BGer 1C_28/2013
 
BGer 1C_28/2013 vom 27.05.2013
{T 0/2}
1C_28/2013
 
Urteil vom 27. Mai 2013
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Karlen,
Gerichtsschreiber Steinmann.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Gemeinderat Affoltern am Albis,
Marktplatz 1, Postfach 330, 8910 Affoltern am Albis.
Gegenstand
Protokollberichtigung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer,
vom 19. Dezember 2012.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
§ 54
2.1. Das Verwaltungsgericht führte dazu aus, über die Form der Protokollierung lasse sich der Bestimmung nichts entnehmen. Es entspreche gängiger Praxis, ein abgekürztes Verhandlungsprotokoll zu führen. Es würden darin die Aussagen der Versammlungsteilnehmer nicht wörtlich aufgenommen, die Protokollierung beschränke sich auf den wesentlichen Inhalt der Aussagen. Die Protokollierung habe zum Ziel, Ablauf und Inhalt der Verhandlung wahrheitsgetreu aufzuzeichnen. Insoweit seien auch inhaltlich unwahre Aussagen zu protokollieren. Es liege im pflichtgemässen Ermessen des Protokollführers, die Ausführungen der Teilnehmer auf ihre Wesentlichkeit zu beschränken. Beschränkung auf den Kerngehalt bedeute nicht, dass nur protokolliert wird, was der Protokollführer für die Behandlung des betroffenen Geschäfts für wesentlich hält. Vor diesem Hintergrund kam das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass das Protokoll lückenhaft sei. Zum einen, weil die Antworten auf technische Fragen zur Anlage durch den an der Gemeindeversammlung anwesenden Experten nicht aufgeführt wurden. Zum andern, weil eine kritische Aussage des Beschwerdeführers, der durchschnittliche Lebensdauerertrag der Anlage sei wesentlich kleiner als der projektierte, auch dem Sinn nach nicht aufgenommen wurde.
2.2. Nach dem Schrifttum sollen vor dem Hintergrund der genannten Bestimmung drei Arten von Protokollen gebräuchlich sein: Beschlussprotokoll, Verhandlungsprotokoll und wörtliches Protokoll. Die Form des Protokolls wird von der Gemeindevorsteherschaft, der Gemeindeorganisation oder der Versammlung selber bestimmt ( H. R. Thalmann, Kommentar zum Zürcher Gemeindegesetz, 3. Auflage, 2000, § 54 N. 5). Ein wörtliches Protokoll kann aufgrund von § 54 GG nicht verlangt werden. Die Verwendung von Tonaufnahmegeräten zu diesem Zwecke bedürfte des Einverständnisses der Versammlung ( Thalmann, a.a.O., N. 3 und 8.1). In Anbetracht der Offenheit der gesetzlichen Bestimmung ist für die Umschreibung der Anforderungen in erster Linie vom Zweck der Protokollierung und der gewählten Protokollform auszugehen. In diesem Rahmen und unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben kann entgegen der Auffassung des Gemeinderats auch auf das Schrifttum zu entsprechenden Erlassen anderer Kantone abgestellt werden. Es kann dem Verwaltungsgericht kein Vorwurf gemacht werden, den Kommentar zum Berner Gemeindegesetz und die entsprechenden Ausführungen zur Protokollierung beigezogen zu haben ( JürgWichtermann, Kommentar von § 49 GG, in: Daniel Arn et al. [Hrsg.], Kommentar zum Gemeindegesetz des Kantons Bern, 1999).
2.3. Die Protokollierung hat unbestrittenermassen zum Ziel, den Inhalt und Ablauf der Gemeindeversammlung wahrheitsgetreu aufzuzeichnen. Das bezieht sich im Falle eines reinen Beschlussprotokolls auf alle Anträge, Abstimmungen und Eventualabstimmungen sowie auf sämtliche Beschlüsse. Der Gang der Verhandlung soll im Sinne der Beweissicherung und der Rechtssicherheit exakt, indes ohne weitere Begründungen aufgezeichnet werden. Auch längere Zeit nach der Gemeindeversammlung soll es noch möglich sein, im Einzelnen nachzuvollziehen, was entschieden worden ist und was allenfalls nicht zur Debatte gestanden hat. Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Beschlüsse im Zusammenhang mit dem fraglichen Geschäft korrekt protokolliert worden sind und das Protokoll den formellen Anforderungen genügt.
2.4. Das umstrittene Protokoll ist vor diesem Hintergrund zu beurteilen. Es handelt sich dabei nicht um ein Beschlussprotokoll, sondern um ein Verhandlungsprotokoll. Die Zusammenfassung der Diskussion anlässlich der Gemeindeversammlung umfasst rund zwei Seiten. Sie zeichnet sich durch die folgenden Merkmale aus:
 
3.
3.1. Das Verwaltungsgericht hat von einer Ergänzung abgesehen, weil die Gemeindeversammlung bereits ein halbes Jahr zurückliege, die Versammlungsteilnehmer sich nicht mehr an die einzelnen Aussagen erinnern dürften und die vom Beschwerdeführer bezeichneten Personen dem Projekt kritisch gegenüberstanden und daher nicht als neutrale Beobachter betrachtet werden könnten. Der Gemeinderat spricht sich zu diesen Fragen nicht aus.
3.2. Die nachträgliche Berichtigung bzw. Ergänzung eines Protokolls bietet gewisse Beweisschwierigkeiten, insbesondere wenn die Versammlung eine Weile zurückliegt. Im vorliegenden Fall existieren von der Gemeindeversammlung keine Tonbandaufnahmen, die als Beweismittel dienen könnten. Zur Klärung der Sachlage fällt daher in erster Linie die Befragung von Teilnehmern in Betracht. Diese ist durch den Zeitablauf beeinträchtigt. Überdies sind entsprechende Aussagen im Lichte der damals vertretenen Positionen vorsichtig zu würdigen. Darüber hinaus kommen allfällige Notizen etwa des Protokollführers oder anderer Personen in Frage.
 
4.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. Dezember 2012 (Verfahren VB.201200613) wird in Bezug auf Dispositiv-Ziffer 1 Absatz 2, Ziffer 2 und Ziffer 3 aufgehoben. Die Sache wird dem Verwaltungsgericht im Sinne der Erwägungen zu neuem Entscheid zurückgewiesen.
2. Es werden keine Kosten erhoben.
3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Gemeinderat Affoltern am Albis und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Mai 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Steinmann