Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C_199/2012
Urteil vom 31. Mai 2012
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber,
Bundesrichter Kernen,
Gerichtsschreiber Fessler.
Verfahrensbeteiligte
P.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Josef Flury,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 26. Januar 2012.
Sachverhalt:
A.
P.________ stürzte am ........ während der Arbeit als Verkäuferin von einer Leiter. Die obligatorische Unfallversicherung (SUVA) kam für die gesundheitlichen und erwerblichen Folgen auf und erbrachte - bis ........ - die gesetzlichen Leistungen (u.a. Heilbehandlung, Taggeld). Im September 2004 hatte sich P.________ wegen Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Mit Verfügung vom 22. Februar 2008 wies die IV-Stelle das Begehren ab. Mit Entscheid vom 9. Dezember 2009 hob das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die Verfügung auf und wies die Sache zu weiteren Abklärungen im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück. Am 27. August 2010 wurde P.________ von Dr. med. G.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, untersucht und begutachtet (Expertise vom 13. September 2010). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 3. März 2011 den Anspruch auf eine Invalidenrente.
B.
Die Beschwerde der P.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, nach zweifachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 26. Januar 2012 ab.
C.
P.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit den hauptsächlichen Rechtsbegehren, der Entscheid vom 26. Januar 2012 sei aufzuheben; die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventualiter mit der Verpflichtung, eine neutrale interdisziplinäre medizinische Begutachtung durchzuführen; die Vorinstanz oder die IV-Stelle sei zu verpflichten, den Rentenanspruch zu prüfen und gegebenenfalls befristet oder dauernd eine Rente auszurichten sowie berufliche Massnahmen durchzuführen, unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Kantonales Gericht und IV-Stelle beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Die Vorinstanz hat einlässlich dargelegt, weshalb die IV-Stelle im Rahmen des Vorbescheidverfahrens den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt hat. In der Beschwerde wird wiederum eine solche Verletzung gerügt, ohne dass indessen begründet wird, inwiefern die diesbezüglichen Erwägungen im angefochtenen Entscheid Bundesrecht verletzen. Darauf ist somit nicht näher einzugehen ( Art. 41 Abs. 1 und 2 BGG ; Art. 106 Abs. 2 BGG).
2.
Die Vorinstanz hat festgestellt, gemäss dem Bericht des SUVA-Kreisarztes Dr. med. B.________ vom 26. März 2007 seien aus somatischer Sicht leichte Arbeiten mit Wechselbelastung ganztags zumutbar. Darauf sei abzustellen. Aus den von der Versicherten eingereichten ärztlichen Berichten (u.a. PD Dr. med. H.________ vom 18. Februar 2011 und Dr. med. A.________ vom 10. Mai 2011) lasse sich nicht auf eine seitherige Verschlimmerung des körperlichen Gesundheitszustandes schliessen. In psychischer Hinsicht bilde das Gutachten des Dr. med. G.________ vom 13. September 2010 eine voll beweiskräftige Entscheidungsgrundlage. Nach Einschätzung des Experten bestehe keine psychisch bedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Von weiteren Abklärungen seien keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. An diesem Ergebnis vermöchten sämtliche Einwendungen nichts zu ändern. Auf der Grundlage dieses festgestellten medizinischen Sachverhalts hat die Vorinstanz durch Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28a Abs. 1 IVG) einen Invaliditätsgrad von 8 % ermittelt und demzufolge einen Rentenanspruch verneint (Art. 28 Abs. 2 IVG).
3.
Die Beschwerdeführerin rügt zur Hauptsache eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und eine willkürliche Beweiswürdigung durch die Vorinstanz (Art. 61 lit. c ATSG). Der rechtserhebliche Sachverhalt sei in somatischer Hinsicht unvollständig abgeklärt (vgl. E. 4), das psychiatrische Gutachten vom 13. September 2011 mangelhaft und nicht beweiskräftig (vgl. E. 5).
4.
4.1 Gemäss dem erwähnten Bericht des Dr. med. B.________ hatte die Beschwerdeführerin am ........ einen Unfall erlitten. Dabei wurde eine vorbestehende Spondylolisthesis L5/S1 schmerzhaft. Am ........ wurde eine Spondylodese durchgeführt und am ........ das Osteosynthese-Material entfernt. Der SUVA-Kreisarzt ging von bleibenden Restbeschwerden lumbal mit leichter Beweglichkeitseinschränkung "nach Spondylodese bei traumatisiertem Vorzustand" aus. Er erachtete leichte Arbeiten mit Wechselbelastung unter Vermeidung von Zwangshaltungen des Rückens und bei einer Traglimite von maximal 10 kg unter günstigen Hebeln ganztags als zumutbar. Im Wesentlichen gleich war die Arbeitsfähigkeit aus somatischer Sicht im Austrittsbericht der Klinik X.________ vom 12. Januar 2007 umschrieben worden.
4.2 Die Vorinstanz hat auf die Beurteilung des Dr. med. B.________ abgestellt, was nicht beanstandet wird. Ob sich der Gesundheitszustand aus somatischer Sicht seither verschlechtert hat und allenfalls inwiefern, hat sie anhand der vom Versicherten eingereichten ärztlichen Berichte geprüft und gestützt darauf verneint. Zusätzliche Abklärungen hat sie nicht als notwendig erachtet. Die Beschwerdeführerin äussert sich nicht zu den diesbezüglichen Erwägungen im angefochtenen Entscheid. Damit braucht aber auf die Rüge, der rechtserhebliche Sachverhalt sei in somatischer Hinsicht unvollständig abgeklärt, nicht weiter eingegangen zu werden ( Art. 41 Abs. 1 und 2 BGG ). Eine allfällige Änderung des körperlichen Gesundheitszustandes ist zum Gegenstand einer Neuanmeldung zu machen ( Art. 87 Abs. 3 und 4 IVV ).
5.
5.1 Nach Auffassung der Vorinstanz erfüllt das psychiatrische Gutachten des Dr. med. G.________ vom 13. September 2010 alle rechtsprechungsgemäss erforderlichen Kriterien für beweiskräftige medizinische Entscheidungsgrundlagen (vgl. BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Insbesondere beruhten die gutachterlichen Angaben auf allseitigen Untersuchungen, denen ein sorgfältiges Studium der Vorakten vorausgegangen sei.
5.2
5.2.1 Die Beschwerdeführerin bringt insoweit richtig vor, dass Dr. med. G.________ im Zeitpunkt der Untersuchung vom 27. August 2010 nicht im Besitz aller medizinischen Akten gewesen war. Insbesondere fehlte der Austrittsbericht der Klinik X.________ vom 12. Januar 2007, in welchem eine dissoziative Bewegungsstörung diagnostiziert worden war und unter Mitberücksichtigung der psychischen Problematik eine berufliche Tätigkeit aktuell nicht als zumutbar bezeichnet wurde. Zu beachten ist indessen, dass Dr. med. G.________ beim Verfassen des Gutachtens im Besitz aller massgeblichen Vorakten war. Es kommt dazu, dass er sich in seiner Expertise auch mit der Frage einer dissoziativen Störung befasste und deren Vorliegen verneinte.
5.2.2 Im Weitern ergibt sich aus den Akten, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin der IV-Stelle mit Schreiben vom 28. September 2010 mitgeteilt hatte, seiner Klientin sei vor Beginn des Untersuchs um 10.00 Uhr bedeutet worden, es sei vergessen worden, die Dolmetscherin einzuladen. Diese käme nun erst um 14.00 Uhr. Seine Mandantin sei somit am Vormittag und Nachmittag untersucht worden. Die Abklärung im Beisein der Dolmetscherin sei nach 15 Minuten zu Ende gewesen. Die Vorinstanz hat diesem Angaben nicht in Frage gestellt. Dr. med. G.________ habe jedoch in seinem Gutachten vermerkt, die Versicherte habe über sehr gute Deutschkenntnisse verfügt. Diese Einschätzung lasse sich auch auf andere ärztliche Verlautbarungen abstützen. Im Weitern habe die vormittägliche Sitzung 90 Minuten gedauert und die Begutachtung sei am Nachmittag unter Beizug einer Dolmetscherin fortgeführt worden, was für eine gewissenhafte Abklärung durch den Gutachter spreche. Mit ihren Vorbringen, insbesondere ein Gespräch mit Dr. med. G.________ habe mangels gegenseitigem Verständnis nicht geführt werden können, vermag die Beschwerdeführerin keine willkürliche Beweiswürdigung (Art. 9 BV; BGE 136 II 539 E. 3.2; 130 I 337 E. 5.4.2) darzutun. Abgesehen davon hätte Dr. med. G.________ darauf aufmerksam gemacht, wenn das, was er an der vormittäglichen Exploration von der Patientin erfahren hatte, unverständlich und für sein Gutachten nicht zu verwerten gewesen wäre.
5.3 Nach dem Gesagten vermögen die Vorbringen in der Beschwerde die Schlüssigkeit des Administrativgutachtens nicht in Frage zu stellen. Die Beschwerde, soweit zulässig, ist somit unbegründet.
6.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat grundsätzlich die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG; BG 125 V 201 E. 4a S. 202). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach sie der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes einstweilen auf die Gerichtskasse genommen.
3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird Rechtsanwalt Josef Flury, Luzern, für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- aus der Gerichtskasse entschädigt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 31. Mai 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Meyer
Der Gerichtsschreiber: Fessler