsstrafe ist auch zu berücksichtigen, ob die neue Strafe bedingt oder unbedingt ausgesprochen wird (BGE 134 IV 140 E. 4.2 ff. mit Hinweisen).
1.4 Die Erwägungen der Vorinstanz lassen keine Bundesrechtsverletzung erkennen. Die Vorinstanz berücksichtigt alle für den Widerruf massgeblichen Kriterien, auch die Wirkung des Vollzugs der dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe, und würdigt diese Faktoren innerhalb des ihr zustehenden Ermessens zutreffend.
Es ist nicht zu beanstanden, dass sie die Vorstrafen des Beschwerdeführers und seine erneute Straffälligkeit stark negativ in die Beurteilung der Legalprognose einbezieht. Diese Kriterien zeigen insbesondere auf, dass er sich in keiner Probezeit bewährt hat und Mühe bekundet, sich an die Rechtsordnung zu halten. Daran ändert nichts, dass die Vorstrafen nicht einschlägig waren. Sodann hielten ihn weder bedingt vollziehbare Strafen, noch die Bussen, die er bezahlen musste bzw. die vollzogene 14-tägige Gefängnisstrafe davon ab, weiter zu delinquieren.
Art und Schwere der erneuten Straffälligkeit sind für den Entscheid über den Widerruf insofern von Bedeutung, als diese Rückschlüsse auf die Legalbewährung erlauben. Die Prognose für den Entscheid über den Widerruf kann umso eher negativ ausfallen, je schwerer die während der Probezeit begangenen Delikte wiegen (BGE 134 IV 140 E. 4.5 S. 145). Die Vorinstanz führt zu Recht aus, die Schwere der neuen vom Beschwerdeführer begangenen Delikte, spreche für eine negative Prognose. Ferner beging er entgegen seiner Behauptung nicht ein einziges Delikt, sondern führte die qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz mehrfach aus.
Schliesslich überwiegen nicht die positiven Umstände. Die Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe sich von seinem früheren sozialen Umfeld abgewendet bzw. sei weder suchtgefährdet noch drogensüchtig (Beschwerde S. 6 Ziff. 12), sind als Noven unzulässig (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG). Ausserdem ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die positiven Aspekte relativiert, da der Beschwerdeführer bereits zur Zeit seines Rückfalls einer Erwerbstätigkeit nachging und bei ihm stabile familiäre Verhältnisse vorlagen, was ihn jedoch nicht daran hinderte, erneut straffällig zu werden.
2.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 30. März 2012
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini