BGer 1B_218/2012
 
BGer 1B_218/2012 vom 26.06.2012
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
1B_218/2012
Urteil vom 26. Juni 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Härri.
 
Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft,
Hauptabteilung Arlesheim, Kirchgasse 5, Postfach,
4144 Arlesheim, Beschwerdeführerin,
gegen
X.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat Dieter Gysin,
Gegenstand
Haftverfahren vor der Staatsanwaltschaft; Kostenauferlegung,
Beschwerde gegen den Entscheid vom 9. März 2012
des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons
Basel-Landschaft.
Sachverhalt:
A.
Am 9. März 2012 beantragte die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft dem kantonalen Zwangsmassnahmengericht die Anordnung von Untersuchungshaft gegen X.________ für die Dauer von drei Monaten.
In teilweiser Gutheissung dieses Antrags ordnete das Zwangsmassnahmengericht gleichentags die Untersuchungshaft vorläufig für die Dauer von vier Wochen an (Ziffer 1). Es stellte fest, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäss Art. 224 StPO nicht eingehalten habe. Dadurch sei X.________ die Freiheit nicht auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen worden (Ziffer 2). Es setzte eine Entscheidgebühr von Fr. 750.-- fest und ordnete an, diese gehe zu zwei Dritteln "zulasten des Staates, Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft"; über die Auferlegung der Gebühr (Fr. 250.--) zulasten von X.________ entscheide die verfahrensabschliessende Behörde (Ziffer 3).
Das Zwangsmassnahmengericht befand, die Staatsanwaltschaft habe Art. 224 StPO verletzt, da lediglich ein Untersuchungsbeauftragter und nicht ein Staatsanwalt X.________ befragt habe. Letzterer habe auf eine Verhandlung vor dem Zwangsmassnahmengericht verzichtet. In einem schriftlichen Verfahren wäre X.________ praxisgemäss eine Gebühr von Fr. 250.-- auferlegt worden. Durch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft habe eine Verhandlung durchgeführt werden müssen, um das rechtliche Gehör von X.________ in Bezug auf seine Rechte im Verfahren gemäss Art. 224 StPO zu wahren. Die dadurch entstandenen Kosten seien dem Staat aufzuerlegen und intern der Staatsanwaltschaft zuzurechnen.
B.
Die Staatsanwaltschaft führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, Ziffer 2 des Entscheids des Zwangsmassnahmengerichts sei ersatzlos zu streichen. Es seien ihr keine Kosten aufzuerlegen. Eventualiter sei der Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen.
C.
X.________ hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Eventualiter sei sie abzuweisen und der Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts zu bestätigen. Subeventualiter seien die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens dem Zwangsmassnahmengericht aufzuerlegen.
Das Zwangsmassnahmengericht hat ebenfalls Gegenbemerkungen eingereicht. Es beantragt die Abweisung der Beschwerde. Es sei festzustellen, dass ein allenfalls bis zum Entscheid des Bundesgerichts in der vorliegenden Angelegenheit ergangener Beschluss des Kantonsgerichts nichtig sei.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführerin hat gegen den angefochtenen Entscheid auch Beschwerde beim Kantonsgericht Basel-Landschaft eingereicht. Sie beantragt die Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens bis zum Entscheid des Kantonsgerichts.
Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, ist die Sache ohne Weiteres spruchreif. Für eine Sistierung besteht deshalb kein Grund. Der Antrag ist abzuweisen.
2.
2.1 Der angefochtene Entscheid stellt einen solchen in Strafsachen dar. Damit kommt gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen in Betracht.
2.2 Gemäss Art. 80 BGG ist die Beschwerde zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen (Abs. 1). Die Kantone setzen als letzte kantonale Instanzen obere Gerichte ein. Diese entscheiden als Rechtsmittelinstanzen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen nach der StPO ein Zwangsmassnahmengericht (...) als einzige kantonale Instanz entscheidet (Abs. 2).
Nach Art. 393 Abs. 1 lit. c StPO ist die Beschwerde zulässig gegen die Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts in den in diesem Gesetz vorgesehen Fällen (vgl. ebenso Art. 20 Abs. 1 lit. c StPO).
Gemäss Art. 222 StPO kann die verhaftete Person - abgesehen von einem hier nicht gegebenen Ausnahmefall - Entscheide über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft bei der Beschwerdeinstanz anfechten. Nach der Rechtsprechung steht das Beschwerderecht gemäss Art. 222 StPO auch der Staatsanwaltschaft zu (BGE 137 IV 22; 87). Diese kann somit, soweit sie beschwert ist, insbesondere Entscheide über die Anordnung der Untersuchungshaft bei der kantonalen Beschwerdeinstanz anfechten. Ein derartiger Entscheid liegt hier vor. Der Beschwerdeführerin steht somit die Beschwerde an die kantonale Beschwerdeinstanz zur Verfügung. Zwar richtet sich die Beschwerdeführerin nicht gegen die Haftanordnung selber, sondern gegen die Feststellung der Verletzung von Art. 224 StPO und die Kostenauferlegung. Dafür besteht jedoch kein gesonderter Beschwerdeweg. Nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens ist der Rechtsmittelweg für Teilinhalte eines Entscheids und Kostenentscheide der gleiche wie in der Hauptsache (FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 237). Eine andere Auffassung komplizierte, wie der vorliegende Fall zeigt, das Verfahren unnötig und führte zu sachwidrigen Ergebnissen. So hätte die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen die Haftanordnung des Zwangsmassnahmengerichts bei der kantonalen Beschwerdeinstanz erheben können, da sie mit ihrem Antrag in Bezug auf die Dauer der Haft nicht durchgedrungen ist. Damit wäre es verfehlt, wenn für die weiteren Punkte des Entscheids des Zwangsmassnahmengerichts unmittelbar die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht zulässig wäre. Dies hätte gegebenenfalls zur Folge, dass sich zwei Gerichte gleichzeitig mit demselben Entscheid befassen und sich dabei zu Fragen äussern müssten, die nahe zusammenhängen. Die gleiche prozessuale Situation könnte sich ergeben, wenn der Beschuldigte gegen die Haftanordnung Beschwerde bei der kantonalen Beschwerdeinstanz führte.
Die Beschwerdeführerin kann demnach gegen den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts gemäss Art. 222 StPO Beschwerde bei der kantonalen Beschwerdeinstanz führen. Die Beschwerde in Strafsachen ist deshalb nach Art. 80 BGG unzulässig.
Ein in der Zwischenzeit allenfalls ergangener Entscheid des Kantonsgerichts wäre nicht nichtig.
2.3 Auf die Beschwerde könnte auch aus folgendem Grund nicht eingetreten werden.
Wie die Beschwerdeführerin anerkennt, stellt der angefochtene Entscheid einen Zwischenentscheid dar. Da er weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betrifft, handelt es sich um einen "anderen Zwischenentscheid" im Sinne von Art. 93 BGG. Dagegen ist die Beschwerde nach Absatz 1 dieser Bestimmung zulässig: a) wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann, oder b) wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
Die Variante nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt hier ausser Betracht.
Nach der Rechtsprechung muss es sich im Bereich des Strafrechts beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Ein solcher liegt vor, wenn er auch mit einem späteren günstigen Endentscheid nicht mehr gänzlich behoben werden könnte. Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt nicht (BGE 137 IV 237 E. 1.1 S. 239 f.; 172 E. 2.1 S. 173 f.; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer muss - wenn das nicht offensichtlich ist - darlegen, weshalb ihm der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken können soll (BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 47 mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin führt aus, sie erleide einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil, weil ihr die Vorinstanz einen Teil der Kosten auferlegt habe (Beschwerde S. 2/3).
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Beschwerdeführerin kann den Kostenentscheid des Zwangsmassnahmengerichts mit dem Endentscheid anfechten. Der ihr durch die Kostenauferlegung entstandene Nachteil kann damit behoben werden (vgl. BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 47; 135 II 329 E. 1.2 S. 331 ff. mit Hinweisen).
Inwiefern der Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts der Beschwerdeführerin sonstwie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können soll, ist nicht offensichtlich. Der Entscheid führt dazu, dass die Beschwerdeführerin die Befragung der Beschuldigten gemäss Art. 224 StPO (in den Blockzeiten) einstweilen nicht mehr an Untersuchungsbeauftragte delegieren kann. Dadurch erhöht sich ihre Arbeitsbelastung. Nach ständiger Rechtsprechung stellt dies keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG dar (Urteil 1B_214/2011 vom 19. August 2011 E. 1.2.2 mit Hinweisen).
3.
Auf die Beschwerde kann danach nicht eingetreten werden.
Kosten sind keine zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG).
Der Kanton hat dem Beschwerdegegner eine Entschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Dessen Anwalt hat dem Bundesgericht eine Kostennote eingereicht (act. 9). Der geltend gemachte Betrag von Fr. 628.20 (inkl. Mehrwertsteuer) ist angemessen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Der Sistierungsantrag wird abgewiesen.
2.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Der Kanton Basel-Landschaft hat dem Beschwerdegegner eine Entschädigung von Fr. 628.20 zu bezahlen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Zwangsmassnahmengericht und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. Juni 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Härri