Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
1C_646/2012
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Urteil vom 22. Mai 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli, Karlen, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Gerber.
Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.________,
3. C.________,
4. D.________,
5. E.________,
6. F.________,
7. G.________,
8. H.________,
9. I._________,
10. J.________,
11. K.________,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt Marc Tomaschett,
gegen
L.________ AG,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Clavadetscher,
Gemeinde Breil/Brigels, Casa Sentupada, 7165 Breil/Brigels, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Otmar Bänziger.
Gegenstand
Baueinsprache, Zweitwohnungsbau,
Beschwerde gegen das Urteil vom 12. November 2012 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer.
Sachverhalt:
A.
Am 13. Juli 2012 reichte die L.________ AG ein Baugesuch für ein Mehrfamilienhaus auf Parzelle Nr. 3690 in der Dorferweiterungszone D3 der Gemeinde Breil/Brigels ein. Der geplante Neubau umfasst insgesamt sieben Wohnungen und neun Einstellplätze. Zuvor hatte dieselbe Bauherrschaft gleichenorts bereits drei Mehrfamilienhäuser im Rahmen der Ferienresidenz Crestas Sut erstellt.
Gegen das Bauvorhaben erhoben mehrere Stockwerkeigentümer der benachbarten Grundstücke Nr. 3687 und Nr. 4148 Einsprache. Sie beriefen sich insbesondere auf die Verletzung der neuen Verfassungsbestimmung über Zweitwohnungen (Art. 75b BV).
Mit Bau- und Einspracheentscheid vom 20. August 2012 wies der Gemeindevorstand Breil/Brigels die Einsprache ab und erteilte der Bauherrschaft am 21. August 2012 die Baubewilligung unter Auflagen und Bedingungen.
B.
Dagegen reichten die Einsprecher Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden ein. Dieses wies die Beschwerde am 12. November 2012 ab. Es ging davon aus, Art. 75b BV und seine Übergangsbestimmungen (Art. 197 Ziff. 9 BV) seien erst auf Baubewilligungen anwendbar, die ab dem 1. Januar 2013 erteilt würden.
C.
Dagegen haben die im Rubrum genannten Einsprecher am 13. Dezember 2012 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde ans Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Erteilung der Baubewilligung sei zu verweigern. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
D.
Die Beschwerdegegnerin und das Verwaltungsgericht beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Auch die Gemeinde Breil/Brigels schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) ist der Auffassung, mit der am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Verordnung über Zweitwohnungen vom 22. August 2012 (Zweitwohnungsverordnung; SR 702) sei der Anwendungsbereich von Art. 75b BV klargestellt worden, so dass dieser Artikel jetzt in Verbindung mit der Verordnung angewendet werden könne. Baugesuche für den Neubau einer Zweitwohnung in einer Gemeinde mit mehr als 20 % Zweitwohnungen im Sinne der Verordnung, die nach dem 11. März 2012 eingereicht wurden, könnten danach nur bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen von Art. 4 lit. b Zweitwohnungsverordnung erfüllt seien. Dies sei im vorliegenden Fall weder von der Bauherrschaft noch von der Vorinstanz behauptet worden.
Im weiteren Schriftenwechsel halten die Parteien an ihren Anträgen fest.
E.
Mit Verfügung vom 23. Januar 2013 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.
F.
Am 22. Mai 2013 hat das Bundesgericht in öffentlicher Sitzung über die Beschwerde beraten.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über eine Baubewilligung. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und 90 BGG); ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor. Damit bleibt kein Raum für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 BGG). Die Beschwerdeführer haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und sind als Stockwerkeigentümer von benachbarten Grundstücken zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die rechtzeitig erhobene Beschwerde ist daher einzutreten.
2.
Das Verwaltungsgericht führte aus, dass die neue Verfassungsbestimmung gemäss Art. 195 BV an dem Tag in Kraft getreten sei, an dem sie von Volk und Ständen angenommen wurde, mithin am 11. März 2012. Das Stimmvolk habe jedoch dem in Art. 75b BV angelegten faktischen Baustopp für Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 % nur unter Berücksichtigung der übergangsrechtlichen Regelung von Art. 197 Ziff. 9 BV (in den Abstimmungsunterlagen noch Art. 197 Ziff. 8 BV) zugestimmt. Der neue Art. 75b BV dürfe deshalb nur zusammen mit dem neuen Art. 197 Ziff. 9 BV gelesen und verstanden werden.
Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV räume dem Gesetzgeber bis zur Inkraftsetzung des Ausführungsgesetzes zwei Jahre Zeit ein. Dennoch sei Art. 75b BV nicht so aufzufassen, dass bis zur Inkraftsetzung des entsprechenden Ausführungsrechts das bisherige Recht uneingeschränkt weiter gelten solle: Dessen zeitliche Anwendbarkeit sei vielmehr durch die übergangsrechtliche Bestimmung von Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV geregelt. Danach seien Baubewilligungen für Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 % ab dem 1. Januar 2013 bis zum Inkrafttreten des entsprechenden Ausführungsrechts nichtig. Diese intertemporale Bestimmung zu Art. 75b BV sei vom Verwaltungsgericht, aber auch von allen rechtsanwendenden Behörden zu beachten. Auch die Zweitwohnungsverordnung des Bundesrats trete erst auf den 1. Januar 2013 in Kraft.
Daraus ergebe sich, dass bis zum 31. Dezember 2012 schweizweit noch das bestehende Recht gelte. Dies habe zur Folge, dass auch in jenen Gemeinden wie Breil/Brigels, welche die kritische Grenze von 20 % Zweitwohnungen überschritten haben, im Jahr 2012 noch Baubewilligungen für Zweitwohnungen erteilt werden durften.
Mit Art. 197 Ziff. 9 BV habe das Volk auch eine entsprechende intertemporalrechtliche Norm angenommen. Ohne diese übergangsrechtliche Regelung wäre es möglicherweise zu einem anderen Stimmresultat gekommen. Die Verfasser der Initiative hätten es selbst zu verantworten, dass mit der expliziten Nennung des 1. Januars in den Übergangsbestimmungen ein Baustopp für Zweitwohnungen erst auf den 1. Januar 2013 festgesetzt worden sei. Hätten sie ein Inkraftreten der 20 %-Regel ab dem Tag der Annahme der Initiative durchsetzen wollen, hätten sie ein sofortiges Inkrafttreten im Initiativtext explizit festschreiben oder einfach auf Übergangsbestimmungen verzichten können.
3.
Im gleichen Sinne haben auch die verwaltungsgerichtlichen Abteilungen der Kantone Wallis und Waadt entschieden.
3.1. In seinem Urteil A1 12 176 vom 23. Oktober 2012 und in weiteren Entscheiden ging das Walliser Kantonsgericht davon aus, dass der Verfassungsgeber mit der Übergangsbestimmung von Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV die Nichtigkeitsfolge ausdrücklich auf nach dem 1. Januar 2013 erteilte Baubewilligungen beschränkt habe. Damit habe er implizit in Kauf genommen, dass in der Übergangszeit zwischen der Annahme der Initiative und dem 1. Januar 2013 noch Baubewilligungen für Zweitwohnungen rechtmässig erteilt werden könnten. Im Übrigen sei Art. 75b Abs. 1 BV auch nicht unmittelbar anwendbar, sondern bedürfe der Umsetzung durch Gesetz oder Verordnung.
3.2. Auch die verwaltungsrechtliche Abteilung des Kantonsgerichts Waadt kam im Urteil AC.2012.0127 vom 22. November 2012 und weiteren Entscheiden zur Überzeugung, dass Art. 75b BV nicht unabhängig von den übergangsrechtlichen Bestimmungen angewendet werden könne. Aus diesen ergebe sich zunächst, dass Ausführungsbestimmungen zur Umsetzung der Verfassungsnorm notwendig seien; hierfür gewähre Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV dem Gesetzgeber eine Frist von zwei Jahren. Damit werde dem Umstand Rechnung getragen, dass Art. 75b BV keine unmittelbar anwendbare Norm darstelle, sondern vom Gesetzgeber konkretisiert werden müsse. Dieser müsse definieren, was eine Zweitwohnung sei; zudem seien vertiefte Abklärungen nötig, um den Anteil an Zweitwohnungen in den verschiedenen Gemeinden zu ermitteln. Der Gesetzgeber müsse schliesslich festlegen, wie sich Art. 75b BV auf den Verkauf, den Umbau, die Nutzungsänderung oder den Wiederaufbau von Zweitwohnungen auswirke und u.U. Anmerkungen im Grundbuch vorsehen.
Nach Auffassung des Kantonsgerichts Waadt unterscheidet Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV zwei Zeiträume: denjenigen zwischen der Annahme der Initiative am 11. März 2012 bis zum 31. Dezember 2012 und denjenigen vom 1. Januar 2013 bis zum Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen. Die Rechtsfolge von Art. 75b BV (Nichtigkeit von Baubewilligungen) sei nur für den zweiten Zeitraum ausdrücklich geregelt. Daraus könne geschlossen werden, dass Baubewilligungen, die im ersten Zeitraum erteilt werden, weder anfechtbar noch nichtig seien. Intertemporalrechtlich seien somit unmittelbare Rechtswirkungen der Verfassungsnorm klarerweise auf den Zeitraum ab dem 1. Januar 2013 beschränkt. Mit dieser Regelung habe man vermutlich eine gewisse Flexibilität bei der Umsetzung der Verfassungsnorm einräumen und den Interessen der Eigentümer und der Bauherrn Rechnung tragen wollen, die bereits vor der Abstimmung vom 11. März 2012 Aufwendungen für die Planung von Bauvorhaben getätigt hätten. Es hätte den Initianten freigestanden, einen früheren Zeitpunkt für die Nichtigkeitsfolge vorzusehen, wenn sie eine Lawine von Baugesuchen nach der Abstimmung befürchteten. Art. 75b i.V.m. Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV stehe somit der Erteilung von Baubewilligungen für Zweitwohnungen im Jahre 2012 nicht entgegen.
4.
Die Beschwerdeführer machen dagegen geltend, Art. 75b BV sei am 11. März 2012 in Kraft getreten und müsse ab diesem Zeitpunkt auch angewendet werden. Im vorliegenden Fall sei völlig unstreitig, dass es sich beim Bauvorhaben um einen Zweitwohnungsbau handle und dass der Anteil an Zweitwohnungen in Breil/Brigels über 20 % liege; hieran ändere auch die Verordnung des Bundesrates nichts.
Die den Initianten der Zweitwohnungsinitiative nahestehende Vereinigung Helvetia Nostra, die Beschwerde gegen zahlreiche Baubewilligungen für Zweitwohnungen erhoben hat, vertritt die Auffassung, dass Art. 75b Abs. 1 BV genügend präzise sei, um unmittelbar angewendet zu werden. Ihres Erachtens kann auf den Zweitwohnungsbegriff abgestellt werden, der seit über zehn Jahren vom Bundesamt für Statistik verwendet werde. Danach handle es sich um eine Zweitwohnung, wenn der Eigentümer seinen Wohnsitz nicht in der Standortgemeinde habe. Diese Definition liege auch Art. 2 Zweitwohnungsverordnung zugrunde, wonach Zweitwohnungen Wohnungen seien, die nicht dauernd genutzt werden, sei es durch Personen mit Wohnsitz in der Gemeinde oder zu Erwerbs- oder Ausbildungszwecken. Dies entspreche überdies Art. 8 RPG und dem in der Bevölkerung verbreiteten Verständnis einer Zweitwohnung.
Die Übergangsbestimmung in Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV sehe die Nichtigkeit von Baubewilligungen vor, die nach dem 1. Januar 2013 erteilt werden, d.h. eine besonders strenge, vom üblichen Regime der Anfechtbarkeit rechtswidriger Baubewilligungen abweichende Rechtsfolge. Der Umkehrschluss, dass bis zu diesem Datum Zweitwohnungen nach bisherigem Recht bewilligt werden dürften, sei unzulässig. Aus Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV e contrario ergebe sich lediglich, dass Baubewilligungen, die nach dem 11. März 2012 und vor dem 1. Januar 2013 erteilt worden sind, nicht nichtig, sondern anfechtbar seien. Es sei nicht vorstellbar, dass das Volk mit der Zustimmung zur Initiative die massive und missbräuchliche Erteilung von Baubewilligungen für Zweitwohnungen bis zum 31. Dezember 2012 gewollt habe.
Enthalte eine neue Verfassungsbestimmung sowohl unmittelbar anwendbare als auch nicht unmittelbar anwendbare Bestimmungen, gebiete es der Respekt vor dem Volksentscheid, jene Bestimmungen möglichst bald und vollständig in Kraft zu setzen, welche direkt anwendbares Verfassungsrecht statuieren; dies ergebe sich bereits aus dem Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 31. März 2003 zur Parlamentarischen Initiative Inkraftsetzung der direkt anwendbaren Bestimmungen der Änderung der Volksrechte vom 4. Oktober 2002 (BBl 2003 3954 ff.).
5.
Die Gemeinde Breil/Brigels schliesst sich der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Graubünden an. In Art. 75b Abs. 2 BV und in den Übergangsbestimmungen werde Bezug genommen auf eine Ausführungsgesetzgebung; schon dadurch werde klar zum Ausdruck gebracht, dass die Anwendbarkeit der Zweitwohnungsregelung grundsätzlich ein vom Parlament erlassenes Gesetz voraussetze. Der Verzicht auf die sofortige Anwendbarkeit von Art. 75b BV sei auch in der Sache gerechtfertigt, bedeute die Plafonierung der Zweitwohnungen doch einen schweren Eingriff nicht nur in das Eigentum, sondern auch in die Autonomie der Kantone und Gemeinden.
Die Argumentation, wonach Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV nur die Sanktion verschärfe (Nichtigkeit statt Anfechtbarkeit) verkenne, dass die Stimmbürger, die grösstenteils nicht juristisch geschult seien, nicht in der Lage gewesen seien, einen Unterschied zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit auszumachen, zumal darauf im Vorfeld der Abstimmung nicht hingewiesen worden sei. Der Übergang zu einem sofortigen Baubewilligungsstopp wäre zudem unverhältnismässig kurz gewesen. Im Übrigen wäre es unbefriedigend und mit der Rechtsgleichheit unvereinbar, wenn die Möglichkeit zur Erstellung von Zweitwohnungen nur vom Verhalten der Nachbarn abhängen würde, also davon, ob diese gegen ein Projekt Einsprache bzw. Beschwerde erheben oder nicht.
Art. 75b Abs. 1 BV i.V.m. Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV könne auch nicht erstmals im bundesgerichtlichen Verfahren angewendet werden. Dem stehe bereits die Spezialregelung in Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV entgegen, die auf den Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung abstelle. Es lägen auch keine zwingenden Gründe für die sofortige Anwendbarkeit des neuen Rechts im hängigen Beschwerdeverfahren vor, zumal das Bundesgericht nicht über eine umfassende Kognition verfüge.
6.
In einer ersten Stellungnahme vom 15. März 2012 zur Annahme der Zweitwohnungsinitiative ging das ARE davon aus, dass Art. 75b BV am Tag der Annahme, d.h. am 11. März 2012, in Kraft getreten sei. Baubewilligungen, die vor diesem Datum rechtskräftig erteilt worden seien, blieben weiterhin gültig. Art. 197 Ziff. 8 (heute: Ziff. 9) Abs. 2 BV sehe vor, dass Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 1. Januar 2013 und dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen erteilt werden, nichtig seien. Das heisse aber nicht, dass Baugesuche, die nach Annahme des Verfassungsartikels, aber vor Ablauf des Jahres eingereicht werden, ohne Probleme gestützt auf das bisherige Recht erteilt werden könnten, da dies dem Zweck des Verfassungsartikels widersprechen würde. Vielmehr sei die neue Verfassungsbestimmung über Zweitwohnungen auf alle Baugesuche anwendbar, die nach dem 11. März 2012 eingereicht werden. Gebe es Zweifel an der Übereinstimmung mit dem neuen Verfassungsartikel, so seien die Baugesuchsverfahren zu sistieren, bis die Ausführungsgesetzgebung in Kraft sei und das Gesuch beurteilt werden könne. Für die im Zeitpunkt der Annahme der Verfassungsbestimmung bereits hängigen Gesuche sei eine korrekte, pragmatische Lösung zu finden.
In seinem Bericht zur Anhörung vom 18. Juni 2012 (Erläuterungen zur Umsetzung von Artikel 75b BV und zu den Normvorschlägen für die Bundesratsverordnung zu dieser Verfassungsbestimmung, S. 12 f. zu Art. 7) führte das ARE aus, dass Art. 75b BV übergangsrechtlich einen gewissen Spielraum eröffne. Aufgrund einer Abwägung der Interessen, die für und gegen die Anwendung des neuen Rechts sprechen, schlug es vor, Baugesuche, die am 11. März 2012 bereits hängig waren, noch nach Massgabe des im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung geltenden Rechts zu beurteilen. Dagegen seien Gesuche, die erst nach dem 11. März 2012 eingereicht werden, nach neuem Recht zu beurteilen. Dies sei in einer Übergangsregelung der bundesrätlichen Verordnung festzuhalten, die auf den 1. September 2012 in Kraft gesetzt werden sollte.
Die vom Bundesrat am 22. August 2012 beschlossene Zweitwohnungsverordnung trat jedoch erst am 1. Januar 2013 in Kraft. Dementsprechend beschränken sich die Übergangsbestimmungen (Art. 8) auf Bewilligungen für den Bau von Zweitwohnungen, die nach dem 1. Januar 2013 erteilt werden. Immerhin sieht Art. 8 Abs. 1 lit. a der Verordnung vor, dass Baubewilligungen für neue Zweitwohnungen gestützt auf einen projektbezogenen Sondernutzungsplan nur erteilt werden können, wenn dieser vor dem 11. März 2012 genehmigt worden ist. Auch Art. 3 der Verordnung (Umnutzung bestehender Wohnungen oder Hotels) nennt als Stichdatum den 11. März 2012 und nicht den 1. Januar 2013.
In seinem Erläuternden Bericht vom 17. August 2012 (S. 17 f. zu Art. 9) führt das ARE aus, dass Art. 75b BV mindestens teilweise direkt anwendbar sei. Namentlich Art. 75b Abs. 1 BV, wonach der Anteil an Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde auf 20 % beschränkt sei, lasse sich direkt anwenden, noch bevor das in Art. 75b BV vorgesehene Ausführungsrecht erlassen sei. Die Spielräume bei der Auslegung des Begriffs der Zweitwohnung hinderten die direkte Anwendbarkeit nicht. Zwar nehme die Verordnung bloss auf die Gesamtheit der Wohneinheiten und nicht auch auf die Bruttogeschossfläche Bezug (weil die nötigen Daten für die Bruttogeschossfläche nicht innert nützlicher Frist beschafft werden könnten); die 20 %-Quote sei jedoch bereits erreicht bzw. überschritten, wenn sie auch nur für einen der beiden Parameter, nämlich den Gesamtbestand der Wohnungen, erfüllt sei.
7.
In der Literatur werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.
7.1. ERIC BRANDT (Résidences secondaires: premières jurisprudences cantonales, in: Plaidoyer 6/2012 S. 38 ff., insbes. S. 42 f.) hält Art. 75b Abs. 1 BV im Grundsatz für nicht unmittelbar anwendbar: Zum einen könnten die Gemeinden, in denen der Anteil von Zweitwohnungen 20 % der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche übersteige, aufgrund der heutigen statistischen Grundlagen nicht ermittelt werden; zum anderen präzisiere Art. 75b BV nicht, auf welcher Stufe der raumplanungsrechtlichen Hierarchie (Richtplan, Sachplan, Nutzungsplan, Baubewilligung) er wie umgesetzt werden solle. Dagegen sei die Übergangsbestimmung von Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV sehr viel präziser und sehe die Nichtigkeit von Baubewilligungen vor, die ab dem 1. Januar 2013 erteilt würden. Diese Bestimmung sei dahingehend auszulegen, dass die Nichtigkeitsfolge nur Baubewilligungen für Zweitwohnungen betreffe, die in einer Gemeinde erteilt werden, in denen der 20 %-Anteil bereits überschritten sei. Insoweit werde Art. 75b Abs. 1 BV für direkt anwendbar erklärt, allerdings beschränkt auf den Zeitraum ab dem 1. Januar 2013. Bis zu diesem Zeitpunkt könnten Zweitwohnungen noch nach altem Recht bewilligt werden.
Diese Auffassung wird von Yves Jeanrenaud/Timo Sulc (Lex Weber: premiers commentaires de l'ordonnance dans l'attente de la législation d'exécution, in: Not@lex, Revue de droit privé et fiscal du patrimoine 4/2012 S. 165 ff., insbes. S. 185 f.) und Eric Ramel/Marc-Etienne Favre, "Lex Weber": le jour après..., in: Anwaltsrevue 6-7/2012 S. 279 ff., insbes. S. 285 f.) geteilt.
Fabian Mösching (Ab welchem Zeitpunkt ist die Zweitwohnungsinitiative anwendbar?, in: Jusletter 10. Dezember 2012 Rz 35 und 41 ff.) geht davon aus, dass das neue Recht frühestens ab 1. Januar 2013 anwendbar sei; allerdings bedürfe auch Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV noch der Ausführung auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe, um den Begriff der Zweitwohnung zu konkretisieren (a.a.O. Rz. 25 und 35).
GEORG M. GANZ ( Zweitwohnungsinitiative: Verfassungsauftrag und Umsetzung, in: Jusletter 10. Dezember 2012) versteht Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV dahin, dass Bauvorhaben, die erstinstanzlich vor dem 1. Januar 2013 bewilligt worden sind, grundsätzlich noch realisiert werden können (Rz. 33). Allerdings räumt er ein, dass sich die Übergangsbestimmung auch restriktiver auslegen liesse mit der Folge, dass nur 2012 rechtskräftig gewordene Baubewilligungen Gültigkeit hätten; hier bestehe deshalb ein dringender Regelungsbedarf (Rz. 37).
Roland Norer (Zum Geltungsbereich der Zweitwohnungsverordnung, in: Roland Norer/Bernhard Rütsche (Hrsg.), Rechtliche Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative, Bern 2013, S. 11 ff., insbes. S. 36 f.), hält zwar den Umkehrschluss aus Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV für problematisch. Er kommt jedoch, unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben und der Rechtssicherheit, ebenfalls zum Ergebnis, dass für die nicht ausdrücklich geregelte Zeit vor dem 1. Januar 2013 noch das alte Recht Geltung entfalten solle.
In ersten Stellungnahmen nach der Abstimmung (ohne vertiefte Begründung) gingen auch ALAIN GRIFFEL ( NZZ Nr. 66 vom 19. März 2012 S. 8), FELIX UHLMANN ( NZZ Nr. 61 vom 13. März 2012 S. 9) und TOBIAS JAAG ( NZZ Nr. 103 vom 4. Mai 2012 S. 13) davon aus, dass 2012 noch Baubewilligungen nach altem Recht erteilt werden könnten. RENÉ RHINOW ( Die Südostschweiz vom 27. März 2012 S. 4) befürwortete immerhin eine Sistierung von Baugesuchen, die "in letzter Minute" eingereicht worden seien.
7.2. BERNHARD WALDMANN (Die Zweitwohnungsverordnung, in: Jusletter 10. Dezember 2012 [im Folgenden: Zweitwohnungsverordnung]; DERSELBE, Zweitwohnungen - vom Umgang mit einer sperrigen Verfassungsnorm, in: Schweizerische Baurechtstagung Freiburg 2013, S. 123 ff. [im Folgenden: Zweitwohnungen]) teilt den Ansatz des Verwaltungsgerichts Graubünden, kommt aber zu einem anderen Ergebnis für Baubewilligungen, die am 1. Januar 2013 noch nicht rechtskräftig geworden sind.
Er ist der Auffassung, dass Art. 75b BV primär einen Gesetzgebungsauftrag enthalte mit dem Ziel, die Obergrenze des Zweitwohnungsanteils in allen Gemeinden einzuhalten, d.h. auch in solchen, in denen der Anteil heute bereits überschritten sei (Zweitwohnungen, S. 136). Um zu verhindern, dass bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung die Zielsetzungen der neuen Verfassungsnorm unterlaufen werden, statuiere Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV ein vorsorgliches Baubewilligungsverbot für Zweitwohnungen (Zweitwohnungen, S. 140). Nur dieses vorübergehende Verbot entfalte unmittelbare Rechtswirkungen; sein Geltungsbereich und Inhalt würden durch die vom Bundesrat erlassene Zweitwohnungsverordnung konkretisiert (Zweitwohnungsverordnung, Rz. 6 und 7; Zweitwohnungen, S. 140 ff.).
Der Bundesrat habe das Inkrafttreten der Verordnung und damit auch den Geltungsbereich des vorsorglichen Baubewilligungsverbots auf den 1. Januar 2013 angesetzt. Dieser Entscheid sei angesichts des Wortlauts von Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV vertretbar: Zwar betreffe dieser auf den ersten Blick nur die Rechtsfolge der Bewilligungserteilung (Nichtigkeit) und nicht den zeitlichen Geltungsbereich des Bewilligungsverbots; es sei jedoch zweifelhaft, ob eine durch eine Volksinitiative eingereichte Vorlage auf einer solchen spitzfindigen Begrifflichkeit beruhe. Jedenfalls erscheine die vom Bundesrat gewählte Lösung als vernünftiges und praktikables Ergebnis einer verfassungsmässigen Auslegung (Zweitwohnungen, S. 142/143; Zweitwohnungsverordnung, Rz. 21).
Vor diesem Hintergrund blieben Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die vor dem 31. Dezember 2012 rechtskräftig geworden seien, gültig, und könnten auch in Zukunft als Zweitwohnung genutzt werden. Dagegen komme das neue Recht für alle Baubewilligungen zur Anwendung, die am 1. Januar 2013 noch nicht rechtskräftig geworden seien. Die Zweitwohnungsinitiative sei Ausdruck eines erheblichen öffentlichen Interesses, das eine unmittelbare Anwendung im Beschwerdeverfahren gegen Verfügungen finden müsse, die noch unter dem alten Recht erlassen worden seien (Zweitwohnungsverordnung, Rz. 23 f.; Zweitwohnungen, S. 143).
Nach der von WALDMANN vertretenen Auffassung hätte somit das Verwaltungsgericht (das noch 2012 entschied) die vorliegend streitige Baubewilligung zu Recht nach altem Recht bestätigt; das Bundesgericht, das nach dem 1. Januar 2013 entscheidet, müsste sie jedoch in Anwendung von Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 für nichtig erklären.
7.3. JACQUES DUBEY (La Suisse: son territoire, sa démocratie et son fédéralisme, Le point sur les résidences secondaires et la révision de la LAT, in: Journées suisses du droit de la construction, Fribourg 2013, S. 93 ff.) vertritt einen ähnlichen Ansatz wie Waldmann. Auch er hält Art. 75b Abs. 1 BV nicht für unmittelbar anwendbar; insbesondere sei die Norm zu unbestimmt, um eine gesetzliche Grundlage für schwerwiegende Eingriffe in die Eigentumsgarantie und die Niederlassungsfreiheit darzustellen (a.a.O., S. 108 f.). Auch seines Erachtens enthält jedoch Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV ein unmittelbar anwendbares Moratorium für die Bewilligung von Zweitwohnungen; damit werde dem neuen Recht negative Vorwirkung ab dem 1. Januar 2013 bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung (bzw. einer Ausführungsverordnung des Bundesrats gemäss Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV) zugesprochen (a.a.O., S. 112 ff.).
Im Unterschied zu Waldmann ist Dubey jedoch der Auffassung, dass dieses Moratorium für sämtliche ab dem 1. Januar 2013 erteilte Bewilligungen für Zweitwohnungen gilt; diese seien nichtig, unabhängig vom Zweitwohnungsanteil in der betreffenden Gemeinde (a.a.O. S. 113 f.). Allerdings hält Dubey diesen weiten Anwendungsbereich selbst für unverhältnismässig, weshalb der Bundesrat befugt gewesen sei, den Anwendungsbereich des Moratoriums per Polizeiverordnung einzuschränken (a.a.O., S. 124).
Für Baubewilligungen, die vor dem 1. Januar 2013 erteilt wurden, bleibt es nach Auffassung von Dubey bei der Anwendbarkeit des bisherigen Rechts. Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV enthalte insoweit eine intertemporale Regelung, die dem Vertrauensschutz und der Rechtssicherheit diene (a.a.O., S. 112). Grundsätzlich sei auch im Rechtsmittelverfahren auf das im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung geltende Recht abzustellen, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Beschränkung des Zweitwohnungsbaus würde die sofortige Anwendung des neuen Rechts auf am 1. Januar 2013 hängige Beschwerdeverfahren gebieten. Diese Frage verdiene eine sorgfältige Prüfung, da die Beurteilung sämtlicher Verfahren nach bisherigem Recht die negativen Effekte des Zweitwohnungsbaus auf Landschaft, Infrastrukturen und Tourismus, welche die Initiative bekämpfen wollte, im Gegenteil verstärken würde (a.a.O., S. 126).
7.4. Andere Autoren teilen die Auffassung des ARE, wonach Art. 75b Abs. 1 BV seit dem 11. März 2012 unmittelbar anwendbar sei und jedenfalls die Bewilligung von Baugesuchen verbiete, die nach diesem Datum eingereicht wurden.
ARNOLD MARTI (Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative - ungelöste Rätsel und des Pudels Kern, in: ZBl 113/2012 S. 281 f.) meint, dass Art. 75b Abs. 1 BV den Zweitwohnungsanteil im Sinne einer grundsätzlich direkt anwendbaren Bestimmung auf 20 % pro Gemeinde beschränken wolle. Zwar enthalte Art. 75b Abs. 2 BV einen Gesetzgebungsauftrag für die Schaffung von Erstwohnungsanteilsplänen, doch könne Abs. 1 auch ohne solche Pläne durch Erhebung des Zweitwohnungsanteils im konkreten Fall angewendet werden. Aus der Übergangsbestimmung (Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV) könne nicht abgeleitet werden, dass Bewilligungen bis zum 1. Januar 2013 noch nach altem Recht erteilt werden könnten: Dies stünde in diametralem Gegensatz zu dem schon im Titel der Initiative imperativ zum Ausdruck gebrachten Anliegen der Initianten und dem von ihnen ausdrücklich geforderten Baustopp. Naheliegend sei die Auslegung, dass zumindest Baubewilligungen, um die erst nach dem 11. März 2012 nachgesucht worden sei, auf Anfechtung hin wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben werden müssten. Für nach Annahme der Initiative eingereichte Baugesuche bestehe in der Regel kein überwiegendes Interesse am Schutz des Vertrauens zugunsten des Weiterbestands des bisherigen Rechts. Eine solche Auslegung hätte den Vorteil, dass zwischen den verschiedenen in Betracht fallenden Auslegungselementen und Werten eine praktische Konkordanz hergestellt werden könnte. Sie würde insofern ein Entgegenkommen bedeuten, als neues Recht sonst auch auf hängige Baugesuche und im Umweltrecht gar auf pendente Rechtsmittelverfahren angewandt werde.
Im gleichen Sinne äussert sich MICHEL ROSSINELLI ( Résidences secondaires: l'illusion des cantons alpins, in: Le Temps, 31. August 2012). Es wäre stossend und würde Sinn und Zweck der von Volk und Ständen angenommenen Initiative widersprechen, in wenigen Monaten mehr Zweitwohnungen zu bewilligen als in allen Jahren zuvor. Die Inkraftsetzung der Verordnung durch den Bundesrat auf den 1. Januar 2013 ändere nichts an der sofortigen Anwendbarkeit von Art. 75b Abs. 1 BV auf alle seit dem 11. März 2012 gestellten Baugesuche. Der Begriff des Wohnsitzes - und damit e contrario auch der Zweitwohnung - sei im ZGB geregelt und sei Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheide. Wie die im Anhang zur Verordnung des Bundesrats enthaltene Liste belege, sei es durchaus möglich, diejenigen Gemeinden zu identifizieren, in denen der Zweitwohnungsanteil über 20 % liege. Insofern sei die Verfassungsbestimmung auch ohne eine Präzisierung auf Verordnungs- oder Gesetzesebene anwendbar.
Auch LORENZO ANASTASI, FLAVIO CANONICA und GIOVANNI MOLO gehen von der Anwendbarkeit der neuen Verfassungsbestimmungen ab deren Inkrafttreten am 11. März 2012 aus; der Umkehrschluss aus Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV sei nicht zulässig (Reflessioni sulla limitazione delle residenze secondarie, Dalla Costituzione al progetto di ordinanza, in: Jusletter 2. Juli 2012, Rz. 3).
EMANUEL DETTWILER (Die Zweitwohnungsverordnung. Eine Übersicht mit ausgewählten Schwerpunkten, in: SJZ 109/2013 S. 89 ff.) verweist auf das bis zur Annahme der Initiative einhellige Verständnis von Befürwortern wie Gegnern, dass die Annahme der Initiative zu einem umgehenden Baustopp führen würde (a.a.O., S. 90). Daran ändere auch die eher unglücklich formulierte Übergangsbestimmung von Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV nichts: Der Umkehrschluss sei mangels qualifizierten Schweigens des Erlasses unzulässig. Art. 75b Abs. 1 BV verbiete somit seit dem 11. März 2012 die Erteilung von Baubewilligungen für Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 %; solche Bewilligungen seien zwar nicht nichtig, wohl aber anfechtbar.
Dem Eigentümer müsse es allerdings möglich sein, in Analogie zu Art. 4 lit. b Ziff. 1 Zweitwohnungsverordnung nachzuweisen, dass die in dieser Periode bewilligten Wohnungen qualifiziert touristisch bewirtschaftet würden (a.a.O., S. 98). Aus Gründen des Vertrauensschutzes sei es zudem gerechtfertigt, zum Zeitpunkt der Annahme der Initiative bereits eingereichte Baugesuche noch zu bewilligen (a.a.O., S. 90).
8.
Gemäss Art. 195 BV und Art. 15 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (BPR, SR 161.1) treten Änderungen der Bundesverfassung mit der Annahme durch Volk und Stände in Kraft, sofern die Vorlage nichts anderes bestimmt, und zwar unabhängig vom Datum ihrer Publikation in der Amtlichen Sammlung (vgl. Botschaft vom 22. Oktober 2003 zum Publikationsgesetz, BBl 2003 7729). Art. 75b BV und seine Übergangsbestimmungen sind daher am 11. März 2012 in Kraft getreten.
Verfassungsbestimmungen können genügend bestimmt sein, um mit ihrem Inkrafttreten ohne ausführende Gesetzgebung (ganz oder teilweise) mit Wirkungen auch für Private unmittelbare Anwendung zu finden (vgl. Yvo Hangartner, Unmittelbare Anwendbarkeit völker- und verfassungsrechtlicher Normen, in: ZSR 126/2007 I S. 154 ff.). Ob dies der Fall ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (BGE 139 I 16 E. 4.2.3 S. 25 f. mit Hinweisen).
Verfassungsbestimmungen sind grundsätzlich nach denselben Regeln auszulegen wie Normen des einfachen Gesetzesrechts (BGE 131 I 74 E. 4.1 S. 80; 128 I 327 E. 2.1 S. 330 mit Hinweisen; René Rhinow/ Markus Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Rz. 527 S. 109); allerdings ist gewissen verfassungsrechtlichen Besonderheiten Rechnung zu tragen (vgl. dazu BGE 139 I 16 E. 4.2 S. 24 ff. mit Hinweisen). Auszurichten ist die Auslegung auf die ratio legis, die zu ermitteln dem Gericht allerdings nicht nach seinen eigenen, subjektiven Wertvorstellungen, sondern nach den Vorgaben des Gesetz- bzw. Verfassungsgebers aufgegeben ist (BGE 128 I 34 E. 3b S. 40 f.). Beruht eine Verfassungsbestimmung auf einer Volksinitiative, ist das subjektive Verständnis der Initianten nicht massgeblich. Dagegen können die Begründung der Initiative sowie Argumente und Stellungnahmen der Initianten, wie auch der Initiativgegner und der Behörden, im Vorfeld der Abstimmung im Rahmen der historischen Auslegung berücksichtigt werden (BGE 130 I 134 nicht publ. E. 1.4; 129 I 392 E. 2.2 S. 395).
9.
Ausgangspunkt der Auslegung ist der Text der Verfassungsbestimmung. Dieser lautet:
Art. 75b Zweitwohnungen
1 Der Anteil von Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde ist auf höchstens 20 Prozent beschränkt.
2 Das Gesetz verpflichtet die Gemeinden, ihren Erstwohnungsanteilplan und den detaillierten Stand seines Vollzugs alljährlich zu veröffentlichen.
Art. 197
[...]
9.Übergangsbestimmungen zu Art. 75b (Zweitwohnungen)
1 Tritt die entsprechende Gesetzgebung nach Annahme von Artikel 75b nicht innerhalb von zwei Jahren in Kraft, so erlässt der Bundesrat die nötigen Ausführungsbestimmungen über Erstellung, Verkauf und Registrierung im Grundbuch durch Verordnung.
2 Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 1. Januar des auf die Annahme von Artikel 75b folgenden Jahres und dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen erteilt werden, sind nichtig.
9.1. Art. 75b Abs. 1 BV setzt einen Höchstanteil von 20 % für Zweitwohnungen fest. Dieser gilt sowohl für den Gesamtbestand der Wohneinheiten als auch für die für Wohnzwecke genutzte Bruttogeschossfläche einer Gemeinde. Die Verfassungsbestimmung enthält damit eine präzise Vorgabe zum Zweitwohnungsanteil, die grundsätzlich einer direkten Anwendung zugänglich erscheint (anders als der in Art. 8 Abs. 2 RPG verwendete unbestimmte Begriff des "ausgewogenen Verhältnisses" von Erst- und Zweitwohnungen). Auch die Formulierung "ist ... beschränkt" deutet darauf hin, dass es sich um eine unmittelbar verbindliche Vorgabe handelt.
Art. 75b Abs. 2 BV enthält dagegen klarerweise einen Gesetzgebungsauftrag, um die Veröffentlichung von Erstwohnungsanteilplänen und den Vollzug durch die Gemeinden sicherzustellen. Auch Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV geht davon aus, dass es für die Umsetzung von Art. 75b Abs. 1 BV weiterer Ausführungsbestimmungen bedarf, insbesondere "über Erstellung, Verkauf und Registrierung im Grundbuch". Hierfür wird dem Gesetzgeber eine Frist von zwei Jahren eingeräumt, ansonsten der Bundesrat befugt ist, die nötigen Ausführungsbestimmungen zu erlassen.
Immerhin lässt sich Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV entnehmen, dass die neue Verfassungsbestimmung schon vor Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen gewisse Rechtswirkungen entfalten soll, insoweit also direkt anwendbar ist. Nach dieser Bestimmung sind Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 1. Januar 2013 und dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen erteilt werden, nichtig. Würde man diese Bestimmung isoliert anwenden, wären ab diesem Datum alle Baubewilligungen für Zweitwohnungen in der ganzen Schweiz nichtig, unabhängig vom Zweitwohnungsanteil der Gemeinde; dies kann nicht gemeint sein. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV auf Art. 75b Abs. 1 BV verweist, d.h. der Grundbestimmung zu entnehmen ist, welche Baubewilligungen bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung unzulässig bzw. nichtig sind (so auch Waldmann, Zweitwohnungen, S. 140).
Art. 75b Abs. 1 BV begrenzt den Anteil von Zweitwohnungen pro Gemeinde auf höchstens 20 %. Ist dieser Anteil (sei es am Gesamtbestand der Wohneinheiten, sei es an der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche) in einer Gemeinde bereits erreicht oder überschritten, so ergibt sich grundsätzlich unmittelbar aus der Verfassung, dass keine weiteren Baubewilligungen für Zweitwohnungen erteilt werden dürfen (so auch ARE, Erläuternder Bericht, S. 17 f.). Umgekehrt dürfen in Gemeinden, die den Plafond noch nicht erreicht haben, neue Zweitwohnungen weiterhin bewilligt werden (vorbehältlich restriktiverer Bestimmungen des kantonalen oder kommunalen Baurechts). Dementsprechend beschränkt sich auch das in Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV enthaltene Bewilligungsverbot für Zweitwohnungen auf Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von 20% und mehr.
Das Baubewilligungsverbot nach Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV gilt bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung und soll verhindern, dass die angestrebte Plafonierung von Zweitwohnungen auf 20 % negativ präjudiziert wird, indem bereits in der Übergangszeit Baubewilligungen für Zweitwohnungen erteilt werden. Es handelt sich somit um ein vorläufiges Verbot, das im Ergebnis einem Baustopp bzw. einer Planungszone gleichkommt, in allen Gemeinden, in denen der 20 %-Anteil erreicht oder überschritten ist.
9.2. Diese Auslegung kann sich auf den Titel der Initiative ("Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen") und die Materialien stützen: So ging der Bundesrat in seiner Botschaft zur eidgenössischen Volksinitiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!" vom 29. Oktober 2008 (BBl 2008 8757 ff., insbes. Ziff. 4.2 S. 8766 f.; im Folgenden: Botschaft) wie auch in den Erläuterungen zur Volksabstimmung vom 11. März 2012 S. 12 (im Folgenden: Abstimmungserläuterungen") davon aus, dass die Initiative zu einem "Baustopp" für Zweitwohnungen in Tourismusorten führen werde (vgl. die Zitate unten E. 11.4).
9.3. Davon gehen im Grundsatz auch die kantonalen Verwaltungsgerichte (oben E. 2 und 3) und die Literatur (oben E. 7) aus. Streitig ist jedoch, ob dieses Baubewilligungsverbot auf Zweitwohnungsbauten Anwendung findet, die zwischen dem 11. März und dem 31. Dezember 2012 bewilligt worden sind. Dagegen werden im Wesentlichen zwei Einwände erhoben:
- Zum einen wird geltend gemacht, dass die Verfassungsbestimmungen zu unbestimmt seien, um sie unmittelbar anzuwenden, weshalb sie zunächst noch durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber konkretisiert werden müssten. Die Zweitwohnungsverordnung sei jedoch erst am 1. Januar 2013 in Kraft getreten und könne somit auf den streitigen Zeitraum nicht angewendet werden (vgl. dazu im Folgenden, E. 10).
- Zum anderen wird aus Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV e contrario geschlossen, dass bis zum 1. Januar 2013 noch das alte Recht anwendbar sei (vgl. dazu unten, E. 11).
10.
Die unmittelbare Anwendbarkeit einer Verfassungsbestimmung setzt voraus, dass Tatbestand und Rechtsfolgen genügend genau formuliert sind: Das Legalitätsprinzip verlangt eine hinreichende und angemessene Bestimmtheit der anzuwendenden Rechtssätze im Dienste des Gesetzesvorbehalts, der Rechtssicherheit und der rechtsgleichen Rechtsanwendung (BGE 135 I 169 E. 5.4.1 S. 173; 132 I 49 E. 6.2 S. 58 f.; je mit Hinweisen). Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit lässt sich nicht abstrakt festlegen. Er hängt unter anderem von der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und der Vorhersehbarkeit der im Einzelfall erforderlichen Entscheidungen, von den Normadressaten, von der Schwere des Eingriffs in Verfassungsrechte und von der erst bei der Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten Entscheidung ab (BGE 136 I 87 E. 3.1 S. 90 f. mit Hinweisen).
Im Folgenden ist zu prüfen, ob insbesondere der Begriff der Zweitwohnung, der sowohl in Art. 75b Abs. 1 BV als auch in Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV verwendet wird, hinreichend bestimmt ist, um den Anwendungsbereich des Baubewilligungsverbots bis zur gesetzlichen Konkretisierung umreissen zu können.
10.1. Der Begriff der Zweitwohnung wird nicht nur in Art. 75b BV, sondern auch in anderen Gesetzen und Verordnungen verwendet:
In Art. 8 Abs. 2 RPG (in der Fassung vom 17. Dezember 2010, in Kraft seit 1. Juli 2011) werden die Kantone verpflichtet, in ihren Richtplänen Gebiete zu bezeichnen, in denen besondere Massnahmen ergriffen werden müssen, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Erst- und Zweitwohnungen sicherzustellen. Der Begriff der Zweitwohnung wird weder im Gesetz noch in der Verordnung definiert. In seiner Planungshilfe für die kantonale Richtplanung "Zweitwohnungen" vom Juni 2010 (Ziff. 3 S. 8) geht das ARE davon aus, dass Zweitwohnung jede Wohnung ist, die keine Erst- oder Hauptwohnung ist. Als Erst- oder Hauptwohnung gelten Wohnungen, die entweder von Ortsansässigen genutzt werden (als Eigentümer oder in Miete), d.h. von Personen mit zivilrechtlichem Wohnsitz nach Art. 23 ZGB, oder die von Personen bewohnt werden, die am Ort oder in der Region berufstätig sind bzw. in Ausbildung stehen und über eine Aufenthaltsbewilligung verfügen.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erstreckt sich die verfassungsmässig vorgesehene Wohneigentumsförderung (Art. 108 BV) nur auf Erst- und nicht auf Zweitwohnungen (BGE 132 I 157 E. 5.3 S. 165 mit Hinweisen). Dementsprechend schliessen Art. 2 Abs. 3 des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes vom 4. Oktober 1974 (WEG; SR 843) und Art. 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 21. März 2003 über die Förderung von preisgünstigem Wohnraum (Wohnraumförderungsgesetz, WFG; SR 842) Zweit- und Ferienwohnungen von ihrem Anwendungsbereich aus. Die Nutzung einer geförderten Wohnung als Zweitwohnung stellt eine Zweckentfremdung dar (Art. 15 Abs. 1 der Verordnung vom 30. November 1981 zum WEG [VWEG; SR 843.1]). Art. 4 Abs. 1 der Verordnung vom 3. Oktober 1994 über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge (WEFV; SR 831.411) verlangt, dass die Wohnnutzung am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthalt der versicherten Person erfolgen muss.
Das Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG; SR 211.412.41) unterscheidet zwischen Haupt-, Zweit- und Ferienwohnungen. Art. 2 Abs. 2 lit. b BewG i.V.m. Art. 5 der dazugehörigen Verordnung vom 1. Oktober 1984 (BewV; SR 211.412.411) definiert nur die Hauptwohnung, die sich am Ort des rechtmässigen und tatsächlichen Wohnsitzes des Erwerbers befinden muss. Während der Erwerb einer Hauptwohnung bewilligungsfrei ist, kann der Erwerb einer Zweitwohnung bewilligt werden, wenn der Erwerber zum Ort aussergewöhnlich enge, schutzwürdige Beziehungen unterhält (Art. 9 Abs. 1 lit. c BewG i.V.m. Art. 6 BewV). Dagegen kann der Erwerb einer Ferienwohnung in einem Fremdenverkehrsort nur im Rahmen des kantonalen Kontingents bewilligt werden (Art. 9 Abs. 2 BewG).
An den Zweitwohnungsbegriff knüpfen zudem zahlreiche kommunale Vorschriften über Quoten, Kontingente oder Lenkungsabgaben für Zweitwohnungen an (vgl. z.B. BGE 136 I 142 ff. betr. Samnaun; BGE 135 I 233 ff. betr. Chermignon; BGE 117 Ia 141 ff. betr. Sils; BGE 116 Ia 207 ff. und Urteil 1P.415/1998 vom 1. Juni 1999, in: RDAT 2000 I Nr. 23 S. 397, beide betr. Paradiso; 1P.404/1997 vom 9. November 1998, in: RDAT 1999 I Nr. 20 S. 76 betr. Minusio; BGE 112 Ia 65 ff. betr. Bever). In der Regel stellen diese Bestimmungen auf den Wohnsitz der Eigentümer bzw. Mieter ab; z.T. genügt (für eine Hauptwohnung) auch ein längerer Aufenthalt zu Studien- oder beruflichen Zwecken (vgl. BGE 116 Ia 207 E. 3c S. 212 betr. Paradiso).
Im Urteil 1P.666/1996 vom 23. Januar 1998 (E. 5c) äusserte sich das Bundesgericht zur Regelung der Stadt Zürich, wonach Zweitwohnungen nicht auf den Mindestwohnanteil anzurechnen seien. Die Bestimmung definierte den Zweitwohnungsbegriff nicht; die Stadt wollte hierfür auf den gewöhnlichen Aufenthalt bzw. auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse abstellen. Den Parteien, welche die Unklarheit des Begriffs der Zweitwohnung beanstandet hatten, hielt das Bundesgericht entgegen, dass es auch in anderen Rechtsgebieten (Steuerrecht, Internationales Privatrecht) üblich sei, für die Ermittlung der örtlichen Zugehörigkeit einer Person auf den gewöhnlichen Aufenthalt oder den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse abzustellen und sich diese Begriffe als praktisch handhabbar erwiesen hätten; insofern dürfte ihre Anwendung im vorliegenden Zusammenhang nicht zu grösseren Abgrenzungsschwierigkeiten führen.
10.2. Auch nach allgemeinem Sprachgebrauch steht die "Zweitwohnung" im Gegensatz zur "Erstwohnung" oder "Hauptwohnung". Diese befindet sich am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort einer Person, an dem sie sich ständig oder über längere Zeit aufhält und i.d.R. auch steuerpflichtig und stimmberechtigt ist. Zweitwohnungen sind demnach grundsätzlich alle Wohnungen, die keine Erstwohnung sind.
Dieses Verständnis liegt der Umschreibung der Zweitwohnung in Art. 2 lit. a Zweitwohnungsverordnung zugrunde. Danach sind Zweitwohnungen Wohnungen, die nicht dauernd durch Personen mit Wohnsitz in der Gemeinde genutzt werden. Art. 2 lit. b Zweitwohnungsverordnung stellt den Erstwohnungen die Wohnungen gleich, die dauernd durch Personen zu Erwerbs- oder Ausbildungszwecken genutzt werden (lit. b; vgl. dazu Erläuternder Bericht S. 6).
Dies entspricht grundsätzlich dem Verständnis der Initianten: In ihrem Argumentarium auf der Internetseite des Initiativkomitees, auf die auch in den Abstimmungserläuterungen verwiesen wurde, führten sie aus, dass eine Zweitwohnung eine zweite Wohnung sei, die von Privatpersonen während des Jahres nur zeitweise zu Ferienzwecken genutzt werde, unter Ausschluss von Nebenwohnsitzen für Schul- und Arbeitszwecke (S. 26; vgl. allerdings unten E. 10.4 zu den "warmen Betten").
10.3. Legt man den Zweitwohnungsbegriff im oben skizzierten Sinne aus, so lässt sich auch der Zweitwohnungsanteil der Gemeinden relativ leicht ermitteln.
Wie das ARE im Erläuternden Bericht (S. 4. f.) darlegt, kann hierfür - zumindest annäherungsweise - auf das eidgenössische Gebäude- und Wohnungsregister abgestellt werden, indem als potenzielle Zweitwohnung jede Wohnung betrachtet wird, der keine Person mit Niederlassung zugeordnet ist (vgl. Art. 3 lit. b des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der Einwohnerregister und anderer amtlicher Personenregister vom 23. Juni 2006 [RHG; SR 431.02]; kritisch wegen der Miterfassung leer stehender Wohnungen Jeanrenaud/Sulc, a.a.O., S. 170 f.). Hilfsweise kann auf den Anteil der zeitweise bewohnten Wohnungen gemäss Volkszählung 2000 abgestellt werden (so auch Botschaft, Ziff. 2.2 S. 8761 und Ziff. 4.2 S. 8766).
Gestützt auf diese statistischen Grundlagen hat der Bundesrat im Anhang der Zweitwohnungsverordnung die Gemeinden aufgelistet, von denen zu vermuten ist, dass der Anteil der Zweitwohnungen am Gesamtbestand an Wohnungen über 20 % liegt. Diese Vermutung kann von den Gemeinden widerlegt werden (Art. 1 Abs. 3 Zweitwohnungsverordnung). Es ist davon auszugehen, dass auch Private im Einzelfall eine Überprüfung des Zweitwohnungsanteils einer Gemeinde herbeiführen können, z.B. im Baubewilligungs- oder Beschwerdeverfahren.
Ist schon die 20 %-Grenze für den Gesamtbestand an Wohnungen überschritten, so kann auf eine Ermittlung des Bruttogeschossflächenanteils der Zweitwohnungen verzichtet werden (so auch Waldmann, Zweitwohnungen, S. 134; a.A. Jeanrenaud/Sulc, a.a.O., S. 168, die beide Kriterien kumulativ anwenden wollen).
10.4. Gegen den oben umschriebenen Begriff der Zweitwohnung kann allerdings eingewendet werden, dass sich die Initiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen" vor allem gegen sogenannte "kalte Betten" und nicht gegen "warme Betten" richtete. In ihrem Argumentarium (S. 26) gingen die Initianten davon aus, dass Ferienwohnungen, die kommerziell vermietet werden (Parahotellerie), keine Zweitwohnungen seien, weil sie viel stärker genutzt würden (durchschnittlich 200 Nächte gegenüber 30 bis 60 Nächten/Jahr bei Zweitwohnungen).
Dementsprechend geht Art. 4 lit. b Zweitwohnungsverordnung davon aus, dass qualifiziert touristisch bewirtschaftete Zweitwohnungen weiterhin bewilligt werden dürfen (vgl. Erläuternder Bericht S. 11 f.; WALDMANN, Zweitwohnungsverordnung, Rz. 34). Voraussetzung ist, dass die Wohnungen nicht individuell ausgestaltet sind sowie dauerhaft und ausschliesslich zur kurzzeitigen Nutzung durch Gäste zu marktüblichen Bedingungen angeboten werden, sei es im Rahmen strukturierter Beherbergungsformen (Ziff. 1), oder durch den oder die im selben Haus wohnenden Eigentümer oder Eigentümerin (Ziff. 2).
Es wird letztlich Aufgabe des Gesetzgebers sein, diese Fragen zu regeln.
10.5. Unter dem Blickwinkel des Legalitätsprinzips ergibt sich somit Folgendes:
Soweit Art. 75b Abs. 1 BV eine absolute Grenze von 20 % am Gesamtwohnungsbestand und an der Wohnnutzfläche jeder Gemeinde festschreibt, besteht Klarheit und Bestimmtheit des Tatbestands und der Rechtsfolge hinsichtlich derjenigen neuen Wohnnutzungen, die unzweifelhaft unter den Zweitwohnungsbegriff fallen und in einer Gemeinde mit eindeutig überschiessendem Zweitwohnungsanteil beabsichtigt sind. Die so erfassten Sachverhalte ("kalte Betten") sind relativ einfach abzugrenzen und nicht komplex. Die mögliche Rechtsänderung wurde schon lange im Voraus publik und das sich daraus ergebende Verbot wurde breit diskutiert; die insoweit betroffenen Normadressaten waren bekannt. Der sofortigen Anwendbarkeit dieses "harten Kerns" der neuen, speziellen Verfassungsnorm steht daher nichts entgegen, auch wenn sie eine nicht unerhebliche Beschränkung der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) bedeutet.
Art. 75b BV bedarf aber in weiten Teilen der Konkretisierung durch Ausführungsvorschriften. Dies gilt einerseits für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen in den betroffenen Gemeinden noch Baubewilligungen für bestimmte, besonders intensiv genutzte Arten von Zweitwohnungen ("warme Betten") erteilt werden dürfen. Andererseits ist klärungsbedürftig, ob und inwieweit die Umnutzung von Erst- zu Zweitwohnungen bzw. die Erweiterung und der Ersatz bestehender Zweitwohnungen zulässig ist.
Soweit Ausführungsrecht unabdingbar ist, um den Anwendungsbereich und die Rechtswirkungen der Verfassungsnorm definitiv und exakt bestimmen zu können, beschränkt sich die unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 75b Abs. 1 i.V.m. Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV auf ein vorsorgliches Baubewilligungsverbot für Zweitwohnungen in den betroffenen Gemeinden bis zum Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen. Im Ergebnis kommt dieses vorsorgliche Verbot einer Planungszone gleich. Es ist weit auszulegen, um dem Gesetzgeber nicht vorzugreifen und eine Präjudizierung der künftigen Ausführungsbestimmungen zu vermeiden.
Es handelt sich insoweit um eine bloss vorübergehende Einschränkung der Eigentumsgarantie zwischen dem Abstimmungstermin und dem Erlass der Ausführungsbestimmungen. Dieser soll innerhalb von zwei Jahren nach dem Abstimmungstermin erfolgen (Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV). Für derartige vorsorgliche und zeitlich beschränkte Massnahmen sind keine hohen Anforderungen an die Bestimmtheit der Norm zu stellen.
10.6. Namentlich in diesem Punkt unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von demjenigen, der dem Urteil BGE 139 I 16 zugrunde lag:
Die unmittelbare Anwendung der Art. 121 Abs. 3-6 BV (Ausschaffungsinitiative) würde zu gravierenden Eingriffen in die Grundrechte der betroffenen Ausländer führen, mit einschneidenden, i.d.R. nicht wieder gutzumachenden Nachteilen für sie und ihre Familien; dabei stellen sich heikle völkerrechtliche Probleme. In dieser Situation verbieten es die Grundsätze der Legalität und der Gewaltenteilung, die neuen Verfassungsbestimmungen (ganz oder teilweise) direkt anzuwenden, bevor der in Abs. 4 ausdrücklich damit beauftragte Gesetzgeber die erforderliche Konkretisierung und Feinabstimmung vorgenommen hat (vgl. BGE 139 I 16 E. 4.3.4 S. 27 f.).
Im Übrigen richtet sich auch die Übergangsbestimmung zu Art. 121 BV (Art. 197 Ziff. 8 BV) ausschliesslich an den Gesetzgeber und sieht - anders als Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV - keine unmittelbaren Rechtsfolgen vor.
10.7. Die vorliegend zu beurteilende Rechtslage ist dagegen mit derjenigen nach Annahme der Rothenthurm-Initiative am 6. Dezember 1987 vergleichbar. Damals wurde Art. 24sexies Abs. 5 mit folgendem Wortlaut in die damalige Bundesverfassung (aBV) eingefügt:
5 Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung sind Schutzobjekte. Es dürfen darin weder Anlagen gebaut noch Bodenveränderungen irgendwelcher Art vorgenommen werden. Ausgenommen sind Einrichtungen, die der Aufrechterhaltung des Schutzzweckes und der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung dienen.
Die Übergangsbestimmung sah vor, dass schutzzweckwidrige Anlagen, Bauten und Bodenveränderungen, die nach dem 1. Juni 1983 erstellt worden waren, zu Lasten der Ersteller abgebrochen und rückgängig gemacht werden müssten. Sie entfaltete somit (ähnlich Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV) direkte Rechtsfolgen für Private und Gemeinwesen.
Rechtsprechung und Literatur gingen übereinstimmend davon aus, dass Art. 24sexies Abs. 5 aBV ein unmittelbar anwendbares, eigentümerverbindliches, absolutes Veränderungsverbot enthalte (BGE 117 Ib 237 E. 2b S. 246 f.; 118 Ib 11 E. 2e S. 15; 123 II 248 E. 3a/aa S. 251; 127 II 184 E. 5b/aa S. 192; Urteil 1A.178/1991 vom 17. Dezember 1992 E. 2a in: ZBl 94/1993 S. 522; Urteil 1A.42/1994 vom 29. November 1994 E. 1a, in: ZBl 97/1996 S. 122, URP 1996 S. 364 und RDAF 1997 I S. 459 und 505; Thomas Fleiner-Gerster, Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Stand Oktober 1989, Art. 24sexies Rz. 47; Bernhard Waldmann, Der Schutz von Mooren und Moorlandschaften, Freiburg 1997, S. 70 ff.; Jean-Baptiste Zufferey, in: Keller/Zufferey/Fahrländer, Kommentar NHG, Zürich 1997, Allg. Teil, 2. Kap., Rz. 91 f.).
Allerdings mussten die Moorbiotope und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung erst noch durch ein Inventar des Bundes bezeichnet und von den Kantonen parzellenscharf abgegrenzt werden. Art. 24sexies Abs. 5 aBV wurde daher - bis zur definitiven Festlegung der Schutzobjekte - bei der Prüfung aller Projekte angewandt, die möglicherweise ein Schutzobjekt berühren und den Moor- oder Moorlandschaftsschutz negativ präjudizieren könnten (Urteil 1A.237/1992 vom 21. Dezember 1993 E. 5c mit Hinweisen). Dabei wurde vorläufig - bis zur definitiven Inventarisierung - eine grosszügige Abgrenzung der Moorlandschaften zugrunde gelegt (Urteil 1A.178/1991 vom 17. Dezember 1992 E. 3, in: ZBl 94/1993 S. 522). Später schützte das Bundesgericht eine restriktivere Abgrenzung der fraglichen Moorlandschaft durch Bundesrat und Kanton (BGE 127 II 184 E. 5 S. 190 ff.).
10.8. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, ist es grundsätzlich möglich, den örtlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Baubewilligungsverbots gemäss Art. 75 Abs. 1 BV i.V.m. Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV zu bestimmen, ohne dem Gesetzgeber vorzugreifen und dessen Gestaltungsspielraum unnötig einzuengen. Sofern es um klassische Ferienwohnungen in Tourismusgebieten geht, ist die Qualifikation als Zweitwohnung ohnehin unstreitig.
Dies belegt der vorliegende Fall: Bereits das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid festgehalten, dass der Zweitwohnungsanteil der Gemeinde Breil/Brigels über 20 % liege, unabhängig davon, ob ein weiter oder enger Zweitwohnungsbegriff zugrunde gelegt wird. Die streitige Baute soll im Rahmen einer Ferienresidenz erstellt werden. Die Beschwerdegegnerin macht selbst nicht geltend, dass eine touristische Bewirtschaftung der Wohnungen vorgesehen sei.
11.
Streitig ist jedoch der zeitliche Anwendungsbereich dieses Baubewilligungsverbots.
11.1. Nach der bundesgerichtlichen Praxis ist die Rechtmässigkeit von Verwaltungsakten (mangels einer anderslautenden übergangsrechtlichen Regelung) grundsätzlich nach der Rechtslage im Zeitpunkt ihres Ergehens zur beurteilen. Später eingetretene Rechtsänderungen sind nur ausnahmsweise zu berücksichtigen, wenn zwingende Gründe für die sofortige Anwendung des neuen Rechts sprechen (BGE 135 II 384 E. 2.3 S. 390; 125 II 591 E. 5e/aa S. 598; je mit Hinweisen; so auch ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., S. 71 Rz. 327; Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli/Markus Müller Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 190 f. Rz. 20 f.; PIERRE MOOR/ALEXANDRE FLÜCKIGER/VINCENT MARTENET, Droit administratif, Bd. I, Bern 2012, S. 187 f. und S. 194 f.). Zwingende Gründe für eine sofortige Anwendung des neuen Rechts hat das Bundesgericht insbesondere im Bereich des Gewässer-, Natur-, Heimat- und Umweltschutzrechts als gegeben erachtet (BGE 135 II 384 E. 2.3 S. 390).
Art. 75b BV ist am 11. März 2012 in Kraft getreten (Art. 195 BV Art. 15 Abs. 3 BPR). Nach den allgemeinen Grundsätzen ist die Bestimmung (vorbehältlich einer abweichenden Regelung) auf alle Baubewilligungen anwendbar, die ab diesem Datum erteilt worden sind. Dementsprechend ging das Bundesgericht in zwei Urteilen vom 14. Dezember 2012 (1C_215/2012 E. 2.4 und 1C_159/2012 E. 6.2) davon aus, dass Art. 75b BV nicht auf Bauvorhaben anwendbar sei, die vor dem 11. März 2012 kantonal letztinstanzlich beurteilt worden waren; eine erstmalige Anwendung von Art. 75b BV im Verfahren vor Bundesgericht rechtfertige sich nicht.
11.2. Eine rechtswidrige Verfügung ist im Allgemeinen anfechtbar. Eine Baubewilligung, die geltendem Recht widerspricht, wird somit auf Rekurs oder Beschwerde von der zuständigen Rechtsmittelbehörde aufgehoben. Wird sie nicht angefochten, so wird sie rechtskräftig. Der Widerruf einer rechtskräftigen Baubewilligung ist nur ausnahmsweise, unter qualifizierten Voraussetzungen, möglich und kann u.U. Entschädigungsfolgen nach sich ziehen (BGE 115 Ib 152 E. 3a S. 155 mit Hinweisen; Walter Haller/Peter Karlen, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, Band I, 3. Aufl., Zürich 1999, S. 225 Rz. 821-826).
Von der Anfechtbarkeit zu unterscheiden ist die Nichtigkeit einer Verfügung. Nichtigen Verfügungen geht jede Verbindlichkeit und Rechtswirksamkeit ab. Die Nichtigkeit ist jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von Amtes wegen zu beachten. Nach der Rechtsprechung ist eine Verfügung nur ausnahmsweise nichtig, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Als Nichtigkeitsgrund fallen hauptsächlich funktionelle und sachliche Unzuständigkeit einer Behörde sowie schwerwiegende Verfahrensfehler in Betracht (BGE 132 II 21 E. 3.1 S. 27 mit Hinweisen).
11.3. Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV bestimmt, dass Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 1. Januar 2013 und dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen erteilt werden, nichtig sind. Was mit Baubewilligungen geschehen soll, die nach Inkrafttreten von Art. 75b BV am 11. März 2012, aber vor dem 1. Januar 2013 erteilt wurden, ist nicht ausdrücklich geregelt und deshalb auslegungsbedürftig.
Nach den oben dargelegten allgemeinen Grundsätzen führt eine Verletzung von Art. 75b Abs. 1 BV zur Anfechtbarkeit von Baubewilligungen, die seit Inkrafttreten der Norm am 11. März 2012 erteilt worden sind. Vor diesem Hintergrund kann Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV als eine Verschärfung der Rechtsfolge (Nichtigkeit statt Anfechtbarkeit) ab dem 1. Januar 2013 verstanden werden. Für den Zeitraum davor bleibt es bei der Anfechtbarkeit verfassungswidriger Baubewilligungen.
Es wird aber auch die Auffassung vertreten, der Verfassungsgeber habe mit dieser Regelung nicht nur die Rechtsfolge verschärfen, sondern auch eine spezielle intertemporale Regelung treffen wollen, wonach Art. 75b Abs. 1 BV erst auf Baubewilligungen anwendbar sei, die ab dem 1. Januar 2013 erteilt werden. Diese Auslegung wurde insbesondere von den Verwaltungsgerichten Graubünden, Wallis und Waadt gewählt (vgl. oben E. 2 und 3). Sie hätte zur Folge, dass Baubewilligungen für Zweitwohnungen bis zum 31. Dezember 2012 noch nach altem Recht erteilt werden durften.
11.4. Die Übergangsbestimmungen der Initiative wurden im Vorfeld der Abstimmung kaum thematisiert (die Ausführungen des Bundesrats in den Abstimmungserläuterungen S. 7 betreffen den indirekten Gegenvorschlag, d.h. die Übergangsbestimmungen zur Änderung des RPG vom 17. Dezember 2010).
Allerdings gingen die Bundesbehörden und die Gegner der Initiative übereinstimmend davon aus, dass deren Annahme zu einem sofortigen Baustopp für Zweitwohnungen in zahlreichen Gemeinden führen würde. So schrieb der Bundesrat in den Abstimmungserläuterungen (S. 12; Hervorhebung nicht im Original) :
"Die Initiative ist zu starr. Die Beschränkung der Zweitwohnungen auf einen fixen Anteil von 20 Prozent aller Wohnungen würde in zahlreichen Gemeinden zu einem abrupten Baustopp führen".
Im Dossier 08.073 der Bundesversammlung "Argumentarien contra" zur Volksinitiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen" (Stand 20. Januar 2012, S. 4 unten) wurde ausgeführt:
"Die Initiative würde ein sofortiges Umnutzungsverbot von Erst- in Zweitwohnungen und einen Baustopp für neue Zweitwohnungen bewirken".
Ähnlich argumentierte Economiesuisse in ihrer Medienmitteilung vom 24. Februar 2012 (Zweitwohnungsinitiative trifft strukturschwache Regionen ins Mark) :
"Der Zweitwohnungsanteil soll in allen Gemeinden der Schweiz auf maximal 20 Prozent beschränkt werden. In Regionen, die vom Tourismus leben, ist der Anteil jedoch weit höher. Ein sofortiger Baustopp würde die Tourismuskantone Wallis, Graubünden, Tessin und Bern empfindlich treffen. 136 der 175 Bündner Gemeinden - davon 80 in strukturschwachen Regionen - dürften keine Zweitwohnungen mehr errichten".
Diesen Argumenten widersprachen die Initianten nicht etwa mit Hinweis auf eine Schon- oder Übergangsfrist für die Bewilligung von Zweitwohnungen nach Annahme der Initiative; im Gegenteil: In ihrem Argumentarium (S. 23 und 26 f.) hoben sie hervor, dass die Initiative dem uferlosen Bau von Zweitwohnungen wirksam entgegentrete und ihre Annahme bedeute, dass in Gemeinden mit über 20 % Zweitwohnungen keine weiteren Zweitwohnungen mehr gebaut oder Erstwohnungen in Zweitwohnungen umgenutzt werden könnten.
Unter diesen Umständen mussten die Stimmbürger (auch als juristische Laien) mit der sofortigen Anwendung der Initiative im Falle ihrer Annahme rechnen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Abstimmung ohne die Übergangsbestimmung in Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV anders ausgefallen wäre.
11.5. Für die sofortige Anwendung der neuen Verfassungsbestimmungen sprechen auch Sinn und Zweck der Initiative. Wie bereits ihr Titel ("Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!") besagt, soll die Zerstörung von Natur und Landschaften durch den Zweitwohnungsbau beendet werden. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn Zweitwohnungen noch während einer Übergangsfrist von bis zu einem Jahr (je nach Festsetzung des Abstimmungsdatums) nach altem Recht erteilt werden dürften. Es war vorhersehbar, dass eine derartige Übergangsfrist zu einer Flut von Baugesuchen und -bewilligungen kurz vor Jahreswechsel führen würde. Die Initianten erhoben denn auch sofort nach der Abstimmung systematisch Einsprache gegen Baubewilligungen für Zweitwohnungen in Tourismusgemeinden.
11.6. Nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV keine Übergangsfrist für die Weiteranwendung des bisherigen Rechts enthält, sondern ab dem 1. Januar 2013 bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung eine verschärfte Rechtsfolge anordnet (Nichtigkeit statt Anfechtbarkeit). Dadurch wird Druck auf den Gesetzgeber ausgeübt, die Initiative möglichst rasch und wirksam umzusetzen. Würde das Ausführungsgesetz zu viele Ausnahmen zulassen, könnten die Initianten dagegen das Referendum ergreifen, ohne befürchten zu müssen, dass in der Zwischenzeit Baubewilligungen für Zweitwohnungen in den betroffenen Gemeinden erteilt und rechtskräftig werden könnten. Bei dieser Zielsetzung macht es Sinn, die schwerwiegende Nichtigkeitsfolge erst zu einem Zeitpunkt eintreten zu lassen, in dem frühestens ein Ausführungsgesetz vorliegen könnte, d.h. am 1. Januar des auf die Annahme von Art. 75b BV folgenden Jahres.
Für den Zeitraum davor bleibt es dagegen bei den normalen Rechtsfolgen: Baubewilligungen, die nach dem 11. März 2012 und vor dem 1. Januar 2013 erteilt wurden, sind anfechtbar. Werden sie nicht angefochten, erwachsen sie in Rechtskraft und können (vorbehältlich ihres Widerrufs) ausgenützt werden. Baubewilligungen, die vor dem 11. März 2012 erstinstanzlich erteilt wurden, fallen nicht unter die neuen Verfassungsbestimmungen und bleiben gültig, unabhängig vom Zeitpunkt, in dem sie rechtskräftig geworden sind.
11.7. Eine andere Auslegung erscheint auch nicht unter den Aspekten von Treu und Glauben und des Vertrauensschutzes geboten. Besonderen Situationen des Vertrauensschutzes kann im Einzelfall im Baubewilligungsverfahren Rechnung getragen werden (vgl. auch BGE 139 II 263).
12.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Art. 75b Abs. 1 BV - entgegen der Auffassung der kantonalen Instanzen - auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Da es sich unstreitig um ein Baugesuch für Zweitwohnungen in einer Gemeinde mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 % handelt, hätte die Baubewilligung nicht erteilt werden dürfen. Dies führt zur Gutheissung der Beschwerde, zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids und zur Verweigerung der Baubewilligung.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die private Beschwerdegegnerin kosten- und entschädigungspflichtig, und zwar sowohl für das bundesgerichtliche Verfahren ( Art. 66 und 68 BGG ) als auch für das Verfahren vor Verwaltungsgericht ( Art. 67 und 68 Abs. 5 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 12. November 2012 sowie der Bau- und Einspracheentscheid des Gemeindevorstands Breil/Brigels vom 20. August 2012 werden aufgehoben. Die Baubewilligung für das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin auf Parzelle Nr. 3690 der Gemeinde Breil/Brigels wird verweigert.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- für das bundesgerichtliche Verfahren und von Fr. 3'371.-- für das verwaltungsgerichtliche Verfahren werden der Beschwerdegegnerin (L.________ AG) auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegnerin (L.________ AG) hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche und das verwaltungsgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 8'000-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Breil/Brigels, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, und dem Bundesamt für Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Mai 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Die Gerichtsschreiberin: Gerber