BGer 1B_55/2012
 
BGer 1B_55/2012 vom 10.04.2012
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
1B_55/2012
Urteil vom 10. April 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Raselli, Merkli,
Gerichtsschreiber Steinmann.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gian Sandro Genna,
gegen
X.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Georg Friedli,
Staatsanwaltschaft des Kantons Bern,
Region Bern-Mittelland, Hodlerstrasse 7, 3011 Bern,
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, Postfach 6250, 3001 Bern.
Gegenstand
Verletzung des Berufsgeheimnisses; Nichtanhandnahme,
Beschwerde gegen den Beschluss vom 22. Dezember 2011 des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen.
Sachverhalt:
A.
Fürsprecher A.________ erstattete am 28. April 2011 bei der Staatsanwaltschaft Region Bern-Mittelland Strafanzeige und Strafantrag gegen Advokat und Notar X.________. Er warf diesem eine Verletzung des Berufsgeheimnisses gemäss Art. 321 StGB vor, weil dieser zwecks Durchsetzung von bestrittenen Honorarforderungen ohne vorgängige Entbindung vom Berufsgeheimnis eine Betreibung gegen ihn eingeleitet hatte.
Der Anzeige liegen die folgenden Gegebenheiten zugrunde: X.________ war von 1994 bis 2000 als Rechtsanwalt für B.________ tätig. Diese war die Mutter von A.________, verstarb am ________ 2000 und hinterliess ihren einzigen Sohn A.________ als Alleinerben und Universalsukzessor. X.________ leitete im Januar 2011 gegen A.________ die Betreibung ein. Auf dem Zahlungsbefehl vom 11. Januar 2011 wurde als Grund der Forderung vermerkt: "Honorarnoten vom 17.09.2001 und 28.08.2003".
Mit der Strafanzeige und dem Strafantrag brachte A.________ vor, X.________ habe sich nicht vom Anwaltsgeheimnis entbinden lassen, habe mit seiner Betreibung das Bestehen eines Mandatsverhältnisses und offene Honorarforderungen offenbart und damit gegen Art. 321 StGB verstossen.
B.
Am 1. Juli 2011 verfügte die Staatsanwaltschaft Region Bern-Mittelland die Nichtanhandnahme der Anzeige. Sie führte zur Begründung aus, zum Strafantrag sei nach Art. 30 Abs. 1 StGB der Verletzte berechtigt. Wenn dieser verstorben ist, könnten nach Art. 30 Abs. 4 StGB die Angehörigen Strafantrag stellen. Voraussetzung sei indes, dass der Verstorbene noch zu Lebzeiten Opfer eines Antragsdelikts wurde. Das Antragsrecht wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses gehe als höchstpersönliches Recht nicht auf die Erben über. Die X.________ vorgeworfene Berufsgeheimnisverletzung sei erst nach dem Tode seiner früheren Klientin begangen worden.
A.________ erhob dagegen Beschwerde. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2011 wies die Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Bern das Rechtsmittel ab. Sie führte im Wesentlichen aus, es könne offen bleiben, ob A.________ ein Antragsrecht zustehe. Unter dem Gesichtswinkel von Art. 321 StGB sei zwar davon auszugehen, dass bereits die Tatsache des Bestehens eines Mandatsverhältnisses unter den Geheimnisschutz falle. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und von kantonalen Gerichten wie auch nach der Lehre sei es indes zulässig, blosse Inkassobemühungen mit dem Hinweis auf offene Honorarnoten einzuleiten. Deshalb könne sich der Anzeiger und Strafkläger nicht auf den Geheimnisschutz nach Art. 321 StGB berufen.
C.
Gegen diesen Entscheid hat A.________ beim Bundesgericht am 26. Januar 2012 Beschwerde in Strafsachen erhoben. Er beantragt, es sei der Obergerichtsentscheid aufzuheben und die Vorinstanz bzw. die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, gegen X.________ wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses nach Art. 321 StGB zum Nachteil von B.________ bzw. zu seinem Nachteil ein Strafverfahren zu eröffnen und seine Strafanzeige/Privatklage an die Hand zu nehmen.
Die Staatsanwaltschaft und X.________ als Beschwerdegegner beantragen mit ihren Vernehmlassungen die Abweisung der Beschwerde, soweit überhaupt darauf eingetreten werden könne. Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. Der Beschwerdeführer hält in einer weiteren Eingabe an seinen Anträgen fest.
Erwägungen:
1.
Der Beschluss der Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts, mit dem die Nichtanhandnahme der Staatsanwaltschaft bestätigt worden ist, ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in Strafsachen im Sinne von Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 Abs. 1 BGG. Demnach ist die Beschwerde in Strafsachen zulässig.
2.
Zur Beschwerde in Strafsachen ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG legitimiert, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Ziff. 5).
Voraussetzung der Legitimation der Privatklägerschaft nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist, dass sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung der Zivilansprüche auswirken kann. Es wird grundsätzlich verlangt, dass die Zivilansprüche im Strafverfahren geltend gemacht werden. Im Falle der Einstellung des Strafverfahrens oder gar im Falle von Nichtanhandnahme reicht es indes aus, dass im Verfahren vor Bundesgericht gemäss den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG dargelegt wird, aus welchen Gründen und inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf Zivilforderungen auswirken kann. Darauf kann allenfalls verzichtet werden, wenn sich solche Auswirkungen aufgrund der Natur der in Frage stehenden Straftat ohne Weiteres aus den Akten ergeben (vgl. BGE 137 IV 219 E. 2.4 S. 222; 137 IV 246 E. 1.3.1 S. 248; je mit weitern Hinweisen).
In seiner Beschwerde begründet der Beschwerdeführer die möglichen Auswirkungen des angefochtenen Entscheids auf Zivilforderungen nicht. Er begnügt sich mit der Bemerkung, dass sich die vorliegende Angelegenheit direkt auf zivilrechtliche Ansprüche auswirke und dass solche bereits in der Strafanzeige/Strafklage geltend gemacht worden seien. In der Strafanzeige/Strafklage sind keine Hinweise auf mögliche Zivilforderungen zu finden. Der Beschwerdeführer führte damals lediglich aus, er mache zivilrechtliche Ansprüche gegenüber dem Beschwerdegegner geltend und werde seine Ansprüche in einem späteren Zeitpunkt substanziieren. Damit wird das Legitimationserfordernis der möglichen Auswirkungen auf Zivilansprüche nicht in einer den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG dargelegt.
Darüber hinaus ist auch in keiner Weise ersichtlich, welche Zivilforderungen der Beschwerdeführer gegenüber dem Beschwerdegegner in einem Strafverfahren wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses geltend machen könnte. Denn es ist davon auszugehen, dass die allfällige Berufsgeheimnisverletzung in erster Linie die Mutter des Beschwerdeführers treffen würde, dass diese Verletzung erst nach deren Tod begangen worden ist und der Beschwerdeführer als Erbe nicht ohne Weiteres Genugtuungsforderungen wegen der angeblichen Berufsgeheimnisverletzung stellen könnte.
Somit fehlt es an der Legitimation im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG.
3.
Demnach ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dieser hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft, der Generalstaatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. April 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Aemisegger
Der Gerichtsschreiber: Steinmann