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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_440/2012 {T 0/2}
Urteil vom 12. Juli 2012
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke.
Verfahrensbeteiligte
S.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Rolli,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle Bern,
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 17. April 2012.
Sachverhalt:
A.
Ein erstes Rentengesuch im Jahre 2002 der 1965 geborenen S.________ wurde nach zweimaligem Einspracheverfahren und unter anderem nach Einholung eines Gutachtens des Zentrums X.________ vom 8. Februar 2007 und eines Abklärungsberichtes Haushalt vom 12. Juli 2007 mit Verfügung vom 1. Mai 2008 rechtskräftig abgewiesen. Am 10. November 2009 meldete sich S.________ erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug. Nach Abklärungen in medizinischer und erwerblicher Hinsicht, insbesondere einer weiteren Begutachtung durch das Zentrum X.________ (Expertise vom 30. November 2010), wies die IV-Stelle Bern das Rentengesuch nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens mit Verfügung vom 10. August 2011 erneut ab.
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern nach einem ergänzenden Beweisverfahren (Fragen zu den Gutachten des Zentrums X.________ vom 8. Februar 2007 und 30. November 2010; Bericht des Zentrums X.________ vom 4. Januar 2012) mit Entscheid vom 17. April 2012 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt S.________ beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, namentlich diejenigen über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28a Abs. 1 IVG und Art. 16 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348), bei teils erwerblich und daneben im Aufgabenbereich tätigen nach der sog. gemischten Methode (Art. 28a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVG sowie mit Art. 16 ATSG) sowie zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232, 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis) richtig dargelegt. Korrekt sind auch die Erwägungen zu den Vergleichszeitpunkten im Falle einer Neuanmeldung (BGE 130 V 71 E. 3.2.3 S. 77; vgl. auch BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114) sowie zur ausnahmsweise invalidisierenden Wirkung somatoformer Schmerzstörungen (BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50 mit Hinweisen; 130 V 352). Darauf wird verwiesen.
3.
Streitig und zu prüfen ist der Rentenanspruch und dabei insbesondere, ob die Vorinstanz zu Recht eine anspruchsbegründende Verschlechte-rung des psychischen Gesundheitszustandes verneint hat. Nurmehr steht in Frage, ob die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise invalidisierende Wirkung somatoformer Schmerzstörung gegeben sind.
3.1 Nach sorgfältiger Würdigung der medizinischen Aktenlage stellte die Vorinstanz fest, die Gutachter seien in der Expertise vom 30. November 2010 zum Schluss gekommen, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin seit der Begutachtung im Februar 2007 in psychischer Hinsicht insofern verändert habe, als nicht mehr die ursprünglich diagnostizierten akzentuierten histrionischen Persönlichkeitszüge massgebend seien, sondern eine leichte depressive Phase als Ausdruck einer affektiven Dekompensation im Vordergrund stünden und sie insgesamt depressiver beurteilt worden sei als während der Erstbegutachtung im Februar 2007, was grundsätzlich geeignet sei, die Erwerbsfähigkeit rentenrelevant zu beeinflussen. Sie hat einlässlich dargetan, dass gleichwohl eine anspruchsbegründende Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht vorliegt. Denn die von den Gutachtern im neuerlichen Gutachten verneinte Überwindbarkeit der somatoformen Schmerzstörung halte einer Prüfung anhand der massgeblichen rechtlichen Kriterien nicht stand. Die Vorinstanz stellte im Lichte der gesetzlichen Kognition (E. 1 hievor) korrekt fest, die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise invalidisierende Wirkung somatoformer Schmerzstörung (BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S. 354 f.) seien nicht gegeben.
3.2 Die Einwendungen in der Beschwerde gegen die vorinstanzliche Beweiswürdigung erschöpfen sich vorwiegend in appellatorischer, im Rahmen der gesetzlichen Kognition (E. 1) unzulässiger Kritik (Urteil 9C_569/2008 vom 1. Oktober 2008 E. 1.2 mit Hinweisen) und sind daher nicht geeignet, diese als offensichtlich unrichtig oder bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen.
Wie das kantonale Gericht zu Recht dargelegt hat, besteht keine psychische Komorbidität von erheblicher Schwere (vgl. Urteil 8C_80/2011 vom 14. Juni 2011 E. 6.3.2 mit Hinweisen und Urteil 9C_749/2010 vom 23. November 2010 E. 4.3.1 mit Hinweisen). Auch die Verneinung körperlicher Begleiterkrankungen hält vor Bundesrecht stand, da sich diese ausweislich der medizinischen Akten in kompletter Remission befinden. Dass aus rheumatologischer Sicht der Versicherten körperlich schwere Tätigkeiten nicht mehr zumutbar sind, trifft zu. Doch wurde den Einschränkungen im Zusammenhang mit der operativ behandelten Knieproblematik und den beginnenden degenerativen Wirbelsäulenveränderungen im Rahmen der Invaliditätsbemessung Rechnung getragen (welche jedoch keinen Invaliditätsgrad von mindestens 40% und damit auch keinen Rentenanspruch ergab). Der psychiatrische Experte des Zentrums X.________ hat zwar im Ergänzungsbericht vom 4. Januar 2012 einen innerseelischen Konflikt bzw. deutlichen primären Krankheitsgewinn bestätigt. Doch verletzt es kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz (auch) unter diesem Aspekt eine gescheiterte konsequent durchgeführte Therapie verneint hat, da Empfehlungen zur Optimierung der medikamentösen Behandlung (bisher bloss Gespräche beim Psychiater alle vier Wochen) vorliegen und die Therapiemöglichkeiten bei weitem nicht ausgeschöpft sind. Davon abgesehen fehlt es, entgegen den Vorbringen in der Beschwerde, auch an einem vollständigen sozialen Rückzug, verfügte die verheiratete Versicherte doch auch als Gesunde nur über wenige soziale Kontakte im Rahmen des Arbeitslebens und kaum Freizeitaktivitäten; zudem kann nach Lage der Akten auch nicht von einer völligen Isolierung gesprochen werden, weshalb die Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung in diesem Punkt letztlich am Ergebnis nichts ändert. Entscheidend ist, dass auch der im Gutachten vom 30. November 2010 erhobene psychiatrische Status insgesamt sehr diskrete Befunde ausweist, insbesondere keine mittlere oder gar schwere depressive Störung. Vielmehr zeichnet der psychiatrische Sachverständige von der Versicherten ein Bild, das wesentlich auch durch resignative Züge, ihre Überzeugung, nichts mehr leisten zu können, das Fehlen von Ideen, womit sie sich in ihrem Leben noch beschäftigen könnte usw., geprägt ist; das erneute Rentengesuch "habe sie auf Anraten ihrer Aerzte gestellt". In dieser Gemengelage von Krankheiten und verhaltensmässigen Anteilen ist die Verneinung einer rentenbegründenden Invalidität im Lichte der Rechtsprechung (BGE 130 V 352 und seitherige Praxis) rechtens. Der angefochtene Entscheid hält daher vor Bundesrecht stand.
4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 12. Juli 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Meyer
Die Gerichtsschreiberin: Helfenstein Franke