Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1C_566/2011
Urteil 4. Oktober 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Dold.
Verfahrensbeteiligte
Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS, Generalsekretariat, Bundeshaus Ost, 3003 Bern, Beschwerdeführer,
gegen
Stadt Chur, handelnd durch den Stadtrat, Poststrasse 33, Postfach 660, 7002 Chur
Industrielle Betriebe der Stadt Chur, Felsenaustrasse 29, 7004 Chur,
X.________,
Vereinigte Schützengesellschaft Chur und Umgebung, c/o Y.________,
armasuisse Immobilien, Blumenbergstrasse 39, 3003 Bern,
Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement des Kantons Graubünden, Rechtsdienst, Quaderstrasse 17, 7000 Chur.
Gegenstand
Kostenverteilung Altlastensanierung,
Beschwerde gegen das Urteil vom 16. August 2011 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 4. Kammer.
Sachverhalt:
A.
Auf dem Rossboden in Chur befinden sich verschiedene zivile und militärische Schiessanlagen, die im Eigentum der Stadt Chur stehen. Die mit Blei und Antimon belasteten Kugelfänge wurde zwischen Herbst 2008 und Frühling 2009 altlastenrechtlich saniert. Mit Verfügung vom 31. August 2010 gewährte das Bundesamt für Umwelt (BAFU) Abgeltungen des Bundes im Umfang von 40 % der anrechenbaren Kosten von Fr. 2'609'284.--, somit Fr. 1'043'714.--.
Das Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement (EKUD) des Kantons Graubünden erliess am 30. Dezember 2010 eine Verfügung über die Kostenverteilung. Es qualifizierte als Zustandsstörer die Stadt Chur und die Vereinigte Schützengesellschaft, als Verhaltensstörer die Stadt Chur, die Vereinigte Schützengesellschaft, das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), X.________ und Jagdschützen. Ersteren auferlegte es insgesamt 20 %, Letzteren 80 % der anrechenbaren Kosten für die Sanierung. Es führte aus, da die Jagdschützen nicht ermittelt werden könnten und die Schützengesellschaft nur zum Teil zahlungsfähig sei, entstünden Ausfallkosten im Umfang von 54.5 % der anrechenbaren Kosten. Nach Abzug des Bundesbeitrags von 40 % verblieben Ausfallkosten von 14.5 % der anrechenbaren Kosten, die im Verhältnis 60:40 zwischen der Stadt Chur und dem Kanton Graubünden aufzuteilen seien. Im Ergebnis habe die Stadt Chur somit 34.5 % der anrechenbaren Kosten zu tragen, das VBS 20 %, der Kanton Graubünden 5.8 %; 40 % entfielen auf die Abgeltungen des Bundes.
Gegen die Verfügung des EKUD führten sowohl das VBS als auch die Stadt Chur Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden vereinigte die beiden Verfahren, hiess die Beschwerden mit Urteil vom 16. August 2011 teilweise gut und korrigierte die vom VBS und der Stadt Chur zu tragenden Kosten. Zur Begründung führte es aus, der Bund habe die städtischen Anlagen zu 20 % genutzt. Der von ihm zu tragende Kostenanteil betrage deshalb 20 % jener 80 % der anrechenbaren Kosten, welche auf die Verhaltensstörer entfielen. Im Ergebnis seien dies 16 % - und nicht 20 % - der anrechenbaren Kosten. Zudem sei es unzulässig, die Abgeltungen des Bundes ausschliesslich zur Deckung der Ausfallkosten heranzuziehen. Zu beachten sei indessen auch, dass der Bund nicht von seinen eigenen Abgeltungen profitieren dürfe. Diese seien somit rechnerisch auf die übrigen Kostenpflichtigen zu verteilen, wonach in einem letzten Schritt entsprechend dem Vorgehen des EKUD die Ausfallkosten zu verlegen seien.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 16. Dezember 2011 beantragt das VBS, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und sein eigener Kostenanteil sei auf 9.6 % der Gesamtkosten festzusetzen, was Fr. 250'491.-- entspreche.
Das Verwaltungsgericht und die Stadt Chur beantragen in ihrer jeweiligen Vernehmlassung, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Das EKUD schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Industriellen Betriebe der Stadt Chur, X.________, die Vereinigte Schützengesellschaft Chur und Umgebung sowie armasuisse Immobilien haben sich nicht vernehmen lassen. Das ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene BAFU ist der Ansicht, das Verwaltungsgericht habe die Grundsätze der Verwendung von Abgeltungen des Bundes beachtet. Das VBS hält in seiner Stellungnahme dazu an seinen Anträgen und Rechtsauffassungen fest.
Erwägungen:
1.
Das angefochtene Urteil stützt sich auf Umweltschutzrecht des Bundes und betrifft somit eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 82 lit. a BGG. Ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor. Der dem VBS, d.h. der Schweizerischen Eidgenossenschaft auferlegte Kostenanteil wurde vom Verwaltungsgericht nicht nur prozentual, sondern auch betragsmässig festgelegt. Das angefochtene Urteil ist somit als Endentscheid zu qualifizieren (Art. 90 BGG; vgl. Urteil 1A.158/2005 vom 31. Oktober 2005 E. 1, nicht publ. in: BGE 131 II 743). Das VBS ist zur Beschwerde berechtigt (Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei willkürlich, ihn bei der Verteilung der Abgeltungen des Bundes nicht zu berücksichtigen. Das Bundesgesetz vom 5. Oktober 1990 über Finanzhilfen und Abgeltungen (Subventionsgesetz, SuG; SR 616.1) biete dafür keine Grundlage. Art. 3 Abs. 2 SuG enthalte eine reine Legaldefinition. Im Übrigen seien die Abgeltungen bereits ausbezahlt und der Subventionstatbestand somit abgeschlossen gewesen, als der Kostenverteilungsentscheid erging. Zudem gehe Art. 32d USG (SR 814.01) dem Subventionsgesetz als die spätere und spezifischere Rechtsnorm vor. Art. 32d USG verlange aber eine Kostenverlegung nach dem Verursacherprinzip und sehe vor, dass das Gemeinwesen die Ausfallkosten zu tragen habe, wenn Verursacher nicht mehr ermittelt werden könnten oder zahlungsunfähig seien. Die Berechnungsweise des Verwaltungsgerichts laufe darauf hinaus, dass das VBS ebenfalls mit Ausfallkosten belastet werde und deshalb statt 20 % vom Anteil der Verhaltensstörer deren 31 schultern müsse.
2.2
2.2.1 Gemäss Art. 32d USG trägt der Verursacher die Kosten für notwendige Massnahmen zur Sanierung belasteter Standorte (Abs. 1). Sind mehrere Verursacher beteiligt, so tragen sie die Kosten entsprechend ihren Anteilen an der Verursachung. In erster Linie trägt die Kosten, wer die Massnahmen durch sein Verhalten verursacht hat - der sogenannte Verhaltensstörer (Abs. 2 Sätze 1 und 2). Das zuständige Gemeinwesen trägt den Kostenanteil der Verursacher, die nicht ermittelt werden können oder zahlungsunfähig sind (Abs. 3). Bei der Kostenverlegung steht den Behörden ein beträchtliches, pflichtgemäss auszuübendes Ermessen zu (Urteil 1A.178/2003 vom 27. August 2004 E. 6 mit Hinweisen, in: URP 2004 S. 575).
2.2.2 Gemäss Art. 32e Abs. 3 lit. c USG gewährt der Bund Abgeltungen an die Sanierung von belasteten Standorten bei Schiessanlagen. Die Abgeltungen werden gemäss Abs. 4 USG an die Kantone ausbezahlt und sind an die Voraussetzung geknüpft, dass die getroffenen Massnahmen umweltverträglich und wirtschaftlich sind und dem Stand der Technik entsprechen. In Anwendung der übergangsrechtlichen Bestimmung von Art. 36 lit. b SuG und Art. 32e Abs. 4 USG in der bei Sanierungsbeginn im Herbst 2008 geltenden Fassung (AS 2006 2677) gewährte das BAFU mit Verfügung vom 31. August 2010 Abgeltungen des Bundes im Umfang von 40 % der anrechenbaren Kosten.
2.2.3 Die Abgeltungshöhe ist in der seit 1. November 2006 wie im Übrigen auch in der aktuellen, seit 1. Oktober 2009 geltenden Fassung von Art. 32e Abs. 4 USG klar definiert. Hingegen enthält weder das Gesetz noch die vom Bundesrat gestützt darauf erlassene Verordnung vom 26. September 2008 über die Abgabe zur Sanierung von Altlasten (VASA; SR 814.681) eine Antwort auf die Frage, wer abgeltungsberechtigt ist und nach welchem Modus die Abgeltungen zu verteilen sind. Umstritten ist insbesondere, ob die Abgeltungen lediglich der öffentlichen Hand oder auch kostenpflichtigen Privaten zustehen und ob das Gemeinwesen vorab die von ihm zu tragenden Ausfallkosten (Art. 32d Abs. 3 USG) decken darf (URSULA BRUNNER/ADRIAN STRÜTT, Zur Verwendung der Gelder des VASA-Fonds bei Deponien, URP 2009 S. 615 ff.; SIBYLLE DILLON, Aktuelle Rechts- und Vollzugsfragen bei der Anwendung der VASA, URP 2011 S. 644 ff.; ALAIN GRIFFEL/HERIBERT RAUSCH, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, 2011, N. 23 zu Art. 32e USG; PIERRE TSCHANNEN, in: Kommentar zum Umweltschutzgesetz, 2. Aufl. 2002, N. 37 zu Art. 32e USG). In diesem Zusammenhang steht auch die vorliegend umstrittene Frage, ob der Bund als Verursacher im Sinne von Art. 32d Abs. 1 und 2 USG an den Abgeltungen partizipieren darf.
2.2.4 Nach dem umweltrechtlichen Verursacherprinzip (Art. 74 Abs. 2 BV; Art. 2 USG) sollen die Kosten einer bestimmten umweltrechtlich gebotenen Massnahme denjenigen auferlegt werden, welche die Ursache dafür gesetzt haben. Das Verursacherprinzip hat eine Finanzierungs- und zugleich eine Lenkungsfunktion, denn es schafft Anreize, die Umweltbelastung möglichst zu reduzieren (BGE 138 II 111 E. 5.3.1 S. 124 f. mit Hinweisen). Für den Bereich der Sanierung belasteter Standorte wird es in Art. 32d Abs. 2 USG konkretisiert. Indessen gilt es nicht uneingeschränkt. So tritt an seine Stelle das Gemeinlastprinzip, wenn Verursacher nicht ermittelt werden können oder zahlungsunfähig sind (Art. 32d Abs. 3 USG; MARTIN FRICK, Das Verursacherprinzip in Verfassung und Gesetz, 2004, S. 32). Auch die Abgeltungen des Bundes nach Art. 32e USG relativieren das Verursacherprinzip, denn sie führen dazu, dass die Kosten der Massnahme nicht mehr dem unmittelbaren Verursacher auferlegt werden (DILLON, a.a.O., S. 644; vgl. auch BGE 131 II 743 E. 3.2 S. 747 f. mit Hinweisen). Aus dem Umstand, dass die Ausrichtung von Abgeltungen dem Verursacherprinzip entgegenläuft, folgt, dass es widersprüchlich ist, wenn sich der Beschwerdeführer gerade auf dieses Prinzip beruft, um selbst Abgeltungen zu fordern. Die betreffende Rüge ist unbegründet.
2.2.5 Kann sich der Beschwerdeführer nach dem Gesagten nicht auf das Verursacherprinzip stützen, so geht aus seiner Argumentation immerhin sinngemäss auch hervor, dass er in Bezug auf die Verteilung der Abgeltungen den übrigen Verursachern gleichgestellt werden will (Art. 8 Abs. 1 BV). Dem steht indessen die klare Vorschrift von Art. 3 Abs. 2 SuG entgegen. Danach sind Abgeltungen Leistungen an Empfänger ausserhalb der Bundesverwaltung zur Milderung oder zum Ausgleich von finanziellen Lasten, die sich ergeben aus der Erfüllung von bundesrechtlich vorgeschriebenen Aufgaben und von öffentlich-rechtlichen Aufgaben, die dem Empfänger vom Bund übertragen sind. Auch wenn es sich dabei in der Tat um eine Legaldefinition handelt, wie der Beschwerdeführer zu Recht vorbringt, geht aus der Bestimmung in Verbindung mit Art. 32e USG doch deutlich hervor, dass die Abgeltungen des Bundes für die Sanierung belasteter Standorte nicht für die Bundesverwaltung bestimmt sind (Botschaft vom 15. Dezember 1986 zu einem Bundesgesetz über Finanzhilfen und Abgeltungen, BBl 1987 I 383 Ziff. 213.2; BARBARA SCHAERER, Subventionen des Bundes zwischen Legalitätsprinzip und Finanzrecht, 1992, S. 41; TSCHANNEN, a.a.O., N. 28 zu Art. 32e USG; DILLON, a.a.O., S. 633 ff.; implizit GRIFFEL/RAUSCH, a.a.O. N. 23 zu Art. 32e USG, die im Zusammenhang mit dem Begriff der "öffentlichen Hand" nur Kanton und Gemeinden nennen). Auch in dieser Hinsicht verfängt deshalb die Kritik des Beschwerdeführers nicht.
2.2.6 Es ist freilich nicht zu übersehen, dass bei einem hohen Verursacheranteil des Bundes Art. 3 Abs. 2 SuG in Verbindung mit Art. 32e Abs. 4 USG dazu führen kann, dass im Extremfall die weiteren Verursacher durch die Abgeltungen von der Kostentragung gänzlich befreit werden. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Verursacheranteil des Bundes 60 % erreicht und die in Art. 32e Abs. 4 lit. c USG vorgesehenen Abgeltungen von 40 % die verbleibenden Kosten der Massnahme vollständig decken. Während die bis zum 1. November 2006 geltende Fassung von Art. 32e USG diesbezüglich noch vorsah, dass die Abgeltungen des Bundes "höchstens" 40 % der anrechenbaren Sanierungskosten betragen, erlaubt die aktuelle Fassung in dieser Hinsicht keine Flexibilität mehr. Dadurch erfährt das Verursacherprinzip im Einzelfall augenscheinlich eine starke Relativierung. Die dargelegte gesetzliche Ordnung ist jedoch für das Bundesgericht massgebend (Art. 190 BV).
2.2.7 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Kritik des Beschwerdeführers am vorinstanzlichen Entscheid ungerechtfertigt ist. Das Verwaltungsgericht hat kein Bundesrecht verletzt, indem es das VBS als Teil der Bundesverwaltung bei der Verteilung der Abgeltungen des Bundes unberücksichtigt liess.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen.
Der Beschwerdeführer hat in Verfolgung von Vermögensinteressen prozessiert, weshalb die Gerichtskosten dem Bund aufzuerlegen sind ( Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG ). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen ( Art. 68 Abs. 1-3 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Schweizerischen Eidgenossenschaft auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Stadt Chur, den Industriellen Betrieben der Stadt Chur, X.________, der Vereinigten Schützengesellschaft Chur und Umgebung, der armasuisse Immobilien, dem Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 4. Kammer, und dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 4. Oktober 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Dold