BGer 2C_432/2013
 
BGer 2C_432/2013 vom 16.05.2013
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
2C_432/2013
Urteil vom 16. Mai 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
 
Verfahrensbeteiligte
1. X.________,
2. A.________, v. d. seine Mutter, X.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Pablo Blöchlinger
gegen
Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
Gegenstand
Niederlassungs- und Aufenthaltsbewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Kammer, vom 5. April 2013.
Erwägungen:
1.
1.1 X.________ (geb.1982) stammt aus der Dominikanischen Republik. Sie heiratete am 20. Oktober 2006 den in der Schweiz niedergelassenen italienischen Staatsbürger B.________, worauf ihr eine bis zum 19. Oktober 2011 gültige EG-/EFTA-Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde. Das Ehepaar trennte sich am 1. Dezember 2008.
1.2 Am 18. September 2009 gebar X.________ den Sohn A.________, dem aufgrund der Vaterschaftsvermutung eine bis zum 15. Mai 2015 gültige Niederlassungsbewilligung EG/EFTA erteilt wurde. Das Kindsverhältnis zum italienischen Ehegatten wurde am 16. Oktober 2010 aufgehoben, worauf der dominikanische Staatsbürger C.________ am 29. November 2010 A.________ als seinen Sohn anerkannte. Die Ehe X./B.________ wurde am 22. März 2012 geschieden.
1.3 Das Migrationsamt des Kantons Zürich lehnte es am 29. Mai 2012 ab, die Aufenthaltsbewilligung von X.________ zu verlängern; gleichzeitig widerrief sie die Niederlassungsbewilligung von deren Sohn A.________. Die Sicherheitsdirektion und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wiesen die hiergegen gerichteten Rechtsmittel am 20. November 2012 bzw. 5. April 2013 ab. X.________ und A.________ beantragen vor Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und das Migrationsamt anzuweisen, ihre Aufenthaltsbewilligung zu verlängern bzw. die Niederlassungsbewilligung nicht zu widerrufen.
2.
2.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen bloss berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die betroffene Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der Sachverhalt bzw. die beanstandete Beweiswürdigung klar und eindeutig mangelhaft - mit anderen Worten willkürlich - erscheint (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3). Willkür liegt nicht bereits dann vor, wenn eine andere Sicht ebenfalls vertretbar oder sogar zutreffender wäre, sondern nur, wenn sich die vorinstanzliche Beurteilung als offensichtlich unhaltbar erweist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt bzw. in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 134 I 140 E. 5.4 S. 148 mit Hinweisen). Auf rein appellatorische Kritik an der Beweiswürdigung geht das Bundesgericht praxisgemäss nicht ein (BGE 136 II 101 E. 3 S. 104 f.).
2.2 Die vorliegende Eingabe genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht, soweit sich die Beschwerdeführer darauf beschränken, bloss die bereits vor der Vorinstanz erhobenen Einwände zu wiederholen und ihre eigene Würdigung der Umstände appellatorisch jener der Vorinstanz entgegenzustellen (vgl. LAURENT MERZ, in: BSK Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 52 ff. zu Art. 42). Zwar behaupten sie, die Beweiswürdigung und die Feststellung des Sachverhalts seien willkürlich bzw. in Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 1 BV) erfolgt, sie legen indessen nicht dar, inwiefern die Ausführungen der Vorinstanz als offensichtlich unhaltbar zu gelten hätten (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; "qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht": BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254).
2.3 Soweit die Beschwerdeführerin einwendet, sie hätte in Bezug auf die von ihr geltend gemachte eheliche Gewalt mündlich angehört werden müssen und es wäre am Migrationsamt gewesen, den Sachverhalt diesbezüglich vertieft abzuklären, verkennt sie einerseits, dass grundsätzlich kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf eine mündliche Anhörung besteht (BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148; Urteil 2C_578/2009 vom 23. Februar 2010 E. 2.3), und andererseits, dass die ausländische Person bei der Feststellung der entsprechenden Vorkommnisse eine weitreichende Mitwirkungspflicht trifft (vgl. hierzu BGE 126 II 335 E. 2b/cc S. 342; 124 II 361 E. 2b S. 365). Sie muss die eheliche Gewalt bzw. die häusliche Oppression praxisgemäss in geeigneter Weise glaubhaft machen (Arztberichte oder psychiatrische Gutachten, Polizeirapporte, Berichte/Einschätzungen von Fachstellen [Frauenhäuser, Opferhilfe usw.], glaubwürdige Zeugenaussagen von weiteren Angehörigen oder Nachbarn etc.; vgl. auch die Weisungen des BFM zum Familiennachzug, Ziff. 6.15.3). Nur in diesem Fall und beim Bestehen entsprechender Beweisanträge, die nicht in antizipierter Beweiswürdigung abgewiesen werden dürfen, rechtfertigt es sich, ein ausländerrechtliches Beweisverfahren durchzuführen (so BGE 138 II 229 E. 3.2.3). Die Beschwerdeführerin hat lediglich ein Foto (von zweifelhafter Qualität) eingereicht, indessen die eheliche Gewalt weder zeitlich noch örtlich konkretisiert; unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz, ohne in Willkür zu verfallen, auf weitere Abklärungen verzichten.
3.
3.1 Die Beschwerdeführerin lebt seit dem 1. Dezember 2008 von ihrem italienischen Gatten getrennt; die Beziehung ist am 22. März 2012 geschieden worden. Sie verfügt somit über keinen freizügigkeitsrechtlichen (abgeleiteten) Anspruch aus dem (originären) Aufenthalt ihres früheren italienischen Gatten mehr. Ihr Sohn hat nicht die Staatsangehörigkeit eines EU-/EFTA-Staates, weshalb auch er sich nicht auf ein Anwesenheitsrecht gestützt auf das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) berufen kann; damit entfällt auch ein entsprechendes von ihm (abgeleitetes) Aufenthaltsrecht für die Mutter.
3.2 Die Beschwerdeführerin lebte unbestrittenerweise nur während rund zwei Jahren und zwei Monaten mit ihrem italienischen Ehegatten zusammen, weshalb ihr Aufenthaltsrecht nicht gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG (SR 142.20) fortgilt. Danach muss kumulativ die Ehegemeinschaft drei Jahre zusammengelebt worden und die ausländische Person erfolgreich integriert sein.
3.3
3.3.1 Die kantonalen Behörden durften - ohne Bundesrecht zu verletzen - auch das Vorliegen eines nachehelichen Härtefalls im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG (in Verbindung mit Abs. 2) verneinen. Der Bewilligungsanspruch besteht gemäss dieser Bestimmung nach gescheiterter Ehe fort, falls wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen, was bei häuslicher bzw. ehelicher Gewalt von einer gewissen Intensität der Fall sein kann (vgl. BGE 138 II 229 E. 3.2; 137 II 345 E. 3.2 S. 348 ff.).
3.3.2 Die Beschwerdeführerin hat lediglich ein Foto eingereicht, auf dem sie mit einem blauen Auge und Kratzspuren wahrzunehmen ist. Daraus ergibt sich (noch) nicht, dass sie Opfer eines Grads von Oppression geworden wäre, der geeignet erschiene, ihr einen Aufenthaltsanspruch zu verschaffen. Hierzu müssten die physische oder psychische Zwangsausübung und deren Auswirkungen praxisgemäss von einer gewissen Konstanz bzw. Intensität gewesen sein; nicht jede unglückliche, belastende und nicht den eigenen Vorstellungen entsprechende Entwicklung einer Beziehung begründet bereits einen nachehelichen Härtefall und damit ein weiteres (originäres) Aufenthaltsrecht in der Schweiz.
3.3.3 Das Bundesgericht hat sich in BGE 138 II 229 ff. eingehend mit den entsprechenden Fragen auseinandergesetzt und die Beweisanforderungen in diesem Zusammenhang definiert; die Eingabe der Beschwerdeführerin genügte diesen nicht, weshalb davon auszugehen ist, dass die erforderliche Intensität der Oppression für den Bewilligungsanspruch nicht rechtsgenügend dargetan wurde. Soweit die Beschwerdeführer die bundesgerichtliche Praxis als "falsch" kritisieren, bringen sie keine neuen Argumente vor, die es rechtfertigen würden, auf die Rechtsprechung in BGE 138 II 229 ff. zurückzukommen.
3.3.4 Andere wichtige persönliche Gründe im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG sind nicht ersichtlich: Die Beschwerdeführerin lebte nur etwas mehr als zwei Jahre mit ihrem italienischen Gatten zusammen. Ihr Sohn befindet sich noch in einem anpassungsfähigen Alter; es wird ihm möglich sein, sich in die Verhältnisse in seinem Heimatstaat einzuleben. Zwei weitere Kinder seiner Mutter und sein leiblicher Vater halten sich nach wie vor dort auf, womit das Familienleben in der Dominikanischen Republik besser gelebt werden kann als in der Schweiz. Bei der Anwendung von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG ist entscheidend, ob die persönliche, berufliche und familiäre Wiedereingliederung der betroffenen Person bei einer Rückkehr in ihre Heimat als stark gefährdet zu gelten hätte und nicht, ob ein Leben in der Schweiz einfacher wäre und vorgezogen würde (vgl. BGE 137 II 345 E. 3.2.3 S. 350; Urteil 2C_347/2013 vom 1. Mai 2013 E. 4.2 mit Hinweisen).
3.3.5 Wurden wie im vorliegenden Fall keine spezifischen Beziehungen zur Schweiz geknüpft und war der (legale) Aufenthalt im Land nur von kurzer Dauer, besteht kein Anspruch auf einen weiteren Verbleib, selbst wenn die betroffene Person hier nicht straffällig geworden ist, gearbeitet hat und sich inzwischen auch etwas in einer Landessprache auszudrücken vermag. Die Beschwerdeführerin hat einen Grossteil ihres Lebens in der Heimat verbracht, wo sich die Angehörigen ihrer Kernfamilie befinden; es ist deshalb nicht ersichtlich, inwiefern eine erneute Integration in den dortigen Verhältnissen besondere Probleme stellen würde (vgl. BGE 137 II 345 E. 3.2.3 S. 350). Soweit die Beschwerdeführer sich auf Art. 3 KRK (SR 0.107) berufen, verkennen sie, dass sich aus dieser Bestimmung praxisgemäss kein Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ergibt (ZÜND/HUGI YAR, Aufenthaltsbeendende Massnahmen im schweizerischen Ausländerrecht, insbesondere unter dem Aspekt des Privat- und Familienlebens, in: EuGRZ 40/2013 S. 1 ff., N. 47).
4.
4.1 Zu Unrecht wenden die Beschwerdeführer schliesslich ein, die Niederlassungsbewilligung des Sohnes hätte nicht widerrufen werden dürfen, da kein entsprechender Grund vorliege. Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, wenn die ausländische Person oder ihr Vertreter im Bewilligungsverfahren falsche Angaben gemacht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat (Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. a AuG). Zwar ist aufgrund der Vaterschaftsvermutung davon ausgegangen worden, dass es sich beim Sohn der Beschwerdeführerin um einen Bürger aus einem EU-Staat handelte, doch wäre es an seiner Mutter (als Vertreterin) gewesen, die Bewilligungsbehörden über die konkreten familiären Verhältnisse aufzuklären, was dazu geführt hätte, dass ihre abgeleitete EU-Bewilligung bereits früher widerrufen und dem Sohn keine Niederlassungsbewilligung EU/EFTA erteilt worden wäre (vgl. die Urteile 2C_96/2012 vom 18. September 2012 E. 2.2; 2C_886/2011 vom 28. Februar 2012 E. 3).
4.2 Läge kein Widerrufsgrund vor, was allerdings nicht zutrifft, könnte der Beschwerdeführer 2 gleichwohl nicht in der Schweiz bleiben: Wie das Bundesgericht festgehalten hat, teilen minderjährige Kinder in der Regel den Aufenthaltsort des für sie verantwortlichen Elternteils (Art. 25 Abs. 1 und Art. 301 Abs. 3 ZGB; BGE 133 III 505 E. 3.3; Urteil 2C_31/2007 vom 27. Juli 2007 E. 2.5) und damit dessen ausländerrechtliches Schicksal. Sie haben das Land gegebenenfalls mit ihm zu verlassen, wenn er über keine Bewilligung bzw. keinen entsprechenden Anspruch (mehr) verfügt. Ist dem Kind die Ausreise zumutbar (was grundsätzlich zu bejahen ist, wenn es sich in einem anpassungsfähigen Alter befindet), liegt kein Eingriff in das Familienleben vor (BGE 135 I 153 E. 2.1; 122 II 289 E. 3c; Urteil 2C_656/2011 vom 8. Mai 2012 E. 3.2). Dem etwas mehr als 3-jährigen dominikanischen Beschwerdeführer ist es zumutbar, mit seiner Mutter in das gemeinsame Heimatland zurückzukehren. Seine Niederlassungsbewilligung erlischt mit der Abmeldung ins Ausland bzw. nach sechs Monaten Aufenthalt im Ausland, falls keine solche erfolgt (vgl. Art. 61 Abs. 1 lit. a bzw. Abs. 2 AuG; Urteile 2C_467/2012 vom 25. Januar 2013 E. 2.1.4; 2C_656/2011 vom 8. Mai 2012 E. 3.2; 2C_830/2010 vom 10. Juni 2011 E. 4).
5.
5.1 Die Eingabe kann ohne Schriftenwechsel oder Beizug der Akten im Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden. Für alles Weitere wird ergänzend auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache selber wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
5.2 Die Beschwerdeführer haben die bundesgerichtlichen Kosten solidarisch zu tragen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (vgl. Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Mai 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar