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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1B_281/2012
Urteil vom 13. November 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Chaix
Gerichtsschreiber Härri.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hollinger,
gegen
Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach.
Gegenstand
Ausstandsbegehren; Replikrecht,
Beschwerde gegen den Entscheid des Vizepräsidenten der Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau vom 22. März 2012.
Sachverhalt:
A.
Mit Strafbefehl vom 6. August 2011 auferlegte die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach (im Folgenden: Staatsanwaltschaft) X.________ wegen Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz eine Busse von Fr. 250.--. Dagegen erhob er Einsprache.
Am 2. März 2012 verlangte X.________ den Ausstand des zuständigen Staatsanwalts.
Am 22. März 2012 wies der Vizepräsident der Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau (im Folgenden: Vizepräsident) das Ausstandsbegehren ab.
B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Entscheid des Vizepräsidenten sei aufzuheben und die Sache an diesen zurückzuweisen.
C.
Der Vizepräsident und die Staatsanwaltschaft haben auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Erwägungen:
1.
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben.
Gemäss Art. 59 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 380 StPO hat die Vorinstanz als einzige kantonale Instanz entschieden. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig.
Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt.
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren. Dagegen ist die Beschwerde nach Art. 92 Abs. 1 BGG zulässig.
Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe am 2. März 2012 das Ausstandsbegehren gestellt. Am 5. März 2012 habe der Staatsanwalt dazu Stellung genommen. Hierzu habe sich der Beschwerdeführer vor dem angefochtenen Entscheid nicht mehr äussern können, womit sein Recht auf Replik verletzt worden sei.
2.2 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser umfasst auch das Recht, von den beim Gericht eingereichten Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können. Dieses auf Art. 29 Abs. 2 BV gestützte Replikrecht gilt für alle gerichtlichen Verfahren, auch solche, die nicht in den Schutzbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK fallen. Die Verfahrensbeteiligten haben Anspruch auf Zustellung von Vernehmlassungen, unabhängig davon, ob diese neue und erhebliche Gesichtspunkte enthalten. Das Gericht muss vor Erlass seines Entscheids eingegangene Stellungnahmen den Beteiligten zustellen, damit sich diese darüber schlüssig werden können, ob sie sich dazu äussern wollen oder nicht (BGE 138 I 154 E. 2.3.3 S. 157; 137 I 195 E. 2.3.1 S. 197; 133 II 98 E. 2.1 S. 99; 133 I 100 E. 4.3 ff. S. 102 ff.; je mit Hinweisen).
Im Fall, der dem Urteil 9C_1069/2008 vom 2. März 2009 zugrunde lag, reichte die Beklagte am 27. Oktober 2008 eine Stellungnahme ein. Diese teilte das kantonale Gericht am 29. Oktober 2008 der Klägerin mit. Am 6. November 2008 fällte das Gericht sein Urteil, so dass es die Eingabe der Klägerin vom 8. November 2008 nicht mehr berücksichtigen konnte. Das Bundesgericht bejahte eine Verletzung des Replikrechts der Klägerin. Es befand, das kantonale Gericht hätte der Klägerin eine vernünftige Zeitspanne belassen müssen, um auf die Stellungnahme der Beklagten zu reagieren. Indem das kantonale Gericht nach der Mitteilung der Stellungnahme der Beklagten innert kurzer Frist entschieden habe, habe es die Klägerin daran gehindert, sich zu äussern.
2.3 Aus den Akten ergibt sich Folgendes: Der Beschwerdeführer stellte sein Ausstandsbegehren am 2. März 2012. Mit Eingabe vom 5. März 2012 an die Vorinstanz beantragte der Staatsanwalt die Ablehnung des Begehrens. Am 12. März 2012 verfügte die Vorinstanz die Zustellung der Stellungnahme des Staatsanwalts an den Beschwerdeführer zur Kenntnisnahme. Am 22. März 2012 fällte die Vorinstanz den angefochtenen Entscheid. Mit Eingabe vom 26. März 2012 an die Vorinstanz, die bei dieser am Tag darauf einging, reichte der Beschwerdeführer eine Replik zur Stellungnahme des Staatsanwalts ein. Am 28. März 2012 stellte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer ihren Entscheid vom 22. März 2012 zu. Diesen nahm der Beschwerdeführer am 29. März 2012 in Empfang.
Der Beschwerdeführer beanstandet ausdrücklich nicht, dass ihm die Vorinstanz mit Verfügung vom 12. März 2012 die Stellungnahme des Staatsanwalts lediglich zur Kenntnisnahme zugestellt hat. Er macht geltend, er habe keine ausreichende Zeit gehabt, dazu zu replizieren. Die Vorinstanz habe ihm die Verfügung vom 12. März 2012 mit B-Post zugesandt und diese sei am 19. März 2012 bei ihm eingetroffen. Mit seiner Eingabe vom 26. März 2012 habe er repliziert. Bereits vier Tage vorher habe die Vorinstanz - was er noch nicht habe wissen können - den angefochtenen Entscheid getroffen, womit sie sein Replikrecht vereitelt habe.
In den Akten ist kein Beleg zur Zustellung der Stellungnahme des Staatsanwalts an den Beschwerdeführer enthalten. Die Vorinstanz, welche auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde in Strafsachen verzichtet hat, bestreitet nicht, dass sie die Stellungnahme dem Beschwerdeführer mit B-Post zugesandt hat. Dass der Beschwerdeführer die Stellungnahme am 19. März 2012 erhalten hat, kann ihm nicht widerlegt werden. Davon ist auszugehen. Indem die Vorinstanz nur drei Tage, nachdem der Beschwerdeführer die Stellungnahme erhalten hatte, entschieden hat, hat sie ihm keine ausreichende Zeit gelassen, sich darüber schlüssig zu werden, ob er eine Replik einreichen wolle, diese zu verfassen und zu übermitteln. Dass der Beschwerdeführer die Replik nicht innert drei Tagen eingereicht hat, kann ihm nicht vorgeworfen werden. Er hat die Replik am 26. März 2012 und damit noch innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne eingereicht. Diese Eingabe konnte die Vorinstanz nicht mehr berücksichtigen, womit sie das Replikrecht des Beschwerdeführers verletzt hat. Die Rüge ist begründet. Der vorliegende Fall liegt im Wesentlichen gleich wie jener, über den das Bundesgericht im oben (E. 2.2) erwähnten Urteil vom 2. März 2009 zu befinden hatte.
2.4 Die Heilung des Verfahrensmangels im bundesgerichtlichen Verfahren fällt schon deshalb ausser Betracht, weil auch Sachverhaltsfragen zur Diskussion stehen und die Kognition des Bundesgerichts insoweit gegenüber jener der Vorinstanz eingeschränkt ist (Art. 105 BGG; BGE 137 I 195 E. 2.3.2 S. 197 f. mit Hinweisen).
2.5 Die Beschwerde ist danach gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Da die Vorinstanz einen neuen Entscheid zu treffen haben wird, braucht auf die Rüge, die Vorinstanz habe die Begründungspflicht verletzt, nicht mehr eingegangen zu werden.
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton hat dem Beschwerdeführer eine Entschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Diese wird auf Fr. 2'000.-- (inkl. Mehrwertsteuer) festgesetzt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Vizepräsidenten der Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau vom 22. März 2012 aufgehoben und die Sache zum neuen Entscheid an diesen zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach und dem Vizepräsidenten der Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 13. November 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Härri