BGer 1C_649/2012 |
BGer 1C_649/2012 vom 22.05.2013 |
{T 0/2}
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1C_649/2012, 1C_650/2012
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Urteil vom 22. Mai 2013 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
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Bundesrichter Aemisegger, Merkli, Karlen, Eusebio,
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Gerichtsschreiberin Gerber.
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Verfahrensbeteiligte |
Helvetia Nostra, Beschwerdeführerin, vertreten durch Maître Pierre Chiffelle,
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gegen
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1C_649/2012
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X.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Gian Reto Zinsli,
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Gemeinde Savognin, 7460 Savognin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gieri Caviezel,
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1C_650/2012
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Y.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Dr. Rudolf Kunz und Dr. Claudio Weingart, Rechtsanwälte,
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Gemeinde Disentis/Mustér, 7180 Disentis/Mustér, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Otmar Bänziger.
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Gegenstand
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Baueinsprache,
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1C_649/2012
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Beschwerde gegen das Urteil vom 7. November 2012 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer,
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1C_650/2012
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Beschwerde gegen das Urteil vom 5. November 2012 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer.
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Sachverhalt: |
A. Am 11. Mai 2012 reichte X.________ (im Folgenden: Beschwerdegegner 1) bei der Gemeinde Savognin ein Gesuch um Erstellung eines Mehrfamilienhaus-Neubaus auf Parzelle Nr. 981 ein.
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B. Am 25. Juni 2012 reichte die Y.________ (im Folgenden: Beschwerdegegnerin 2) bei der Gemeinde Disentis/Mustér ein Baugesuch für die Erstellung eines Mehrfamilienhaus-Neubaus auf Parzelle Nr. 2325 in Buretsch/Segnas ein. Das Baugesuch wurde vom 29. Juni bis 19. Juli 2012 erstmals öffentlich aufgelegt. Infolge Projektänderungen erfolgte eine erneute Publikation und öffentliche Auflage vom 20. Juli bis 9. August 2012.
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C. Gegen die Entscheide der Gemeinden Savognin und Disentis/Mustér erhob die Helvetia Nostra am 19. September 2012 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Sie beantragte, die angefochtenen Entscheide seien aufzuheben und die Baubewilligungen seien nicht zu erteilen.
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D. Gegen beide Urteile erhob die Helvetia Nostra am 14. Dezember 2012 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragt, die angefochtenen Entscheide seien aufzuheben und die Sachen zu neuem Entscheid an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Eventualiter seien die den Beschwerdegegnern erteilten Baubewilligungen aufzuheben.
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E. Die Beschwerdegegner beantragen, auf die Beschwerden sei nicht einzutreten; eventualiter seien sie abzuweisen. Die Beschwerdegegnerin 2 ist der Auffassung, der Beschwerdeführerin fehle es schon an der formellen Beschwer, weil sie lediglich gegen die Projektänderung, nicht aber gegen das ursprüngliche Baugesuch Einsprache erhoben habe.
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F. Das Bundesamt für Raumplanung (ARE) äussert sich in seiner Vernehmlassung nicht zur Legitimation der Beschwerdeführerin. Es geht davon aus, dass Art. 75b BV auf Baugesuche anwendbar ist, die nach Annahme der Verfassungsbestimmung am 11. März 2012 eingereicht worden sind und ein Bauvorhaben in einer Gemeinde zum Gegenstand haben, die bereits mehr als 20 % Zweitwohnungen im Sinne der Verordnung vom 22. August 2012 über Zweitwohnungen (SR 702) aufweist. Solche Baugesuche könnten nur bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen von Art. 4 lit. b der Verordnung erfüllt seien. Dies werde in den vorliegenden Fällen weder von der Bauherrschaft noch von der Vorinstanz behauptet.
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G. Im weiteren Schriftenwechsel halten die Parteien an ihren Anträgen fest.
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H. Mit Verfügungen vom 24. Januar und vom 5. Februar 2013 wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung erteilt.
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I. Am 22. Mai 2013 hat das Bundesgericht in öffentlicher Sitzung über die Beschwerden beraten.
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Erwägungen: |
1. Beide Beschwerden betreffen die Einsprache- und Beschwerdebefugnis der Helvetia Nostra gegen Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die nach Annahme der Zweitwohnungsinitiative am 11. März 2012, aber vor dem 1. Januar 2013, erteilt worden sind. Da sowohl die angefochtenen Entscheide des Verwaltungsgerichts als auch die Beschwerdeschriften weitgehend identisch sind, rechtfertigt es sich, die Verfahren zu vereinigen.
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2. Gegen die kantonal letztinstanzlichen Endentscheide steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich offen (Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und 90 BGG); ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor.
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Die Beschwerdeführerin ist nach Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert, soweit sie geltend macht, ihr sei im kantonalen Verfahren die Beschwerdelegitimation zu Unrecht abgesprochen worden. Ob dies zutrifft, ist eine Frage der Begründetheit der Beschwerde.
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3. Streitig ist in erster Linie, ob die Beschwerdeführerin gemäss Art. 12 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) zur Beschwerde befugt ist.
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4. Das Verwaltungsgericht verneinte das Vorliegen einer Bundesaufgabe.
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5. Im gleichen Sinne hat auch die Öffentlichrechtliche Abteilung des Kantonsgerichts Wallis entschieden (vgl. Urteil A1 12 176 vom 23. Oktober 2012). Die neuen Verfassungsbestimmungen beschränkten den Bau von Zweitwohnungen, unabhängig davon, ob ein Objekt des Natur- oder Heimatschutzes bedroht sei, und bezweckten deshalb nicht den Schutz von Natur und Heimat. Dies gelte insbesondere bei der Bewilligung von Zweitwohnungsbauten inmitten eines weitgehend überbauten Gebiets innerhalb der Bauzone.
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6. In der Literatur sind die Auffassungen geteilt:
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6.1. Yves Jeanrenaud/Timo Sulc (Lex Weber: premiers commentaires de l'ordonnance dans l'attente de la législation d'exécution, in: Not@lex, Revue de droit privé et fiscal du patrimoine 4/2012, S. 165 ff., insbes. S. 181) sprechen sich gegen eine Bundesaufgabe aus: Art. 75b BV beziehe sich auf die Raumplanung und betreffe eine Aufgabe, die in Art. 8 Abs. 2 RPG ausdrücklich den Kantonen übertragen sei.
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6.2. Dagegen geht Bernhard Waldmann davon aus, dass die Sicherstellung der Plafonierung des Zweitwohnungsbaus fortan eine Bundesaufgabe bildet (Zweitwohnungen - vom Umgang mit einer sperrigen Verfassungsnorm, in: Schweizerische Baurechtstagung Freiburg 2013, S. 123 ff., insbes. S. 136 oben). Allerdings äussert er sich nicht ausdrücklich zu den Konsequenzen für das Verbandsbeschwerderecht.
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7. Die Beschwerdeführerin macht geltend, Art. 75b Abs. 1 BV verbiete den Bau neuer Zweitwohnungen in Gemeinden, in denen ein Zweitwohnungsanteil von 20 % überschritten sei. Diese Bestimmung sei unmittelbar anwendbar und diene insbesondere dem Schutz von Natur und Landschaft in den betroffenen Gebieten. Bereits der Titel der Initiative und das Abstimmungsplakat hätten klar aufgezeigt, dass es darum gehe, die Verunstaltung wertvoller Landschaften durch den uferlosem Bau von Zweitwohnungen zu beenden.
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8. Die privaten Beschwerdegegner und die Gemeinden Savognin und Disentis/Mustér teilen die Auffassung des Verwaltungsgerichts. Die Legitimation der Helvetia Nostra könne auch nicht aus der Tatsache abgeleitet werden, dass ihr Präsident als Mitinitiant der Initiative aufgetreten sei: Die Beschwerdeführerin sei durch das Bauvorhaben nicht mehr berührt als die Allgemeinheit.
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9. Gemäss Art. 78 Abs. 1 BV sind für den Natur- und Heimatschutz grundsätzlich die Kantone zuständig; Bundeskompetenzen bestehen lediglich im Bereich des Biotop- und Artenschutzes (Abs. 4) und zum Schutz von Mooren und Moorlandschaften von nationaler Bedeutung (Abs. 5). Gemäss Art. 78 Abs. 2 BV nimmt jedoch der Bund bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes und schont Landschaften, Ortsbilder, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kunstdenkmäler; er erhält sie ungeschmälert, wenn das öffentliche Interesse es gebietet.
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9.1. Was unter der Erfüllung einer Bundesaufgabe im Sinne von Art. 78 Abs. 2 BV zu verstehen ist, führt Art. 2 Abs. 1 NHG in nicht abschliessender Weise aus: Dazu gehören insbesondere die Planung, Errichtung und Veränderung von Werken und Anlagen durch den Bund, wie z.B. Bauten und Anlagen der Bundesverwaltung, Nationalstrassen oder Bauten und Anlagen der Schweizerischen Bundesbahnen (lit. a), die Erteilung von Konzessionen und Bewilligungen, wie zum Bau und Betrieb von Verkehrsanlagen, Transportanstalten, Werken und Anlagen zur Beförderung von Energie, Flüssigkeiten oder Gasen oder zur Übermittlung von Nachrichten sowie Bewilligungen zur Vornahme von Rodungen (lit. b) sowie die Gewährung von Beiträgen an Planungen, Werke und Anlagen, wie Meliorationen, Sanierungen landwirtschaftlicher Bauten, Gewässerkorrektionen, Anlagen des Gewässerschutzes und Verkehrsanlagen (lit. c). Entscheide kantonaler Behörden über Vorhaben, die voraussichtlich nur mit Beiträgen nach Absatz 1 Buchstabe c verwirklicht werden, sind der Erfüllung von Bundesaufgaben gleichgestellt (Art. 2 Abs. 2 NHG).
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9.2. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Bundesaufgabe auch dann vorliegen, wenn eine kantonale Behörde verfügt hat, beispielsweise bei der Erteilung einer raumplanungsrechtlichen Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG (grundlegend BGE 112 Ib 70 E. 4b S. 74 ff.). Ausdrücklich in Art. 2 Abs. 1 lit. b NHG erwähnt ist die Rodungsbewilligung: Erteilt eine kantonale Forstbehörde eine Rodungsbewilligung oder stellt sie diese verbindlich in Aussicht, so erfüllt sie eine Bundesaufgabe (BGE 121 II 190 E. 3c/cc S. 197). Auch der Biotopschutz gemäss Art. 18 ff. NHG ist eine den Kantonen übertragene Bundesaufgabe (BGE 133 II 220 E. 2.2 S. 223). Gleiches gilt für die Bewilligung von technischen Eingriffen in ein Gewässer nach Art. 8 ff. des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über die Fischerei (BGF; SR 923.0) bzw. die Erteilung von fischereirechtlichen Bewilligungen (BGE 110 lb 160 E. 2 S. 161). Zu den Bundesaufgaben gehören auch der Gewässerschutz und die Sicherung angemessener Restwassermengen (in BGE 139 II 28 nicht publ. E. 1.1), der Schutz von Mooren und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung (BGE 118 Ib 11 E. 2e S. 15 f.) sowie von wildlebenden Säugetieren und Vögeln (BGE 136 II 101 E. 1.1 S. 103), auch wenn kantonale oder kommunale Behörden entscheiden.
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9.3. Voraussetzung für das Vorliegen einer "Bundesaufgabe" ist danach in erster Linie, dass die angefochtene Verfügung eine Rechtsmaterie betrifft, die in die Zuständigkeit des Bundes fällt und bundesrechtlich geregelt ist.
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9.4. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt und mit Zitaten belegt hat, genügt nicht jegliche Anwendung von Bundesrecht, um die Beschwerdebefugnis nach Art. 12 NHG auszulösen, sondern es muss eine konkrete Bundesaufgabe vorliegen, die einen Bezug zum Natur-, Landschafts- und Heimatschutz aufweist. Dies ist einerseits der Fall, wenn die bundesrechtliche Regelung (zumindest auch) den Schutz von Natur, Landschaft oder Heimat bezweckt ( ZUFFEREY, Kommentar NHG, Art. 2 Rz. 12 S. 150 f.); andererseits ist eine Bundesaufgabe i.S.v. Art. 78 Abs. 2 BV und Art. 2 NHG zu bejahen, wenn der bundesrechtliche Auftrag die Gefahr der Beeinträchtigung schützenswerter Natur, Orts- oder Landschaftsbilder in sich birgt und deshalb die Rücksichtnahme auf die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes sichergestellt werden muss (BGE 131 II 545 E. 2.2 S. 547 f. mit Hinweisen; ZUFFEREY, a.a.O., Art. 2 Rz. 13 S. 151 f.).
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10. Im Bereich der Raumplanung sind grundsätzlich die Kantone zuständig; dem Bund steht nur (aber immerhin) eine Grundsatz-Gesetzgebungskompetenz zu (Art. 75 Abs. 1 BV).
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10.1. Wo sich das RPG auf Rahmenbestimmungen beschränkt (Nutzungsplanung; Bewilligung von Bauten innerhalb der Bauzone), liegt grundsätzlich keine Bundesaufgabe i.S.v. Art. 2 NHG vor. Dagegen wird eine Bundesaufgabe bejaht, soweit es um die Erteilung von Ausnahmebewilligungen ausserhalb der Bauzone geht, die vom Bund detailliert und i.d.R. abschliessend geregelt worden sind (Art. 24 ff. RPG).
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10.2. Regeln jedoch Nutzungspläne oder ordentliche Baubewilligungen ausnahmsweise (ganz oder teilweise) konkrete bundesrechtliche Gesichtspunkte, so gelten sie insoweit als Verfügung i.S.v. Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG; SR 172.021) und können dem Beschwerderecht nach Art. 12 NHG unterliegen (vgl. Art 12c Abs. 3 und 4 NHG; BGE 135 II 328 E. 2.1 S. 332 mit Hinweisen; PETER M. KELLER, Kommentar NHG, Art. 12 Rz. 3 S. 256). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind die Natur- und Heimatschutzverbände daher zur Beschwerde gegen ordentliche Baubewilligungen und Nutzungspläne befugt, die schutzwürdige Biotope berühren (in BGE 118 Ib 485 nicht veröffentlichte E. 1; BGE 118 Ib 11 E. 2e S. 15/16 zu Mooren und Moorlandschaften von nationaler Bedeutung). Gleiches gilt, wenn die Umgehung von Art. 24 RPG durch die Schaffung unzulässiger Kleinbauzonen gerügt wird (Urteil 1C_164/2007 vom 6. Dezember 2007 E. 1.3 und 3.1 mit Hinweisen).
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10.3. Nach der bundesgerichtlichen Praxis ist die Erstellung von Zivilschutzbauten (Urteil 1A.231/1998 vom 12. Juli 1999 E. 1b/bb, publ. in RDAF 2000 I S. 141 und URP 2000 S. 659) und von Mobilfunkanlagen (BGE 131 II 545 E. 2.2 S. 547 f. mit Hinweis) eine Bundesaufgabe, und zwar auch dann, wenn dies im ordentlichen Baubewilligungsverfahren innerhalb der Bauzone geschieht. Der Bund verpflichtet die Kantone zur Gewährleistung eines ausgewogenen Schutzplatzangebots bzw. die Mobilfunkkonzessionärinnen zum Aufbau eines je eigenen, landesweiten Mobilfunknetzes, was sich negativ auf schützenswerte Landschaften und Ortsbilder auswirken kann. Die Anwendbarkeit von Art. 3 und 6 NHG ist das notwendige Korrelat, um sicherzustellen, dass diese Verpflichtung nicht auf Kosten von Natur- und Heimat erfüllt wird. Dies hat zur Folge, dass solche Baubewilligungen der Verbandsbeschwerde gemäss Art. 12 NHG unterliegen.
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11. Art. 75b Abs. 1 BV setzt einen Höchstanteil für Zweitwohnungen von 20 % pro Gemeinde fest, gemessen einerseits am Gesamtbestand der Wohneinheiten und andererseits an der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche. Art. 75b Abs. 2 und Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV beauftragen den "Gesetzgeber", die hierfür nötigen Ausführungsbestimmungen zu erlassen.
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11.1. Es entspricht einhelliger Auffassung, dass damit der Bund und nicht die Kantone zur Ausführungsgesetzgebung verpflichtet wird. Dies lässt sich aus Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV ableiten, der den Bundesrat (und nicht die Kantonsregierungen) ermächtigt, nötigenfalls die Ausführungsbestimmungen durch Verordnung zu erlassen (Rütsche, a.a.O., S. 82). Insoweit ist der Bund nicht mehr auf eine Grundsatzgesetzgebung (nach Art. 75 BV) beschränkt; die Sicherstellung der Plafonierung des Zweitwohnungsbaus stellt vielmehr fortan eine Bundesaufgabe dar (so auch Waldmann, a.a.O., S. 136 oben).
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"Da es sich um eine bundesrechtliche Regelung handelt, wäre im Prinzip letztlich der Bund für die Sicherstellung ihrer Anwendung zuständig." (a.a.O., Ziff. 3.3 S. 8764).
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11.2. Art. 75b BV ist eine raumplanerische Bestimmung, die eine bestimmte Nutzung (Zweitwohnungen) beschränkt. Diese Beschränkung ist jedoch nicht Selbstzweck: Ziel der Initiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen" war in erster Linie der Schutz von Natur und Landschaft. So argumentierte das Initiativkomitee in den Erläuterungen zur Abstimmung vom 11. März 2012 (S. 11), dass durch den ausufernden Zweitwohnungsbau immer grössere Teile der Schweizer Berge verstädtert, unersetzliche Landschaften verschandelt und die Natur für immer zerstört werde; die schönsten und kostbarsten Landschaften würden durch immer neue Einzonungen, Umzonungen und Sonderbewilligungen bedroht und würden auf diese Weise Stück für Stück vernichtet.
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11.3. Die Prüfung, ob eine Baubewilligung für eine Zweitwohnung nach Art. 75b Abs. 1 BV i.V.m. Art 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV und seiner Ausführungsbestimmungen erteilt werden darf, erfolgt nach geltendem Recht entweder im ordentlichen Baubewilligungsverfahren (innerhalb der Bauzone) oder im Ausnahmebewilligungsverfahren nach Art. 24 ff. RPG (ausserhalb der Bauzone). Im zuletzt genannten Fall handelt es sich um eine bundesrechtliche Bewilligung, die klarerweise in Erfüllung einer Bundesaufgabe ergeht. Gleiches muss aber auch gelten, soweit die Konformität eines Bauvorhabens mit Art. 75b BV und seinen Ausführungsbestimmungen im ordentlichen Baubewilligungsverfahren geprüft wird: Insoweit stützt sich die Baubewilligung auf spezielle, bundesrechtlich geregelte Tatbestände und ergeht in Erfüllung einer Bundesaufgabe (so auch RÜTSCHE, a.a.O., S. 81 f.).
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11.4. Im Ergebnis ist daher eine Bundesaufgabe i.S.v. Art. 78 Abs. 2 BV und Art. 2 NHG zu bejahen. Dies hat zur Folge, dass die streitigen Baubewilligungen von der Helvetia Nostra nach Art. 12 NHG angefochten werden können. Das Verwaltungsgericht Graubünden hat daher die Einsprache- und Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin zu Unrecht verneint.
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12. Das Verwaltungsgericht hat zusätzlich ausgeführt, dass die neuen Verfassungsbestimmungen nicht anwendbar seien auf Baubewilligungen, die zwischen dem 11. März 2012 und dem 31. Dezember 2012 erstinstanzlich erteilt wurden (Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV e contrario).
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13. Dies führt zur Gutheissung der Beschwerden und zur Rückweisung an das Verwaltungsgericht. Dieses wird prüfen müssen, ob die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen (namentlich die von der Beschwerdegegnerin 2 bestrittene Einhaltung der Einsprachefrist). Ist dies zu bejahen, wird es die Beschwerden materiell beurteilen müssen.
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Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdegegner kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 und 68 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Verfahren 1C_649/2012 und 650/2012 werden vereinigt.
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2. Die Beschwerden werden gutgeheissen und die Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 5. und 7. November 2012 aufgehoben. Die Sachen werden zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdegegnern der Verfahren 1C_649/2012 und 1C_650/2012 je zur Hälfte (ausmachend Fr. 2'000.--) auferlegt.
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4. Die Beschwerdegegner haben die Beschwerdeführerin für die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens mit je Fr. 2'000.-- (insgesamt: Fr. 4'000.--) zu entschädigen.
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5. Dieses Urteil wird den Parteien, den Gemeinden Savognin und Disentis/Mustér, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, und dem Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 22. Mai 2013
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Fonjallaz
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Die Gerichtsschreiberin: Gerber
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