BGer 9C_844/2012
 
BGer 9C_844/2012 vom 05.12.2012
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
9C_844/2012 {T 0/2}
Urteil vom 5. Dezember 2012
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Nussbaumer.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Schwarz,
Beschwerdeführerin,
gegen
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Lagerhausstrasse 19, 8400 Winterthur,
Beschwerdegegner
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 12. September 2012.
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 25. Mai 2012 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich A.________ (geboren 1959) mit Wirkung ab 1. Januar 2012 eine halbe Rente der Invalidenversicherung nebst Kinderrente zu. Hiegegen liess A.________ Beschwerde einreichen und unter anderem das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung stellen. Mit Entscheid vom 12. September 2012 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich das Gesuch mangels Bedürftigkeit ab.
B.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen, und ihre Rechtsanwältin sei als unentgeltliche Rechts-beiständin für das Verfahren vor der Vorinstanz einzusetzen.
Das kantonale Gericht verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Gegen die vorinstanzliche Verfügung ist die Beschwerde zulässig, da die Abweisung des Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege für das kantonale Beschwerdeverfahren einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirkt (BGE 133 IV 335 E. 4 S. 338; SVR 2009 UV Nr. 12 S. 49).
2.
Gemäss Art. 61 Abs. 1 lit. f ATSG muss im Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht das Recht, sich verbeiständen zu lassen, gewährleistet sein. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt. Nach der Praxis sind die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung erfüllt, wenn der Prozess nicht aussichtslos erscheint sowie die Partei bedürftig und die anwaltliche Verbeiständung notwendig oder doch geboten ist (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135; 128 I 225 E. 2.5 S. 232 ff.; 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371 E. 5b S. 372, je mit Hinweisen).
3.
Zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht die prozessuale Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin zu Recht verneint hat.
3.1 Eine Person ist bedürftig, wenn sie nicht in der Lage ist, für die Prozesskosten aufzukommen, ohne dass sie Mittel beanspruchen müsste, die zur Deckung des Grundbedarfs für sie und ihre Familie notwendig sind (BGE 128 I 225 E. 2.5.1 S. 232; 127 I 202 E. 3b S. 205). Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, andererseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (BGE 124 I 1 E. 2a S. 2; SVR 2009 UV Nr. 12 S. 49, 8C_530/2008).
3.2 Bei der Ermittlung der prozessualen Bedürftigkeit ging das kantonale Gericht vorerst davon aus, dass die Beschwerdeführerin Eigentümerin einer Wohnung mit Steuerwert von Fr. 501'000.- sei, auf der Hypothekarschulden in Höhe von Fr. 560'000.- lasteten. Aus dem Scheidungsurteil vom 18. Mai 2010 gehe allerdings hervor, dass der Übernahmewert für den hälftigen Miteigentumsanteil auf Fr. 360'000.- festgesetzt worden sei. Der Verkehrswert der Eigentumswohnung betrage somit mindestens Fr. 720'000.-. Weiter könne dem Scheidungsurteil entnommen werden, dass auf das Leben des früheren Ehemannes der Beschwerdeführerin zwei Versicherungspolicen bestünden, deren Rückkaufswert per 25. November 2009 insgesamt Fr. 264'670.70 betragen habe, und die der Bank als zusätzliche Sicherheit für den Hypothekarkredit verpfändet worden seien. Die Hälfte dieser Vermögenswerte stünden der Beschwerdeführerin gemäss Scheidungsurteil aus Güterrecht zu, und der Ex-Ehemann habe sich verpflichtet, ihr bei Ablauf resp. Auszahlung der Versicherungen die Hälfte der ausbezahlten Beträge weiter zu leiten. Da die Auszahlung der Versicherungssumme infolge der Verpfändung der Policen nur mit Zustimmung der Hypothekargläubigerin an den früheren Ehegatten der Beschwerdeführerin erfolgen könne - und diese ihre Zustimmung nur dann erteilen werde, wenn zuvor eine entsprechende Summe des Hypothekarkredites amortisiert worden sei - sei (zumindest) die Hälfte des Rückkaufwertes dieser Policen der Beschwerdeführerin als Vermögen anzurechnen. Das anrechenbare Netto-Vermögen betrage somit mindestens Fr. 292'335.35. Gegenüber den Steuerbehörden habe die Beschwerdeführerin ausserdem per Ende 2011 Wertschriften und Guthaben in Höhe von Fr. 17'095.- deklariert. Da sie weder aktuelle Kontoauszüge noch Unterlagen über den Verbleib dieser Vermögenswerte aufgelegt habe, seien die massgebenden finanziellen Verhältnisse nicht hinreichend belegt und damit der gerichtlichen Überprüfung entzogen. Es sei daher davon auszugehen, dass keine prozessuale Bedürftigkeit bestehe.
3.3 In der Beschwerde wird zunächst vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin im Mai 2012 von der Sozialhilfebehörde unterstützt worden sei. Diese habe ab Oktober 2012 erneut eine Sozialhilfebedürftigkeit festgestellt, nachdem mit dem Auszug der behinderten Tochter die Berechnungsgrundlagen geändert hätten. Das kantonale Gericht habe Kenntnis davon gehabt, dass die Beschwerdeführerin unmittelbar vor der Beschwerdeerhebung trotz des vorhandenen Vermögens (Wohneigentum) die Sozialhilfeunterstützung gewährt worden sei, was zumindest gewichtiges Indiz für die Bedürftigkeit sei. Die Beschwerdeführerin habe annehmen dürfen, dass das kantonale Gericht die wirtschaftliche Härte gleich wie die Sozialhilfebehörde beurteilen würde und keine höheren Anforderungen an das Belegen der Bedürftigkeit stellen würde. Hätte die Versicherte damals über liquide Mittel verfügt, sei im Mai 2012 keine wirtschaftliche Härte von der Sozialhilfebehörde anerkannt worden und der Hinweis auf fehlende Kontoauszüge seien in der angefochtenen Verfügung daher nicht zu beachten. Hinzu komme, dass sie als Eigentümerin einer Wohnliegenschaft sowohl im Zusammenhang mit der Begleichung der Hypotheken als auch der regelmässig anfallenden weiteren Kosten für das Eigentum über ein minimales liquides Vermögen auf dem Konto verfügen müsse. Die Sozialhilfebehörde habe in Kenntnis der gesamten Situation den Anspruch bewilligt. Obwohl die Kriterien für den Bezug von Sozialhilfe strenger seien, als für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege komme das Gericht zum Schluss, die Versicherte sei finanziell nicht bedürftig. Die beiden Versicherungspolicen seien aktuell nicht zu berücksichtigen. Eine Auszahlung von Versicherungsbeiträgen sei nicht erfolgt und stehe auch nicht unmittelbar bevor. Die Auszahlung der einen Police erfolge erst in acht Jahren und die andere im Zeitpunkt der Pensionierung des früheren Ehemannes. Bei der Berücksichtigung der Liegenschaft zur Prozessfinanzierung dürfe die Vorinstanz nicht ohne Weiteres annehmen, dass diese kurzfristig hypothekarisch belastet werden könne. Insbesondere aufgrund der Sozialhilfebedürftigkeit im Mai 2012 hätte die Vorinstanz davon ausgehen müssen, dass eine Belastung wohl kaum möglich sein werde.
3.4 Das kantonale Gericht hat mit der Verneinung der Bedürftigkeit Bundesrecht verletzt. Zwar ist nach der Rechtsprechung der gesuchstellenden Person grundsätzlich zumutbar, ihr Vermögen anzugreifen, soweit dieses einen angemessenen "Notgroschen" übersteigt. Insbesondere darf von einem Grundeigentümer verlangt werden, einen Kredit auf sein Grundstück aufzunehmen, soweit dieses noch belastet werden kann (Urteil 4D_41/2009 vom 14. Mai 2009 E. 3 mit Hinweis auf BGE 119 Ia 11 E. 5). Aus den vorinstanzlichen Akten geht hervor, dass die Beschwerdeführerin im Mai 2012 Sozialhilfe bezogen hat. Ferner ist die von ihr bewohnte Eigentumswohnung bei einem Steuerwert von Fr. 501'000.- bereits mit Fr. 560'000.- hypothekarisch belastet. Angesichts der minimalen Einkünfte, der Stellenlosigkeit und der vorübergehenden Sozialhilfeabhängigkeit kann nicht angenommen werden, dass die alleinerziehende Beschwerdeführerin die hypothekarische Belastung zwecks Prozessfinanzierung bei einer Bank erhöhen könnte. Auch das per 31. Dezember 2011 mit Fr. 17'095.- vorhanden gewesene Guthaben in Form von Wertschriften und Geldkonti liegt im Bereich des sogenannten "Notgroschen" (Urteil I 362/05 vom 9. August 2005 E. 5.3), zumal die Beschwerdeführerin Ende März und Ende Juni 2012 je Fr. 3'444.35 Hypothekarzinsen zu leisten hatte. Schliesslich kann der Beschwerdeführerin auch der Rückkaufswert der Lebensversicherungen nicht angerechnet werden, da laut Scheidungsurteil vom 18. Mai 2010 der Ex-Ehemann Versicherungsnehmer ist und er erst bei Ablauf bzw. Auszahlung der Versicherungen die Hälfte der Auszahlungsbeiträge an die Beschwerdeführerin weiterzuleiten hat. Die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin ist daher zu bejahen. Die Sache ist zur Prüfung der übrigen Voraussetzungen und anschliessendem neuen Entscheid über den Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
4.
Die unterliegende Vorinstanz respektive der Kanton Zürich hat keine Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 4 BGG), jedoch der Rechtsanwältin der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Deren Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren vor dem Bundesgericht ist demzufolge gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der angefochtene Entscheid vom 12. September 2012 aufgehoben und die Sache an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen wird, damit es über den Anspruch der Beschwerdeführerin auf unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung für das bei ihr hängige Verfahren betreffend Invalidenrente neu entscheide.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Zürich hat die Rechtsanwältin der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und der IV-Stelle des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 5. Dezember 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: U. Meyer
Der Gerichtsschreiber: Nussbaumer