BGer 9C_434/2012
 
BGer 9C_434/2012 vom 11.10.2012
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
9C_434/2012
Urteil vom 11. Oktober 2012
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiber R. Widmer.
 
Verfahrensbeteiligte
C.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Pfändler,
Beschwerdeführerin,
gegen
Personalvorsorgestiftung der Firma X.________,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Berufliche Vorsorge,
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungs-gerichts des Kantons Aargau vom 28. Februar 2012.
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 22. März 2010 sprach die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) der 1969 geborenen, bei der Firma X.________ tätigen C.________ für die wirtschaftlichen Folgen eines Verkehrsunfalls vom 14. Juni 2001 eine Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 84 % zu. Mit Verfügungen vom 29. Oktober 2010 sprach die IV-Stelle Aargau C.________ ab 1. Juni 2002 abgestufte Invalidenrenten (Viertels-, halbe und Dreiviertelsrenten) bis 31. Oktober 2009 zu. Ab 1. November 2009 gewährte sie der Versicherten gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 84 % eine ganze Invalidenrente, worauf die SUVA der Versicherten rückwirkend ab 21. Januar 2006 eine Komplementärrente zusprach (Verfügung vom 25. Oktober 2010). Das Guthaben infolge Überentschädigung, das sich laut Berechnung der Anstalt seit 14. Juni 2001 auf Fr. 78'279.- belief, verrechnete sie mit der Nachzahlung der Invalidenversicherung. Die Personalvorsorgestiftung der Firma X.________, bei welcher C.________ für die berufliche Vorsorge versichert war, eröffnete dieser mit Schreiben vom 16. Februar und 11. November 2010, dass sie keine Leistungen erbringe; die Zahlungen der Unfallversicherung überstiegen die Leistungen der Vorsorgeeinrichtung bei Weitem.
B.
Am 23. März 2011 liess C.________ beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau Klage einreichen mit dem Antrag, die Personalvorsorgestiftung der Firma X.________ sei zu verpflichten, ihr ab 1. Februar 2006 eine von dieser zu berechnende Invalidenrente, zuzüglich Zins zu 5 % seit Fälligkeit, auszurichten. Mit Entscheid vom 28. Februar 2012 verpflichtete das Versicherungsgericht die Vorsorgeeinrichtung in teilweiser Gutheissung der Klage, C.________ eine gekürzte Invalidenrente in der Höhe von Fr. 282.90 im Jahr in kapitalisierter Form auszurichten. Ferner sprach es der Versicherten zu Lasten der Vorsorgeeinrichtung eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 1'750. -zu.
C.
C.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit den Rechtsbegehren, unter teilweiser Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien ihr Invalidenleistungen aus der beruflichen Vorsorge von Fr. 1'083.- im Jahr zuzusprechen; ferner sei ihr für das kantonale Gerichtsverfahren eine ungekürzte Parteientschädigung von Fr. 3'500.- zu gewähren.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
2.1 Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf Art. 26 Abs. 1 des Vorsorgereglements der Personalvorsorgestiftung, dessen Wortlaut mit Art. 24 Abs. 1 BVV 2 übereinstimmt, zutreffend dargelegt, dass Anspruch auf Leistungen aus der beruflichen Vorsorge besteht, soweit die anrechenbaren Einkünfte 90 % des mutmasslich entgangenen Verdienstes nicht erreichen. Als mutmasslich entgangener Verdienst gilt das hypothetische Einkommen, das die versicherte Person ohne Invalidität im Zeitpunkt, in welchem sich die Kürzungsfrage stellt, erzielen würde (BGE 129 V 150 E. 2.3 S. 154) respektive könnte (BGE 126 V 93 E. 3 S. 96). Es besteht eine weitgehende Parallelität zum Valideneinkommen nach Art. 16 ATSG, jedoch keine Kongruenz. Es ist den spezifischen Gegebenheiten und tatsächlichen Chancen der versicherten Person auf dem jeweiligen Arbeitsmarkt Rechnung zu tragen. Ausgehend vom zuletzt vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit erzielten Verdienst sind alle einkommensrelevanten Veränderungen (Teuerung, Reallohnerhöhung, Karriereschritte usw.) zu berücksichtigen, welche ohne Invalidität überwiegend wahrscheinlich eingetreten wären (BGE 137 V 20 E. 5.2.3.1 S. 27 mit Hinweisen).
2.2 In Übereinstimmung mit den Feststellungen der IV-Stelle und entgegen der Auffassung der Vorsorgeeinrichtung ging das kantonale Gericht davon aus, dass die Beschwerdeführerin ohne Invalidität ab 1. August 2009 in einem Vollzeitpensum erwerbstätig gewesen wäre. Es legte der Überentschädigungsberechnung einen mutmasslich entgangenen Verdienst von Fr. 49'855.-, entsprechend dem bei der letzten Arbeitgeberin erzielten, der Nominallohnentwicklung angepassten Verdienst, zugrunde, woraus sich eine Überentschädigungsgrenze von Fr. 44'869.50 (90 % von Fr. 49'855.-) ergab. Die Leistungen der Invalidenversicherung und der SUVA belaufen sich gemäss angefochtenem Entscheid auf Fr. 44'586.60 jährlich. Aus der Differenz zwischen diesen beiden Beträgen resultiert laut Vorinstanz die der Beschwerdeführerin zugesprochene, in kapitalisierter Form auszurichtende Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge in der Höhe von Fr. 282.90 im Jahr.
2.3 Die Versicherte ist mit der Berechnung gemäss angefochtenem Entscheid insoweit nicht einverstanden, als diese das mutmasslich erreichbare Einkommen zum Gegenstand hat. Dabei ist sie darauf hinzuweisen, dass der mutmasslich entgangene Verdienst und das hypothetische Valideneinkommen nicht deckungsgleich sind (E. 2.1 hievor), weshalb die Vorbringen in der Beschwerde nicht durchwegs stichhaltig sind, soweit sie sich auf Urteile und Literatur zum Valideneinkommen stützen. Nicht beigepflichtet werden kann der Beschwerdeführerin auch insoweit, als sie die von der Vorinstanz unterlassene Nominallohnanpassung für das Jahr 2010 als bundesrechtswidrig taxiert. Das Versicherungsgericht stellt diesbezüglich auf den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Schweizer Möbelindustrie ab, laut welchem für 2010 keine Lohnerhöhung vereinbart worden war. Inwieweit die Vorinstanz damit Bundesrecht verletzt haben soll, vermag die Beschwerdeführerin nicht zu begründen, zumal es sich um den GAV handelt, welchem die frühere Arbeitgeberin und die Versicherte selbst unterstellt waren. Mit der in der Beschwerde durchgeführten Berechnung, welche aufgrund einer Nominallohnentwicklung von 1,1 % für 2010 einen mutmasslich entgangenen Verdienst von Fr. 50'743.- (mit entsprechend höherer Überentschädigungsgrenze von Fr. 45'669.- und einem jährlichen Rentenanspruch von Fr. 1'082.85) ergibt, vermag die Versicherte daher nicht darzulegen, inwiefern die vorinstanzliche Ermittlung der massgeblichen Berechnungsgrössen bundesrechtswidrig sein soll.
2.4 Nicht gefolgt werden kann sodann der eventualiter vorgetragenen Begründung, das mutmasslich entgangene Einkommen sei statt aufgrund des zuletzt verdienten Lohnes anhand der Tabellenlöhne gemäss Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik festzusetzen. Wie erwähnt, wird regelmässig vom zuletzt, vor Eintritt des Gesundheitsschadens, erzielten Erwerbseinkommen ausgegangen. Dies gibt umso weniger zu Bedenken Anlass, als die Beschwerdeführerin vor ihrem Unfall bereits seit über zehn Jahren bei der Firma X.________ gearbeitet hatte. Gründe für die Annahme, sie hätte dieses stabile Anstellungsverhältnis ohne Unfall aufgegeben, werden nicht namhaft gemacht.
3.
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich, dass die Personalvorsorgestiftung ihr gemäss vorinstanzlichem Entscheid nur die Hälfte der Parteikosten ersetzen müsse. Die Klage sei jedoch grundsätzlich, wenn auch nicht masslich, gutgeheissen worden. Zudem habe sich die Versicherte in guten Treuen zur Prozessführung veranlasst gesehen, nachdem die Beschwerdegegnerin zu keiner aussergerichtlichen Einigung Hand geboten habe.
3.2 Die Parteikosten im Prozess nach Art. 73 BVG sind nicht bundesrechtlich geregelt (z.B. Urteil 9C_911/2007 vom 23. Juni 2008).
3.2.1 In der vorinstanzlichen Replik beantragte die Beschwerdeführerin die Zusprechung einer Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge in der Höhe von Fr. 1'083.- im Jahr. Im angefochtenen Entscheid sprach ihr die Vorinstanz eine gekürzte Invalidenleistung von Fr. 282.90 jährlich zu, entsprechend dem Betrag, den die Vorsorgeeinrichtung in der Klageantwort als korrekt erachtet hatte für den Fall, dass die Invalidität nach der Einkommensvergleichsmethode bemessen werde.
3.2.2 Die Beschwerdeführerin rügt keine Verletzung von Bundesrecht. Insbesondere macht sie nicht geltend, das Versicherungsgericht habe eine bundesrechtliche Norm falsch angewendet. Sie lässt es vielmehr dabei bewenden, der Vorinstanz eine Verletzung kantonaler Verfahrensbestimmungen vorzuwerfen. In einem solchen Fall ist die Überprüfung durch das Bundesgericht inhaltlich auf die Frage beschränkt, ob die Anwendung des kantonalen Rechts zu einer Bundesrechtswidrigkeit führt. Im Vordergrund steht dabei eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte (zur Publikation in BGE 138 vorgesehenes Urteil 9C_197/2012 vom 7. September 2012; BGE 133 I 201 E. 1 S. 203 mit Hinweisen), wobei insoweit an die Begründung der Beschwerde strengere Anforderungen gestellt werden (vgl. dazu BGE 134 II 244 E. 2 S. 245 ff.).
Eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte, namentlich des Willkürverbots, wird in der Beschwerde weder behauptet noch lässt sich ein solcher Mangel erkennen. Wird jedoch eine Verletzung von Bundesrecht nicht gerügt und der Vorinstanz zwar eine Verletzung des kantonalen Verfahrensrechts, nicht aber von Verfassungsrecht vorgeworfen, ist die Beschwerde bezüglich der Höhe der Parteientschädigung für das kantonale Verfahren nicht hinreichend begründet (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2 S. 245 ff.), weshalb in diesem Punkt auf das Rechtsmittel nicht einzutreten ist.
4.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 11. Oktober 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Meyer
Der Gerichtsschreiber: Widmer