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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C_246/2012
Urteil vom 16. Juli 2012
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Dormann.
Verfahrensbeteiligte
J.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Petra Oehmke,
Beschwerdeführerin,
gegen
GastroSocial Pensionskasse, Bahnhofstrasse 86, 5000 Aarau, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Isabelle Vetter-Schreiber,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Berufliche Vorsorge (Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 26. Januar 2012.
Sachverhalt:
A.
A.a Während der Dauer eines Arbeitsverhältnisses vom 14. März 2001 bis 30. November 2002 war die 1969 geborene J.________ bei der GastroSocial Pensionskasse (nachfolgend: Pensionskasse) für die berufliche Vorsorge versichert. Im Mai 2002 erlitt sie einen Unfall, worauf sie an Rückenbeschwerden zu leiden begann. Im darauffolgenden Juli zeichnete sich zudem eine beginnende Depression ab. Am 14. April 2003 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen sprach ihr die IV-Stelle Zug mit Verfügung vom 21. November 2007 rückwirkend ab 1. Juni 2003 gestützt auf das interdisziplinäre Gutachten der Dres. med. C.________, B.________ und L.________ vom 26. Januar 2006 eine ganze Invalidenrente zu bei einem Invaliditätsgrad von 100 %. Hingegen anerkannte die Pensionskasse mit Schreiben vom 1. September 2008 nur einen Anspruch auf eine halbe Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge ab 19. Februar 2005.
A.b Am 27. Oktober 2008 liess J.________ Klage erheben und beantragen, die Pensionskasse sei zu verpflichten, ihr mit Wirkung ab 19. Februar 2005 eine ganze Invalidenrente sowie 5 % Zins seit 28. Oktober 2008 auf den rückständig geschuldeten Rentenbetreffnissen auszurichten. Die Pensionskasse beantragte die Abweisung der Klage. Nach Durchführung eines zweifachen Schriftenwechsels wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug die Klage mit Entscheid vom 14. Januar 2010 ab. Mit Urteil 9C_185/2010 vom 16. August 2010 hiess das Bundesgericht die dagegen erhobene Beschwerde der J.________ teilweise gut, hob den Entscheid vom 14. Januar 2010 auf und wies die Sache an das kantonale Gericht zurück, damit es, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Klage neu entscheide. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.
B.
Mit Entscheid vom 26. Januar 2012 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug die Klage der J.________ erneut ab, nachdem es im Einvernehmen der Parteien bei den Dres. med. O.________ und W.________ das Gutachten vom 20. September 2011 mitsamt Stellungnahme vom 6. Dezember 2011 eingeholt hatte.
C.
J.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und und beantragen, der Entscheid vom 26. Januar 2012 sei aufzuheben und die Klage insofern gutzuheissen, als die Pensionskasse verpflichtet werde, ihr mit Wirkung ab 19. Februar 2005 bis und mit April 2011 eine ganze Invalidenrente zuzüglich Verzugszins von 5 % ab Oktober 2008 auszurichten. Bezüglich des Rentenanspruchs ab Mai 2011 sei die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es darüber nach Einholung eines interdisziplinären Obergutachtens materiell neu entscheide.
Erwägungen:
1.
Bei der Beurteilung von Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).
2.
Die Vorinstanz hat dem Gutachten der Dres. med. O.________ und W.________, Spezialärzte für Psychiatrie/Psychotherapie resp. Neurologie/Verhaltensneurologie, vom 20. September 2011 Beweiskraft beigemessen und gestützt darauf festgestellt, der Beschwerdeführerin sei - zumindest seit der Begutachtung im April 2011 - zumutbar, einer der körperlichen Problematik angepassten Tätigkeit zu 100 % nachzugehen. Dementsprechend hat sie einen Anspruch auf eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge materiellrechtlich verneint, von Weiterungen indes aufgrund des kantonalrechtlichen Verbotes der reformatio in peius abgesehen und die auf Zusprechung einer ganzen Invalidenrente lautende Klage vom 27. Oktober 2008 erneut abgewiesen. Wie es sich mit dem Anspruch auf eine halbe Invalidenrente verhält, der von der Beschwerdegegnerin in vorinstanzlicher Klageantwort und Duplik nicht formell bestritten wurde und auch nicht in der Stellungnahme vom 11. Oktober 2011 zum eingeholten Gerichtsgutachten, ist nicht zu prüfen (Art. 107 Abs. 1 BGG).
Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, das kantonale Gericht habe sich mit dem Rentenanspruch von Februar 2005 bis April 2011 nicht auseinandergesetzt. Für diesen Zeitraum lasse sich dem Gutachten der Dres. med. O.________ und W.________ nichts entnehmen, während behandelnde Ärzte und der von der IV-Stelle beigezogene Gutachter übereinstimmend sie aus psychiatrischer Sicht für arbeitsunfähig gehalten hätten. Zudem stellt sie die Beweiskraft des Gutachtens der Dres. med. O.________ und W.________ auch für die Zeit nach April 2011 in Abrede.
3.
3.1 Streitig ist der Anspruch auf eine höhere als eine halbe Invalidenrente ab 19. Februar 2005, wobei sich der gerichtliche Prüfungszeitraum bis zum Erlass des angefochtenen Entscheids am 26. Januar 2012 erstreckt hat (vgl. SVR 2009 IV Nr. 57 S. 177, 9C_149/2009 E. 4.4; Urteil 9C_235/2009 vom 30. April 2009 E. 3.3).
3.2
3.2.1 Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 1). Die konkrete Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln (Art. 61 lit. c ATSG; vgl. auch BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht im Rahmen der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei überprüfen kann (Art. 106 Abs. 1 BGG).
3.2.2 Für die Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit stützt sich die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis).
3.3 Hinsichtlich der körperlichen Beeinträchtigungen stellte die Vorinstanz bereits im Entscheid vom 14. Januar 2010 verbindlich fest, dass die Beschwerdeführerin in leidensangepassten Tätigkeiten in vollem Umfang arbeitsfähig sei (Urteil 9C_185/2010 vom 16. August 2010 E. 2.2). Anhaltspunkte dafür, dass sich daran im massgeblichen Zeitraum etwas geändert haben soll, fehlen und wurden auch nicht geltend gemacht, weshalb sich entsprechende Abklärungen erübrigt haben (vgl. BGE 137 V 64 E. 5.2 S. 69; 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_682/2011 E. 3.2.4). In diesem Zusammenhang kann auch nicht von einer Verletzung der Dispositionsmaxime die Rede sein, zumal das kantonale Berufsvorsorgegericht den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen hat (Art. 73 Abs. 2 BVG).
3.4 Was den Zeitraum nach der Begutachtung im April 2011 anbelangt, so genügt das Gutachten der Dres. med. O.________ und W.________ den Anforderungen an den Beweiswert (E. 3.2.2). Eine abweichende Einschätzung anderer - insbesondere behandelnder - Ärzte spricht nicht zwingend gegen die Auffassung der Experten (BGE 125 V 351 E. 3b/bb und cc S. 353). Zudem wies das Bundesgericht bereits im Urteil 9C_185/2010 vom 16. August 2010 darauf hin, dass die Begutachtung durch den von der Invalidenversicherung beigezogenen Psychiater im Dezember 2005 erfolgte (a.a.O., E. 4.6.2), weshalb sich dessen Erkenntnisse, wie auch jene anderer Ärzte, nicht auf die hier interessierende Zeitperiode beziehen. Schliesslich beruhen die Erkenntnisse der Dres. med. O.________ und W.________ nicht lediglich auf einem "Pseudogedächtnis- (Motivations-) Test" - dessen Ergebnis sie lege artis zu deuten grundsätzlich in der Lage sind - sondern namentlich auf Anamnese, eigenen Untersuchen, Gesprächen mit der Versicherten, deren Angaben und Verhalten. Die Beschwerdeführerin würdigt auf weiten Strecken lediglich die medizinischen Unterlagen abweichend von der Vorinstanz und zieht daraus andere Schlüsse, was nicht genügt (Urteile 9C_688/2007 vom 22. Januar 2008 E. 2.3 und 4A_28/2007 vom 30. Mai 2007 E. 1.3 [in BGE 133 III 421 nicht publiziert]).
3.5
3.5.1 In Bezug auf den Zeitraum vor der Begutachtung steht gemäss Urteil 9C_185/2010 vom 16. August 2010 fest, dass die bis dahin vorhandenen Unterlagen die Annahme einer Einschränkung der Arbeitsfähigkeit nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit zu begründen vermögen. Diesbezüglich warf das Bundesgericht insbesondere die Frage auf, ob es sich bei der durch den von der Invalidenversicherung beigezogenen Psychiater diagnostizierten depressiven Episode um eine reaktive Begleiterscheinung der somatoformen Schmerzstörung - welche für die Zumutbarkeit der Leidensüberwindung keine eigenständige Bedeutung hat - oder um ein selbstständiges, vom psychogenen Schmerzsyndrom losgelöstes depressives Leiden handle (a.a.O., E. 4.6.2; vgl. auch Urteil 9C_869/2011 vom 18. April 2012 E. 4.5; SVR 2008 IV Nr. 1 S. 1, I 176/06 E. 5.2). Für den hier zur Diskussion stehenden Zeitraum hat die Vorinstanz keine Feststellungen über die Bedeutung der verschiedenen psychischen Beeinträchtigungen und die Arbeitsfähigkeit getroffen. Diese lassen sich indessen durch das Bundesgericht ergänzen (E. 1).
3.5.2 Die Dres. med. O.________ und W.________ betonten zwar, dass sich die von ihnen gestellten Diagnosen und die Arbeitsfähigkeitsschätzung auf den Zeitpunkt der Begutachtung beziehen. Sie wiesen aber auch darauf hin, dass sich keine "vorbestehenden neuropsychiatrisch-heredopathische Belastungen [...] mit Krankheitswert resp. Störungscharakter" fanden und "biografisch-eigenanamnestisch" Hinweise auf eine "phasisch verlaufende depressive Störung im Sinne einer mehr endogen-neurobiologisch akzentuierten rezidivierenden depressiven F3-Störung" fehlten. Es seien keine "strukturtypischen Dispositionen pathologischen Ausmasses oder [...] psychometrische Defizite" zu eruieren, die als "relevante Limitierung für einen normtheoretischen Heilverlauf" aufzufassen wären. Die "prämorbide Persönlichkeitsdisposition" der Versicherten sei "gemäss eigener Befundlage nicht vulnerable". Weiter lägen "biologische und/oder charakterneurotisch bedingte psychisch-emotionale Fehlverarbeitungen", "pathologische Handlungsmuster" oder ein "entwicklungspsychologischer Hintergrund von schwerwiegenden psychosozialen Traumatisierungen" nicht vor. In Beantwortung der Frage nach den psychiatrischen Diagnosen seit 2001 strichen die Gutachter erneut hervor, dass sich die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung nicht halten lasse.
3.5.3 Auch wenn die Experten die vom Bundesgericht aufgeworfene Frage (E. 3.5.1) nicht explizit beantworteten, lassen ihre Angaben den Schluss zu, dass die Versicherte auch früher - selbst wenn die Symptome anlässlich der durch die Invalidenversicherung angeordneten Begutachtung die Diagnosen einer Agoraphobie mit Panikstörung und einer mittelgradigen depressiven Episode erlaubten - nicht an einer vom Schmerzleiden losgelösten psychischen Komorbidität litt (vgl. auch Urteil 9C_736/2011 vom 7. Februar 2012 E.4.2.2.1 mit Hinweisen). Dass das ebenfalls diagnostizierte Schmerzsyndrom aus anderen Gründen eine invalidisierende Arbeitsunfähigkeit bewirkt haben resp. bewirken soll (BGE 137 V 64; 130 V 352), wurde nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Invalididätsrechtlich ist daher in psychischer Hinsicht seit Februar 2005 von einer uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit auszugehen. Damit besteht keine Grundlage für die eingeklagten Berufsvorsorgeleistungen.
4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 16. Juli 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Meyer
Die Gerichtsschreiberin: Dormann