BGer 1B_654/2012 |
BGer 1B_654/2012 vom 13.11.2012 |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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1B_654/2012
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Urteil vom 13. November 2012
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I. öffentlich-rechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
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Bundesrichter Karlen, Chaix,
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Gerichtsschreiber Störi.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Magda Zihlmann,
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gegen
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Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, Selnaustrasse 28, Postfach, 8027 Zürich.
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Gegenstand
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Haftentlassung,
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Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. Oktober 2012 des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer.
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Sachverhalt:
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A.
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X.________ wurde am 2. Dezember 2011 von der Kantonspolizei Zürich wegen des Verdachts auf Drogenhandel und Geldwäscherei verhaftet und im Anschluss daran in Untersuchungshaft versetzt.
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Am 27. September 2012 stellte X.________ ein Haftentlassungsgesuch, welches vom Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Zürich am 3. Oktober 2012 abgewiesen wurde.
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Das Obergericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde von X.________ gegen diesen Haftentscheid am 23. Oktober 2012 ab.
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B.
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Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, diesen Beschluss des Obergerichts aufzuheben und sie aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Ausserdem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
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C.
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Die Staatsanwaltschaft beantragt in ihrer Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen. Das Obergericht verzichtet auf Stellungnahme.
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In ihrer Replik hält X.________ an der Beschwerde fest.
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Erwägungen:
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1.
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Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Haftentscheid des Obergerichts. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff. BGG gegeben. Der Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Haftentlassung ist zulässig (BGE 132 I 21 E. 1). Die Beschwerdeführerin ist durch die Verweigerung der Haftentlassung in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Sie macht die Verletzung von Bundesrecht geltend, was zulässig ist (Art. 95 lit. a BGG). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.
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2.
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Untersuchungshaft kann unter anderem angeordnet werden, wenn ein dringender Tatverdacht in Bezug auf ein Verbrechen oder Vergehen sowie Flucht-, Kollusions- oder Wiederholungsgefahr besteht (Art. 221 Abs. 1 StPO).
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2.1 Die Staatsanwaltschaft verdächtigt die Beschwerdeführerin, rund 16'000 Euro Drogenerlös von Zürich nach Barcelona geflogen und dort einem Komplizen übergeben zu haben. Anschliessend soll sie ihren Personenwagen, der zuvor von ihrem Komplizen von Zürich nach Barcelona überführt worden war, übernommen und mit ihm nach Zürich zurückgefahren sein, im Wissen darum, dass im Wagen rund 9 kg reines Kokain und 5,5 kg Streckmittel versteckt waren. Dieser Tatverdacht ist unbestritten. Er bezieht sich auf einen qualifizierten Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinn von dessen Art. 19 Abs. 2 sowie auf Geldwäscherei im Sinn von Art. 305bis StGB. Der allgemeine Haftgrund - dringender Tatverdacht in Bezug auf ein Verbrechen oder Vergehen - ist somit erfüllt.
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2.2 Für die Annahme von Fluchtgefahr genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe für sich allein nicht. Eine solche darf nicht schon angenommen werden, wenn die Möglichkeit der Flucht in abstrakter Weise besteht. Vielmehr müssen konkrete Gründe dargetan werden, die eine Flucht nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe kann immer nur neben anderen, eine Flucht begünstigenden Tatsachen herangezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a; 117 Ia 69 E. 4a; 108 Ia 64 E. 3; 107 Ia 3 E. 6).
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2.2.1 Das Obergericht erwog im angefochtenen Entscheid (E. 3d S. 7 f.), die 1962 geborene Beschwerdeführerin sei als Tochter italienischer Immigranten in Deutschland aufgewachsen. Im Alter von 13 Jahren seien ihre Eltern mit ihr und ihren zwei Schwestern nach Italien zurückgekehrt. Sie lebe seit 1990 in der Schweiz und habe hier zwei volljährige Kinder. Trotz dieser Anknüpfungspunkte sei ihre Bindung an die Schweiz gering. Sie habe hier, abgesehen von einer aus Santo Domingo stammenden Freundin, weder Verwandte noch enge Bekannte. Sie habe dagegen geschäftliche und private Kontakte in die Dominikanische Republik; sie sei mehrmals dort gewesen, um den von ihr betriebenen Export von gebrauchten Pneus aus der Schweiz in die Dominikanische Republik zu organisieren. Zudem habe sie vor ihrer Verhaftung mit dem dort ansässigen Y.________ eine Beziehung eingehen wollen. Die volljährigen Kinder seien nicht mehr auf ihre Betreuung angewiesen. Angesichts der für den Fall einer Verurteilung drohenden mehrjährigen Freiheitsstrafe sei daher nicht auszuschliessen, dass sie sich der weiteren Strafverfolgung in der Schweiz durch Flucht entziehen könnte, zumal die von ihr benötigten Medikamente auch in der Dominikanischen Republik erhältlich seien.
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2.2.2 Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, sie könne ihr Exportgeschäft nur von der Schweiz aus betreiben. Ihre Aufgabe sei, in der Schweiz und im nahen Ausland nach gebrauchten Pneus für den Export zu suchen. In der Dominikanischen Republik habe sie dagegen keine Zukunftsperspektive; sie verfüge dort weder über eine Aufenthalts- noch über eine Arbeitsbewilligung. Zu Y.________ habe sie seit einem Jahr keinen Kontakt mehr gehabt; zudem verfüge er nicht über finanzielle Mittel, um sie zu unterstützen. Sie habe daher in der Dominikanischen Republik keine Zukunftsperspektive. In der Schweiz verfüge sie dagegen über 24 Jahre Arbeitserfahrung und könne mit sehr guten Arbeitszeugnissen aufwarten; sie fände daher schnell zurück ins Arbeitsleben. Sie plane ihre Zukunft unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens in der Schweiz. Sie sei daran, ihre Schulden zu tilgen, was zeige, dass es nicht ihre Art sei, sich aus der Verantwortung zu stehlen.
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2.2.3 Die Beschwerdeführerin ist in der Schweiz offenkundig eher schlecht integriert, was sich schon daran zeigt, dass sie, obwohl sie die ersten zwölf Jahre ihrer Kindheit in Deutschland verbrachte und nunmehr seit über 20 Jahren im Kanton Zürich lebt und arbeitet, einen Dolmetscher benötigt, um den Einvernahmen zu folgen. Es liegt zwar nahe, dass sie vor ihrer Verhaftung keineswegs plante, die Schweiz zu verlassen und - möglicherweise für immer - hier bei ihren Kindern geblieben wäre. Die Voraussetzungen haben sich durch das Strafverfahren und insbesondere durch die Aussicht, für den Fall einer Verurteilung eine mehrjährige Freiheitsstrafe verbüssen zu müssen, nunmehr allerdings stark geändert. Ihr Exportgeschäft würde eine längere Abwesenheit wohl kaum überstehen, und es steht auch keineswegs fest, dass sie ihre Niederlassungsbewilligung nach der Strafverbüssung behalten würde (vgl. Art. 62 und 63 Ausländergesetz, SR 142.20). Angesichts der insgesamt getrübten Aussichten für ihr weiteres Fortkommen in der Schweiz könnte die Beschwerdeführerin, die über geschäftliche und wohl auch darüber hinausgehende Kontakte in die Dominikanische Republik verfügt, sowie familiäre Beziehung nach Italien hat, versucht sein, sich der weiteren Strafverfolgung zu entziehen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Obergericht Fluchtgefahr bejahte.
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2.3 Besteht Fluchtgefahr, kann offen bleiben ob noch weitere besondere Haftgründe - hier Kollusionsgefahr - bestehen. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit ist die Fortführung der Haft nicht zu beanstanden, da sie noch nicht in grosse Nähe der zu erwartenden Strafe kommt, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Strafuntersuchung nicht mit der gebotenen Beschleunigung vorangetrieben wird und mildere Ersatzmassnahmen die Beschwerdeführerin nicht wirksam an einer Flucht hindern könnten.
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3.
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Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt an sich die Beschwerdeführerin die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat indessen ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches gutzuheissen ist, da die Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos war und ihre Bedürftigkeit ausgewiesen scheint (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen:
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2.1 Es werden keine Kosten erhoben.
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2.2 Rechtsanwältin Magda Zihlmann, Zürich, wird für das bundesgerichtliche Verfahren als amtliche Verteidigerin eingesetzt und mit Fr. 1'500.-- aus der Kasse des Bundesgerichts entschädigt.
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3.
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Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 13. November 2012
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Fonjallaz
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Der Gerichtsschreiber: Störi
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